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Norbert Röttgen und der CDU-VorsitzDer Überraschungskandidat

Niemand hatte Norbert Röttgen auf dem Zettel. Mit seiner Ankündigung, ebenfalls CDU-Chef werden zu wollen, setzt er seine Wettbewerber unter Druck.

Wie aus dem Nichts: Norbert Röttgen mischt die CDU auf – zumindest die Diskussion Foto: Michele Tantussi/reuters

Berlin taz | Schwups, plötzlich steht er da. Norbert Röttgen, das Haar silbergrau, die Krawatte fliederfarben, geduldig lächelnd. Vor ihm drängeln sich in der Berliner Bundespressekonferenz die Fotografen. Röttgen weiß, dass er eine Bombe gezündet hat, die die CDU durchschüttelt. Am Dienstagmorgen hat er der scheidenden CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer per Mail angekündigt, sich um ihre Nachfolge zu bewerben.

Merz, Spahn und Laschet – diese Namen werden seit Tagen mantraartig genannt. Aber Röttgen hatte keiner so wirklich auf dem Zettel, bei allen Spekulationen spielte der 54-jährige Jurist aus Nordrhein-Westfalen keine Rolle. Und plötzlich will er der wichtigste Mann in der CDU werden, vielleicht der nächste Kanzler?

Auch wenn Röttgen eher Außenseiterchancen haben dürfte: Sein Vorstoß ist nicht ungeschickt, allein deshalb, weil er seine Wettbewerber mit drei Zügen in die Defensive bringt.

Er ist – wie er zu Recht anmerkt – der Erste, der seine Kandidatur offen erklärt und inhaltlich begründet. Friedrich Merz ließ über sein Umfeld streuen, Vorsitzender werden zu wollen. Gesundheitsminister Jens Spahn erklärte vage, bereit für Verantwortung zu sein. Und Armin Laschet, Ministerpräsident in NRW, bleibt bisher komplett in der Deckung. Röttgen setzt sie mit seinem Move unter Druck.

Wie bei einer Jacke?

Dann wäre da das vermurkste Verfahren. Kramp-Karrenbauer will diese Woche Gespräche mit den Möchtegernkandidaten führen, obwohl jene sich noch gar nicht erklärt haben. In der CDU wünschen sich viele eine Teamlösung, also eine gütliche Einigung, obwohl es um einen einzigen Chefjob geht.

Röttgen sagt, er habe den Verdacht, dass in diesem Falle das Team dazu dienen solle, die Interessen Einzelner unter einen Hut zu bringen. Das bisherige Verfahren habe ihn „nicht überzeugt“. Es sei wie bei einer Jacke. „Wenn man schon am ersten Knopf falsch knöpft, wird das so nichts mehr.“ Wer wollte ihm widersprechen?

Und, drittens, wären da die fehlenden Inhalte. Röttgen liegt richtig, wenn er kritisiert, dass seit Kramp-Karrenbauers Ankündigung kaum über Themen geredet wurde. Röttgen macht es anders. Die CDU müsse ökologische Glaubwürdigkeit im Allgemeinen und klimapolitische Glaubwürdigkeit im Besonderen zurückgewinnen, sagt er. „Wenn wir das nicht tun, droht uns als Partei mindestens eine ganze Generation verloren zu gehen.“

Der Außenpolitiker fordert, früher auf absehbare Krisen zu reagieren – wie aktuell die Vertreibung von fast einer Million Syrer in der Provinz Idlib. „Das ist ein akutes Geschehen, über das wir kaum sprechen.“ Zwischen Ost- und Westdeutschen wolle er, falls er CDU-Chef werde, einen Dialog auf Augenhöhe über das Funktionieren der Demokratie in Gang bringen.

Böse Seitenhiebe in Richtung Merkel

Röttgen redet ruhig, seine Wangen sind ein bisschen gerötet. Falls er aufgeregt ist, merkt man es nicht. Er übt brachiale Kritik an der Politik der vergangenen Jahre. Was die Bürger in der Krisendekade von Finanzmarkt-, Euro- und Flüchtlingskrise erlebt hätten, sei „Überraschung der Politik, Überforderung der Politik und Reagieren und Reparieren“.

Das sind böse Seitenhiebe, in dieser Zeit hat ununterbrochen Angela Merkel regiert. Wenn Menschen allein gelassen würden, sagt Röttgen, bekämen sie Angst. „Wir müssen auch in der CDU die Fenster öffnen dafür, dass Politik wieder einzieht.“ Noch ein Hieb.

Röttgen verbindet mit Merkel eine besondere Geschichte. Einen ersten Höhepunkt erreichte seine Karriere im Januar 2005, als er zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion gewählt wurde. Röttgen managte fortan die Auftritte im Parlament, wurde zur rechten Hand der damaligen Oppositionsführerin Merkel und zählte zu einer Gruppe jüngerer Abgeordneter, die als „Merkel-Garde“ bezeichnet wurde.

2009 machte Merkel ihn zum Minister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Als solcher arbeitete er weniger progressiv, als es seine aktuellen Äußerungen zur Ökologie vermuten lassen. Röttgen setzte zum Beispiel die schwarz-gelbe Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke durch, obwohl er für kürzere Fristen warb als andere in seiner Partei.

Röttgen hat sich neu erfunden

Der Wendepunkt seiner Karriere war Nordrhein-Westfalen. Röttgen setzte sich 2010 in einer Mitgliederbefragung im Kampf um den Landesvorsitz durch – ausgerechnet gegen den heutigen Ministerpräsidenten Laschet. Die Landtagswahl 2012, bei der Röttgen als Spitzenkandidat gegen die Sozialdemokratin Hannelore Kraft antrat, endete mit einem Debakel. Röttgen ließ im Wahlkampf alle im Unklaren, ob er im Zweifel als Oppositionsführer nach NRW gehen oder Umweltminister bleiben wolle. Das Ergebnis: Die CDU stürzte auf ein historisches Tief von 26,3 Prozent ab.

Danach versuchte Röttgen tatsächlich, in Berlin weiterzumachen wie bisher. Merkel stellte ihm kurzerhand den Stuhl vor die Tür. Seither hat sich Röttgen jedoch neu erfunden. Er konzentrierte sich auf Außenpolitik, übernahm 2014 den Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses und wurde ein gern gesehener Gast in Talkshows. Und das Desaster in NRW? Röttgen sieht es als Qualifikation. Eine Niederlage erlebt, aber wieder aufgestanden zu sein, das sei beides wichtig „für die Übernahme großer Verantwortung“.

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5 Kommentare

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  • Röttgen hat sich bei der Solarförderung nicht gerade mit Ruhm bekleckert: Erst deutlich zu viel Geld ausgegeben, und dann die Förderung zu schnell und zu stark reduziert. Gemeinsam mit Altmaier ging die Foerderung um mehr als 90% in den Keller, bezogen auf die jaehrlich neu installierten Anlagen. Andere Laender waren klueger und erhoehten den Zubau, als die Kosten fielen.



    Ein Magazin (Photon?) titelte mal "Solarfeind 1" mit seinem Photo.

  • Die CDU ist meilenweit entfernt von innerparteilicher Demokratie, durch die Hintertür versucht ein Herr Merz sich auf das Podium zu setzen und sich als Heilsbringer und Erlöser darzustellen, nach der Wahl wären dann alle "Versprechen" vergessen, alle Herren kommen aus NRW. Wo bleiben die CDU-Kandidatinnen für Vorsitz und Kanzlerinnen-Kandidatur ? Das Thüringen-Debakel wird auf das Wahlergebnis der Bundes-CDU negativ durchschlagen, wenn der Thüringer Landesverband weiter alle Lösungsvorschläge sabotiert (und dabei das Bundesland Thüringen weiter ruiniert). Dabei ist alles andere als klar, das die Union wieder eine Kanzlerin oder einen Kanzler stellt.



    Vielleicht sollte Herr Böhmermann wieder mal kandidieren, ach ja, ein Mann, aber das kann "mann" ja ändern.

  • Norbert Röttgen kommt aus Nordrhein-Westfalen, ist männlich und noch keine 60 Jahre als und damit als Kandidat jetzt schon chancenlos (,-))

  • Ich als Bayer bin natürlich dafür, dass Markus Söder Kanzler von Deutschland wird.

    Ich finde wirklich, unser fantastischer Markus Söder (CSU) aus Bayern sollte Kanzler von Deutschland werden. Wenn Deutschland so ähnliche Erfolge wie Bayern feiern will, dann sollten die Nichtbayern Markus Söder ihr Vertrauen schenken und heute noch, ihren CDU – Bundestagsabgeordneten kontaktieren und fordern, dass Markus Söder Kanzler von Deutschland werden soll.

    Wie allgemein bekannt, finanziert Bayern heute schon durch den Länderfinanzausgleich nahezu alle anderen Bundesländer mit. Wenn Markus Söder Kanzler werden würde, ginge es auch mit allen anderen Bundesländern steil „Bergauf“.

    Bayern ist heute sinngemäß die Vorstufe zum Paradies. Mit einem Bundeskanzler Markus Söder könnten alle anderen Bundesländer in ähnliche fantastische Zustände kommen.

    Markus Söder sollte Kanzler werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass Deutschland ordentlich regiert wird.

    • @Nico Frank:

      Ernst - oder (Real) Satire?



      Bitte kennzeichnen!