piwik no script img

Nominierungsrede von Joe Biden„Ich werde Amerika beschützen“

Zum Ende des Parteitags der US-Demokraten hält Präsidentschaftskandidat Biden seine bislang stärkste Rede. Parteilinke kamen kaum zu Wort.

Coronavirus eindämmen, Klimawandel bekämpfen, Sozialsystem verbessern: Biden gab sich kämpferisch Foto: Carolyn Kaster/AP/dpa

New York taz | 33 Jahre nach seinem ersten Anlauf auf das Weiße Haus hat Joe Biden die Nominierung zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten geschafft: Am Donnerstag hielt er seine bislang präsidentiellste Rede.

Zum Abschluss des viertägigen virtuellen Parteitags wechselte der 77-Jährige in einer langen Rede zwischen Privatem und Politischem, sprach über Familientragödien, Trauer und den Sinn des Lebens. Und attackierte den gegenwärtigen Präsidenten frontal: von dessen Versagen bei der Bekämpfung der Pandemie über das Fehlen von Antworten auf die Massenarbeitslosigkeit und die Abkehr von jeder Klimapolitik bis hin zu seinem Mangel an Einfühlungsvermögen. Außenpolitik kam fast ausschließlich in Form von Muskelspielen gegenüber Moskau vor.

Biden sagte seinen Landsleuten, dass er sie „schützen“ werde. An seinem ersten Tag im Weißen Haus will er etwas vorstellen, das Donald Trump in dem halben Jahr seit dem Beginn der Pandemie nicht hinbekommen habe: einen Plan für den Umgang mit der Pandemie. Unter anderem will er eine allgemeine Maskenpflicht einführen. Trump habe immer noch nicht verstanden, dass sich die Wirtschaft ohne die Eindämmung des Virus nicht erholen könne, kritisierte er.

Außerdem versprach Biden Millionen neuer Jobs – unter anderem bei der Entwicklung neuer Technologien gegen den Klimawandel. Im Gegensatz zu Trump sprach Biden das Thema Klimawandel nicht nur an, sondern nannte es „zugleich eine Krise und eine Chance“, in der die USA „die Welt führen“ könnten. Zur Finanzierung seiner Vorhaben kündigte Biden eine Steuerreformen an, die Trumps massive Steuergeschenke an Spitzenverdiener rückgängig machen würde.

Ein Parteitag wie nie zuvor

Darüber hinaus sagte Biden zu, das er das Sozialversicherungssystem, an dessen Aushöhlung Trump arbeitet, verteidigen und mehr Menschen Zugang zu Krankenversicherungen verschaffen werde. Biden erwähnte auch George Floyd und andere AfroamerikanerInnen und sagte, dass er glaube, sein Land sei reif für die Überwindung des „systemischen Rassismus“.

Bevor Biden mit der Rede an seinem Wohnort Wilmington in Delaware den virtuellen Parteitag beendete, hat die Demokratische Partei vier Abende lang eine perfekt inszenierte Schau vorgelegt. Dabei kamen mehr als 300 RednerInnen vor. Weil die meisten von ihnen aus Wohnzimmern und Büros sprachen und weil es weder Zwischenrufe noch Live-Applaus gab, kamen sehr viel mehr Leute auf eine sehr viel stärker von der Partei kontrollierte Weise zu Wort als bei früheren Parteitagen. Die meisten Beiträge waren vorproduziert und mussten vorab eingereicht werden.

Unter den RednerInnen waren ehemalige Präsidenten (Jimmy Carter, Bill Clinton und Barack Obama), die meisten der zwei Dutzend DemokratInnen, die im vergangenen Jahr mit Biden im Rennen waren, sowie jede Menge RepublikanerInnen – ehemalige GouverneurInnen, ehemalige MitarbeiterInnen von Trump und reumütige WählerInnen des gegenwärtigen Präsidenten.

Alle forderten zu einer Wahl von Biden auf. Obama sprach von dem andernfalls drohenden Ende der US-Demokratie. Die 2016 gescheiterte Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton warnte davor, dass eine Präsidentschaftskandidatur selbst mit drei Millionen mehr Stimmen scheitern könne – wie ihr Beispiel gezeigt habe. Die Botschaft aller Redner lautete: Geht wählen. Und wählt Biden.

Sanders appelliert an widerstrebende AnhängerInnen

Bidens Kandidatin für die Vizepräsidentschaft hatte schon am Mittwochabend gesprochen. Kamala Harris, die eine scharfe politische Rednerin ist, konzentrierte sich auf dem Parteitag auf ihre persönliche Geschichte. Sie sprach über ihre aus Jamaika und Indien eingewanderten Eltern – und beschrieb sich selbst wie eine Re-Inkarnation der alten US-amerikanischen Erfolgsgeschichte.

Die Parteilinken, die eine zentrale Rolle bei den Protesten gegen Trump und im demokratischen Vorwahlkampf gespielt haben, gingen bei dem perfekt inszenierten Parteitag weitgehend unter. Bloß Bernie Sanders, der stärkste Widersacher von Biden, kam mehrfach zu Wort.

Sanders appellierte an seine widerstrebenden AnhängerInnen, im November Biden zu wählen: „Wir haben keine Wahl.“ Er sagte ihnen aber auch, dass anschließend eine massive Mobilisierung notwendig sei, um Biden, der dem rechten Flügel der Partei angehört, zu der richtigen Politik zu bringen.

Es ging darum, Einheit und Diversität zu demonstrieren. Zu zeigen, dass die DemokratInnen das echte Land spiegeln

Der aufsteigende junge Star der Parteilinken, Alexandria Ocasio-Cortez, bekam von den OrganisatorInnen nur 60 Sekunden Redezeit. Andere Parteilinke, darunter Senator Sherrod Brown aus Ohio, wo Trump 2016 viele Stimmen von ArbeiterInnen bekommen hatte, und New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio, der ebenfalls im Vorwahlkampf angetreten war, kamen überhaupt nicht zu Wort.

Statt ihrer durften zahlreiche VertreterInnen aus der Zivilgesellschaft in kurzen Videos auftreten. Unter ihnen waren mehr Leute mit dunklen Hautfarben als je zuvor bei einem Parteitag in den USA und zugleich mehr Frauen. Es ging darum, Einheit und Diversität zu demonstrieren. Zu zeigen, dass die DemokratInnen das echte Land spiegeln. Nicht das rückwärtsgewandte Milieu von wütenden, weißen Männern, die rote „Make Amerika Great Again“-Mützchen tragen und Trump zujubeln.

Wenige Stunden vor Bidens Rede versuchte Trump ein weiteres Ablenkungsmanöver. Er machte eine Wahlkampfvisite in Bidens Geburtsort Scranton in Pennsylvania. Der Bundesstaat ist einer jener, die Trump 2016 zum Wahlsieg verholfen hatten und die Biden im November gewinnen müsste, um zu siegen.

Am Montag beginnt Trumps eigener Parteitag. Dass Trump dabei eine ähnlich breit gefächerte Unterstützung bekommt wie Biden, ist ausgeschlossen. Auch für den – ebenfalls mehrheitlich virtuellen – Ablauf haben die DemokratInnen einen hohen Maßstab gesetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Massive Steuergeschenke rückgängig zu machen, so eine Ankündigung erfordert Mut. Ich habe mir die ganze Rede von Joe Biden angesehen und finde sie sehr gut, anständig überzeugend. Noch etwas - sie hat mich inhaltlich ganz erheblich mehr überzeugt als seine - möglicherweise - künftige Vizepräsidentin, bei all ihrem Charme..

    Bei dem derzeitigen Präsidenten können einen schon etliche visionäre Anwandlungen befallen, nicht wahr. Schade, dass bei einem weltweit so folgenschweren Wahlvorgang die Verantwortung allein von den Wählern der USA in einem derart von Fake News und sonstigen Verdächtigungen und Verunsicherungen überhäuften gespaltenen Land getragen werden muss.

  • "Es ging darum, Einheit und Diversität zu demonstrieren. Zu zeigen, dass die DemokratInnen das echte Land spiegeln. Nicht das rückwärtsgewandte Milieu von wütenden, weißen Männern, die rote „Make Amerika Great Again“-Mützchen tragen und Trump zujubeln."

    Glaubt eigentlich irgendwer noch immer diesen Unsinn?

    Führe als Beispiel Rose McGowen, Schauspielerin, erklärte Trumpgegnerin und kein weißer, wütender Mann; jedenfalls soweit man in diesen Zeiten hier irgendwie sicher sein kann........

    Sie twitterte: "What have the Democrats done to solve ANYTHING? Help the poor? No. Help black & brown people? No. Stop police brutality? No. Help single mothers? No. Help children? No. You have achieved nothing. NOTHING. Why did people vote Trump? Because of you motherfuckers."

    Nun, sie hat nicht unrecht und weise darauf hin, daß Biden über 40 Jahre in der Politik ist und 8 Jahre VP war.

    Und außerdem, man kann ja behaupten was immer man will aber von Trump enttäuschte Wähler gibt es so gut wie nicht. Leute wie Kasich und Powell, die beim DNC sprachen waren noch nie Trumpunterstützer. Allerdings gibt es viele Demokraten denen Biden als Präsident schlicht nicht zu vermitteln ist.

    • @Tobias Schmidt:

      Vielleicht erinnern wir uns daran, dass es immer wieder der mehrheitlich republikanisch besetzte Senat war, der Entscheidungen blockierte und unmöglich machte, wo es ging. Mir ist unverständlich, dass diese Tatsache - nicht einmal hier bei uns - einfach nicht ausreichend gewürdigt wird.

      Dabei sehe ich auch die letzte US-Regierung kritisch. Dennoch, kein Vergleich mit den heutigen Zuständen!

      • @noevil:

        Obama wurde vom Senat oft genau so blockiert wie Trump heute vom "house". Dies ist in der US Politik auch völlig normal wenn die Oppositionspatei zum Präsidenten in einen oder beiden Kammern die Mehrheit hält. Und dieser Zustand ist auch der Normalfall.

        Die von Frau McGowen angesprochenen Probleme haben aber nicht so sehr mit der Bundespolitik als vielmehr mit der Lokalpolitik zu tun. Und diese Probleme sind halt in den von den Demokraten regierten Großstädten mit Abstand am schlimmsten.

        Kimberly Klacik, republikanische Kandidatin aus Baltimore hat es in ihrer Wahlwerbung treffend auf den Punkt gebracht: www.youtube.com/watch?v=BnT0PU2UgRg

        • @Tobias Schmidt:

          Soll ich nun daraus schließen, dass sie ein 'weiter so' unter Trump befürworten würden, weil unter der Obama-Regierung so etliches suboptimal lief? Nochmal - ich bin kein kritikloser Obama/Biden-Fan. Ich schau mir nur beide Optionen an und versuche, das kleinere Übel herauszuarbeiten. Ehrlich gesagt fällt mir da die Entscheidung alles andere als schwer....

  • Ach ja die alte Kamarilla der Demokraten von den Clintons bis Obama hat das Steuer in der Partei wieder fest im Griff. Inhalte? Fehlanzeige! Und alles schwärmt bei uns von Obamas achj so rrradialer Rede - der Präsident, der während seiner Amtszeit heftig journalistische Freiheiten beschneiden ließ. Fazit: Biden und seine Vizin ändern politisch kaum etwas an der von Trumps Unterstützern vorgegebenen politischen Richtung der USA, nur eventuell etwas am Stil des Vortrags. Die Reichen freut's, mit dem weichgespülten Biden können sie den Parvenü Trump loswerden und alles bleibt so, wie es ist. Eine substantielle Änderung der US-Politik ist nicht zu erwarten.....

    • @Philippe Ressing:

      Ich vermute ja, es ist nicht so gemeint.

      Aber Sie klingen genau so wie die Bots, die seinerzeit Trump an die Macht gebracht haben: "was, Sie wollen Democrats wählen? Bleiben Sie zuhause. Pizzagate und so..."

      Sollten Sie so eins sein: lassen Sie es. Ihr Oberchef [1] ist gerade in Schwierigkeiten ;-D

      [1] taz.de/Ex-Trump-Be...e-Bannon/!5708867/

      • @tomás zerolo:

        Ziemliche Unverschämtheit von Ihnen. Ich verstekce mich nicht hinter einem Pseudonym! Die Kritik an der Politik Obamas und der Clintons gibt es von Linken auch in den USA schin seit Jahren. Immer diese Heiligenverehrung vor allem in Deutschland - von Kennedy, der für die Schweinebucht-Aggression und den Vietnam Krieg sehr verantwortlich war, bis zum Prediger Obama, dessen Politik alles andere als progressiv war. Also: Hirn einschalten, bevor man jemanden als Trump-Bot diffamiert!

        • @Philippe Ressing:

          Ich weiss nicht, was Sie unverschämt finden. Ich habe ja nicht behauptet, Sie seien ein Bot -- lediglich, dass Sie so klingen.

          Genau die Wendung "die Demokraten sind durch und durch korrupt, geht nicht wählen" ist das, was Cambridge Analytica an potenzielle Demokratenwähler*innen gezielt geschickt hat. Dass Sie also so klingen wie jene Bots, die Trump an die Macht gebracht haben ist wohl eine nüchterne Feststellung, die ich belegen kann.

          The right thing to do ist jetzt Biden wählen, und das politische Engagement nicht auf das Wählen zu beschränken.

        • @Philippe Ressing:

          Ich glaube, Sie sollten nicht diffamiert werden. Es handelte sich nur um eine Vermutung. Was die Zukunft betrifft, bin ich der Ansicht, dass weitere vier Trumpjahre nicht nur weltweit sondern auch klimabedingt eine zeitlich kaum aufholbare Situation bedeuten würden. Schauen Sie sich einfach die derzeitige Situation nur in Kalifornien an - eine einzige Katastrophe, die nationalen Zusammenhalt erfordern würde! Unter Trump wird nur gehetzt und Staaten gegeneinander ausgespielt!

        • @Philippe Ressing:

          Wie sieht bitte Ihre Alternative aus?