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No Choice im KrankenhausChristliche Klinik streicht Abtreibungen

Im Kreis Schaumburg können ungewollt schwanger gewordene Frauen nicht mehr abtreiben. Der Betreiber des Kreisklinikums lehnt das ab.

In Schaumburg haben sie gewonnen: Abtreibungsgegner. Foto: Florian Schuh/DPA

Göttingen taz | Wenn kein medizinischer Notfall vorliegt, können Frauen im niedersächsischen Landkreis Schaumburg bald nicht mehr abtreiben. Dort wird gerade ein Klinikum gebaut, das die bisherigen drei kleineren Krankenhäuser im Landkreis ersetzen soll. Betreiber des neuen Klinikums ist der Agaplesion-Konzern, der sich als gemeinnützige Aktiengesellschaft auf sein christliches Leitbild beruft und deshalb bei sozialer Indikation keine Abtreibungen durchführen will. In Einzelfällen erkennt die Klinik auch eine seelische Gefährdung als Grund an. Die übrigen Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind und deshalb abtreiben möchten, sollen sich jedoch ein anderes Krankenhaus suchen.

In zwei der drei Krankenhäuser in Schaumburg waren Abtreibungen bisher möglich, da der Landkreis der Betreiber war, beziehungsweise momentan noch ist. Im dritten Krankenhaus war dies nicht möglich, da es ebenfalls ein christliches Krankenhaus ist. Betreiber auch hier: der Agaplesion-Konzern. Zudem gibt es im Landkreis keine Arztpraxen, die eine ambulante Abtreibung anbieten. Den Bau des Klinikums, der im kommenden März abgeschlossen sein soll, hatte der Landkreis mit 95 Millionen Euro mitfinanziert.

„Ich bin so dermaßen empört über diese frauendiskriminierende Entscheidung“, sagt Ursula Helmhold. Die Schaumburgerin saß für die Grünen zehn Jahre im niedersächsischen Landtag und hat eine Petition gegen den Klinikumbetreiber gestartet. „Die evangelische Kirche maßt sich hier an, über individuelle ethische Grundsätze hinweg entscheiden zu können“, sagt Helmhold. Die Nachricht über die künftig nicht mehr möglichen Abtreibungen kam für die BewohnerInnen des Landkreises völlig überraschend.

Kritik sogar von den Christdemokraten

Bevor die Schaumburger Zeitung vorige Woche darüber berichtete, wussten auch die Parteien im Kreistag nichts von der Entscheidung. Sie erfuhren also erst sieben Jahre nach Beschluss der Zusammenlegung der Krankenhäuser und knapp zwei Jahre nach Baubeginn davon. Sogar die örtliche CDU kritisiert die Absicht, keine Abtreibungen durchzuführen. Warum dies allerdings bei den damaligen Beschlüssen des Kreistags und in den Verhandlungen mit Agaplesion kein Thema war, weiß heute niemand mehr so richtig.

Das ist erlaubt

Ohne medizinische Indikation ist in der Bundesrepublik ein Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig. Wenn keine schweren körperlichen oder psychischen Schäden durch die Schwangerschaft wahrscheinlich erscheinen, dürfen Frauen laut Gesetzeslage nicht abtreiben lassen.

Auf eine Strafverfolgung verzichtet der Staat jedoch in diesem Fall, wenn die sogenannte „Fristenregelung“ – ein Beratungsgespräch und darauffolgende 72 Stunden Bedenkzeit – eingehalten wird.

Im Landkreis Schaumburg haben bisher jährlich rund 100 Frauen im Jahr ihre Schwangerschaft abgebrochen. Bundesweit waren es 2015 knapp 100.000 Abtreibungen.

Agaplesion verweist in einer Mitteilung darauf, dass sich schwangere Frauen im Klinikum an die Ärzte wenden könnten. Sollten diese dann eine medizinische Gefährdung der Mutter durch die Schwangerschaft feststellen, sei eine Abtreibung möglich. Eine Ethikkommission solle künftig darüber entscheiden. Keinesfalls, so Agaplesion, würden Frauen, die eine Abtreibung durchführen lassen möchten, einfach weggeschickt „ohne wenigstens kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zu nennen“.

Für Helmhold ist das eine „Unverschämtheit“. Denn diese Beratungsangebote würden zwangsläufig dazu führen, dass versucht werde, den betroffenen Frauen von einem Schwangerschaftsabbruch abzuraten.

Kein Recht auf Abtreibung in Deutschland

Die Klinikbetreiber dürfen nach eigenem Ermessen darüber entscheiden, ob sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen oder nicht. Grundsätzlich gibt es in Deutschland kein Recht auf Abtreibung (siehe Kasten). Wie sich an den zwei vom Landkreis bisher betriebenen Krankenhäusern zeigt, wären aber Abtreibungen aufgrund sozialer Indikation künftig weiterhin in Schaumburg möglich, hätte man sich nicht für einen privaten christlichen Betreiber des neuen Klinikums entschieden.

Nun werde nach Möglichkeiten gesucht, wie sich Frauen im Landkreis doch noch gegen eine ungewollte Schwangerschaft entscheiden könnten, sagt Kreissprecher Klaus Heimann: „Da befinden wir uns nun in intensiven Gesprächen“.

Den Ärzten, die bisher aufgrund ihrer Überzeugungen freiwillig in Schaumburg Abtreibungen durchgeführt haben – denn Pflicht sind solche Eingriffe nicht –, wird dies von ihrem neuen Arbeitgeber künftig untersagt. „Das alles ist eine Geschichte, die man sonst nur aus dem katholischen Bayern kennt“, sagt Helmhold.

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17 Kommentare

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  • Ich kann die Petition nicht finden. Kann jemand helfen?

  • Das Kind zur Welt bringen und gleich mit der Nabelschnur erdrosseln ist natürlich die christlichere Methode...

  • "Im Kreis Schaumburg können ungewollt schwanger gewordene Frauen nicht mehr abtreiben."

     

    Ist doch kein Problem. Einfach sagen, dass die Schwangerschaft gewollt war und schon klappt's auch mit der Abtreibung.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Fundamentalisten, Fanatiker = Evangelikale. Und Deutschland lässt sich so was gefallen?

  • Ich finde diesen Artikel richtig schlecht: die Taz beweist mal wieder, dass sie keine Ahnung von Kirche hat. "Die Evangelische Kirche" betreibt dieses Krankenhaus: das liegt nahe, dass die evangelischen Landeskirchen irgendetwas mit dieser Klinik zu tun haben. In eurer Druckausgabe ist zu lesen, dass diese Einrichtung von Baptisten betrieben wird. Das ist in Deutschland eine ganz kleine Minderheit. Von den evangelischen Landeskirchen gibt es keine Pauschale Ablehnung der Abtreibung. Journalistisch ist das richtig schlecht und undifferenziert. Aber auf Facebook wird unter dem Artikel mal wieder völlig pauschal auf Kirche eingedroschen. Das sind die Tage, an denen ich mich als Pastor doch sehr Frage, warum ich seit 30 Jahren die Taz abonniere.

    Über die Tatsache, dass die Versorgung von Frauen in dieser Region nicht mehr gewährleistet ist, muss berichtete werden. Denn das geht gar nicht. Aber lernt doch bitte endlich auch bei Kirchen-Themen genau und differenziert zu berichten!

  • ...womit mal wieder bewiesen wäre, dass Religion jenseits der Kirche und den eigenen 4 Wänden nichts verloren hat - egal welche!

    Sowas wie "christliche Krankenhäuser " dürfte es gar nicht geben!

  • Keine Stellungnahme von Bedford-Strohm ?

  • So wie man von einem Veganen Restaurant nicht erwarten kann, Fleischgerichte anzubieten, kann man ein Evangelisches Krankenhaus nicht dazu zwingen, Abtreibungen durchzuführen. Das Problem liegt nun also vor allem darin, dass man eine Kreisklinik, also eine Einrichtung der öffentlichen gesundheitlichen Grundversorgung, einer kirchlichen Gemeinschaft übertragen hat, ohne sich vorab über deren religiöse Grundsätze aufklären zu lassen.

    • @Nikolai Nikitin:

      Der Vergleich hinkt gewaltig! Niemand ist auf Restaurant angewiesen. Es werden auch keine Restaurants vom Landkreis finanziert.

      Wer vegan oder religiös sein will, der soll das gerne tun, aber sobald diese Weltanschauungen öffentliche Stellen übernehmen, auf die die Bevölkerung angewiesen ist, geht das entschieden zu weit!

      • @A G:

        Genau das habe ich gemeint. Sie hatten offensichtlich meine Problembeschreibung ab Zeile 3 nicht gelesen.

    • @Nikolai Nikitin:

      Das Problem kennen wir ja auch von der Alten-/Krankenpflege. Fast alles in kirchlicher Hand und trotz öffentlicher Finanzieren müssen Mitarbeiter und Kunden/Patienten sich irgendwelchen kirchlichen Regeln beugen.

      Wenn sich da nichts ändert, werde ich vermutlich im hohen Alter auswandern.

      • @JoWall:

        So schlimm wird es schon nicht kommen. Es gibt ja auch noch Organisationen wie die AWO oder privat betriebene Einrichtungen mit 'neutraler' Weltanschauung. Gründen Sie doch eine Senioren-WG und/oder lassen Sie sich von Ihrer Nachbarin pflegen.

    • @Nikolai Nikitin:

      Na, in diesem Fall muss ich Ihnen doch widersprechen, aus gleich mehreren Gründen:

       

      1. Marktliberalismus - Das Krankenhaus hat eine de-facto-Monopolposition in diesem Landkreis, staatlich sanktioniert. Monopole aber unterliegen grösseren Einschränkungen als freie Wirtschaftsbetriebe (siehe z.B. die Regulierung der Stromnetze in Deutschland).

       

      2. Moral kommt nur Menschen zu, nicht Firmen. Moralische Entscheidungen sind Entscheidungen von Menschen, Firmen stehen sie nicht zu.

      • 2G
        2730 (Profil gelöscht)
        @TurboPorter:

        Diese Aussage ist Unfug! Solange in Deutschland Kontrahierungszwang nur in Ausnahmefällen besteht, wird jedes Unternehmen -die einen mehr, die anderen weniger- sein Leitbild, vulgo: seine unternehmensspezifische Ethik transportieren.

        Darüber hinaus sollten sich Linke mal fragen, warum sie diesen Teil des Marktes den Kirchen überlassen. Ich kenne kein Rosa-Luxemburg-Krankenhaus.

         

        ... das soll übrigens nicht bedeuten, dass ich die berichtete Einstellung des Kreiskrankenhauses gut heiße.

  • ein appell an die sicherheitsbehörde: Bitte, schnell eine razzia beim agaplesion!