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Nitrat im GrundwasserEuGH verurteilt Deutschland

Deutschland hat zu wenig gegen Nitrate im Grundwasser getan. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Ob darauf eine Strafe folgt, ist allerdings noch unklar.

Über die Gülle kommt das Nitrat ins Grundwasser Foto: dpa

Luxemburg dpa | Der Europäische Gerichtshof hat Deutschland wegen Verletzung von EU-Recht verurteilt, weil die Regierung über Jahre zu wenig gegen Nitrate im Grundwasser unternommen hat. Das Urteil fiel am Donnerstag in Luxemburg. Nitrate stammen meist aus Düngern der Landwirtschaft. Ein Übermaß schadet der Umwelt und birgt Gesundheitsrisiken für Menschen.

Welche Konsequenzen das Urteil hat, blieb zunächst offen. Die Bundesregierung hat die Regeln für das Düngen inzwischen nachgeschärft. Ob dies ausreicht, um die Gewässer sauberer zu halten, ist aber noch unklar.

Die EU-Kommission hatte 2016 geklagt, weil Deutschland aus ihrer Sicht über Jahre hinweg nicht strikt genug gegen die Verunreinigung vorgegangen war und damit gegen EU-Recht verstoßen hat. Schon 2014 hatte die Kommission die Bundesregierung abgemahnt.

Die obersten EU-Richter stellten fest, dass die Rügen der EU-Kommission berechtigt seien. Die Bundesrepublik habe gegen die maßgebliche EU-Richtlinie verstoßen. Auch als klar geworden sei, dass ihr Aktionsprogramm nicht ausreiche, habe die Bundesregierung nicht genügend zusätzliche Maßnahmen getroffen. Deutschland wurden zunächst die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die Kommission könnte in einem nächsten Schritt Strafzahlungen erstreiten, falls sich die Lage nicht bessert.

Aufwändige Wasseraufbereitung

Nitrat ist wichtig für das Pflanzenwachstum. Doch wenn zu viel gedüngt wird, sammeln sich Rückstände im Grundwasser sowie in Bächen, Flüssen und im Meer an. Aus Nitrat entsteht durch chemische Prozesse Nitrit, das für Menschen schädlich sein kann. Bei der Trinkwasseraufbereitung muss Nitrat teils umständlich aus dem Grundwasser herausgefiltert werden, um die Grenzwerte einzuhalten. Auch die Bundesregierung räumt noch in einem Bericht von 2016 ein, dass an 28 Prozent der Grundwasser-Messstellen die EU-Grenzwerte überschritten werden.

Nach langem Hin und Her verschärfte die Bundesregierung 2017 die Düngeregeln für Bauern. Dazu zählen Stickstoff-Obergrenzen, längere Zeiten mit Düngeverboten und größere Abstände zu Gewässern.

Das Argument der Bundesregierung, dass sich die Lage mit den neuen Düngeregeln verändert habe, ließ der EuGH aber nicht gelten. Nach ständiger Rechtsprechung sei die Lage zum Zeitpunkt der Klage zu beurteilen. Grundlage des Spruchs ist demnach die Düngeverordnung in der Fassung von 2012. Deshalb sind die Folgen des Urteils auch zunächst schwer zu beurteilen.

Bauern verteidigen sich

Der Deutsche Bauernverband verteidigte die Praxis der Landwirte schon vor dem Urteil. „Wir düngen bedarfsgerecht“, sagte Generalsekretär Bernhard Krüsken im ZDF-„Morgenmagazin“. Mit Blick auf die bereits nachgeschärften Regeln fügte er hinzu, das Urteil beziehe sich auf ein längst abgeschlossenes Kapitel. Die neue Düngeverordnung setze die Betriebe bereits „massiv unter Druck“.

Die kommunalen Wasserwerke in Deutschland erhofften sich hingegen von dem Urteil eigentlich klare Ansagen, ob die neuen deutschen Düngeregeln ausreichen. Sei dies nicht der Fall, müsse Berlin nachlegen, sagte der Vizepräsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), Karsten Specht, der Deutschen Presse-Agentur. „Nur so können wir unsere Trinkwasserressourcen schützen“, sagte Specht.

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6 Kommentare

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  • Gülle und Art. 152

    da waren wir vor 30 Jahren schon mal auf dem richtigen Weg.

    Dann haben die Kohls und andere Geld-Macher ihre eigenen Gesetze und Richtlinien vergessen.

    Die EU-Grundwasserrichtlinie hatte starke Befürworter aus Deutschland (damals gab es noch ein Bundesgesundheitsamt, welches dem Seehofer mehr gestunken hat als uns heute die Gülle), aus den Niederlanden, Dänemark. Das hatte einige Jahre lang guten Erfolg: die Grundwasserbelastungen gingen zurück. Seit ca. 10-15 Jahren steigen sie vielerorts wieder deutlich an.

    Die EU-Landwirtschaftspolitik war und ist als Instrument zum Abgreifen perverser Subventionen gegen alle sonstigen Gesetze entwickelt und durchgesetzt worden: EU-Politik ist immer noch perverse Agrarpolitik!

    Dann „geschah“, dass in Zusammenarbeit mit den mittel- und osteuropäischen Kandidaten zum EU-Beitritt und mit Unterstützung der WHO („Health and Enlargement“, white-Paper aus meiner WHO-Abteilung) mit dem Artikel 152 Amsterdam Treaty im Jahre 1999 sich ALLE EU-Mitgliedsstaaten verpflichteten:

    The new Article 152 shows that certain important changes have been made. The sphere of Community competence has been expanded to include not only 'prevention of disease'

    • but also 'improving public health,

    • preventing human illness, and diseases,

    • and obviating sources of danger to human health.'

    In addition, the new Article 152 explicitly states that

    Health concerns need to be taken care of in the definition and implementation of all Community policies and activities.

    Damit ist Landwirtschaftspolitik und ihre nationale bzw. regionale Umsetzung verpflichtet, den Zielen des präventiven Gesundheitsschutzes, „Public Health“ zu dienen. Wenn nun zwei Staaten zulassen, dass mit grenzüberschreitendem Massenexport von Gülle (aus den Niederlanden) die Trinkwasserversorgung aus dem Grundwasser in (Nord-) Deutschland gefährdet ist (nicht erst „könnte“, sondern bereits substanziell gefährdet ist!), gehören beide vor den Europäischen Gerichtshof.

    • @Günter Klein:

      Seit ca. 10-15 Jahren steigen die Werte wieder an.

      2004 einführung des NAWARO Bonus (auch Mais Bonus gennant) für Biogasalagen durch die Rot-Grüne Regirung. 2018 erste Dünngeverordnung auch für Biogasanlagen, die durften bis dahin, anders als Koventionelle Landwirte, ihre Substrate ohne Beschränkung ausbringen.

      Die Nitrat Werte, welche vom Bundesumweltamt nach Brüssel gemeldet werden, lassen sich aber auch nicht mit anderen Ländern vergleichen, weil in D nur an Stellen gemessen wird, wo man hohe Ergebnisse erwartet.

      Deutschland ca.180 Messtellen, Österreich über 4000, Frankreich über 5000. Deutschland hat nur 5% der von der EU vorgeschriebenen Messtellen.

      Aber in anderen Europäischen Ländern ist der Hass auf ihre Landwirtschaft auch nicht so ausgeprägt wie in Deutschland.

  • Die neuen deutschen Dünge-Regeln werden laut einer Studie der Uni Kiel übrigens "keine nennenswerte Reduzierung der Stickstoff-Überdüngung und damit von Nitrat-Einträgen ins Grundwasser erzielen".

    "Die Kieler Uni stellt der Neuregelung ein schlechtes Zeugnis aus", heißt es dazu im Handelsblatt. "Wissenschaftliche Empfehlungen seien weitgehend missachtet worden. (...) In vielen Fällen sei sogar mehr Dünger als vorher erlaubt. In "gefährdeten Gebieten" sei die Obergrenze für organischen Dünger zu hoch. Verstöße könnten kaum kontrolliert und sanktioniert werden. Richtschnur seien offensichtlich "bestimmte Interessen des landwirtschaftlichen Berufsstandes" gewesen."

    https://www.handelsblatt.com/wirtschaft-handel-und-finanzen-studie-neue-deutsche-duenge-regeln-zeigen-kaum-wirkung/22705454.html?ticket=ST-4376690-ZOXTAVpkSJegfKfkV6os-ap2

     

    Frau Klöckner indes kündigt, so die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e. V. (ISN) begeistert, weitere Unternehmensreisen ihres Hauses zum Erkunden neuer Absatzmärkte an und stellt eine personelle Aufstockung des mit dem Export befassten Personals in Aussicht.

    Zudem betont die Ministerin, die Agrar- und Ernährungsindustrie sei nicht nur drittgrößter Exporteur erstklassiger Produkte, sondern setze auch Maßstäbe beim Umwelt- und Tierschutz ...

    https://www.schweine.net/news/exportfoerderung-kloeckner-personal-aufstocken.html

    • @Christina de Havilland :

      'Unternehmensreisen, die ihr Haus anbieten werde', muss es natürlich heißen.

  • Da wird auch nicht viel passieren.

    Vor der mächtigen Lobby der Agrarindustrie kuschen hier doch letztlich alle.

    Was aus dem Trinkwasser wird, aus der Gesundheit von irgendwem, aus der Natur - egal, unwichtig, darüber denken wir vielleicht später mal nach. Zu allererst gilt es, die Gewinne der Agrarindustrie zu sichern.

  • Tja, der selbsternannte „Musterschüler“ mal wieder ...

    Es gibt hier keine Pfütze, die nicht restlos überdüngt ist. Eigentlich könnte man prima Algen züchten – überall, in jedem Teich, in jedem Tümpel. Der Rest krepiert selbstredend, aber das kennen wir bereits so von unseren Bauern.