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Nigeria im Wahlkampf„Wenn ich Präsident wäre…“

Was ein 16-jähriger Schüler in einer von Boko Haram verwüsteten Stadt über die Zukunft Nigerias denkt. Und warum Streit über Religion doof ist.

Schüler Nwoah Amos Drambi in Mubi, mit Mitschülerin Fatima Sharfadeen Foto: Katrin Gänsler

Mubi/Yola taz | Nwoah Amos Drambi zuckt genervt mit den Schultern, als er auf Religion angesprochen wird. Seine Stadt Mubi wurde 2014 von der islamistischen Terrormiliz Boko Haram besetzt, die Hunderte Kirchen zerstörte und 2017 und 2018 zwei schwere Anschläge auf Moscheen verübte.

Wie viele andere Schüler der Mundra Model School hat der 16-jährige Nwoah die Anfänge von Boko Haram miterlebt. Heute ist er im Friedensclub der Schule aktiv und findet: Das Spalten der Gesellschaft, auch durch Boko Haram mit ihren gezielten Angriffen auf christliche Kirchen, muss endlich aufhören.

„Wir haben begriffen, dass sie genauso Muslime ermorden“, sagt der Schüler über die Islamisten.

Deshalb engagiert sich der 16-Jährige im Friedensclub seiner Schule – mit Friedenserziehung gehen zahlreiche nichtstaatliche Organisationen an Schulen. An seiner lebt das seit dem vergangenen Jahr wieder auf. Für Nwoah Amos Drambi ist der Grund einfach: „Unsere junge Generation möchte Frieden. Es ist die Grundlage für jegliche Entwicklung.“

Ganz leicht sei das nicht immer. „Ich habe viele Mitschüler, die ein hitziges Gemüt haben. Passt man nicht auf, kann es schnell zum Kampf kommen.“

„Politiker machen mich oft wütend“

Keine Kämpfe mehr – das wünscht sich jetzt der 16-Jährige, der noch nicht wählen darf. „Politiker machen mich oft so wütend“, sagt er. „Sie stehlen Geld, erledigen aber ihre Aufgaben nicht. Wenn ich der nächste Präsident wäre, würde ich mich für ein gutes und harmonisches Miteinander einsetzen und Behörden schaffen, die sich nur darum kümmern.“ Das gebe schon Nigerias grün-weiß-grüne Flagge vor. „Weiß steht für Frieden, und den brauchen wir hier.“

Wenn es nur so einfach wäre. Streit über Religion und ethnische Zugehörigkeit sind im nigerianischen Wahlkampf omnipräsent: Christ oder Muslim? Aus dem Norden, dem Südwesten oder Südosten?

Nigerias Vizepräsident Yemi Osinbajo ist selbst Pastor. Mit Chris Okotie geht ein TV-Prediger ins Rennen. Viele Parteien achten sorgfältig darauf, dass im Duo Präsidentschaftskandidat und Vize beide großen Religionen Nigerias sowie der Norden und der Süden vertreten sind. Auch gehört es zum guten Ton, traditionelle Herrscher, alle einflussreichen Kirchengemeinden und muslimische Verbände zu besuchen.

Der Bischof schimpft

„Dabei gehört Religion nicht in die Politik“, sagt Stephen Dami Mamza, katholischer Bischof in Yola, 200 Kilometer südlich von Mubi. „Doch es überrascht immer wieder, dass religiöse Empfindungen sehr stark werden, sobald jemand in ein Amt gewählt worden ist.“

Der Bischof spielt damit auf Präsident Muhammadu Buhari an. Dieser Muslim und Fulani wird in Gesprächen im Bundesstaat Adamawa zunehmend kritisiert, auch wegen seiner Vergabe von wichtigen Ämtern.

Mit Mohammed Adamu wurde Mitte Januar wieder jemand aus dem mehrheitlich muslimischen Norden Nigerias zum höchsten Polizeichef ernannt.

Diskussionen darüber, ob und wie geeignet jemand ist, finden schon lange nicht mehr statt. Herkunft und Religion ist in Nigeria alles.

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