Wahlen in Nigeria: Wer hat die Urne gefüllt?
Zahlreiche Pannen begleiten den Wahltag in Nigeria. In einem Wahllokal der Hauptstadt sind die Urnen bei Anlieferung schon halbvoll.
„Ich hatte gehofft, dass die Wahl um zehn Uhr beginnt, als endlich Wahlhelfer kamen“, seufzt er. Offiziell waren zu dieser Zeit die Wahllokale schon zwei Stunden geöffnet. Doch sie kamen – zum Entsetzen der Stimmberechtigten in Asokoro – mit bereits halbvollen Urnen.
Betrug oder Panne? „Uns haben sie erzählt, dass sie zu einem falschen Wahllokal gefahren sind und dort mit der Wahl begonnen haben“, sagt Habib Yusuf Kusada. Als sie nach zwei Stunden merkten, dass sie nicht in den Stadtteil Area 11, sondern Asokoro müssen, nahmen sie die Urnen kurzerhand mit, lautet die offizielle Variante. Bei den Verzögerungen lässt es sich aber nur schwer vorstellen, dass vor zehn Uhr schon so viele Menschen gewählt haben.
„Hier haben sich die Leute geweigert zu wählen. Niemand wollte seinen Stimmzettel hinein werfen. Wir wollten leere Urnen haben, wie sich das gehört“, sagt Habib Yusuf Kusada.
Der Protest half, und die Wahlkommission (Inec) brachte neue Wahlurnen. Gegen 15 Uhr transportiert ein knappes Dutzend Polizisten die alten nun ab und werden dabei von zahlreichen Wählern mit ihren Smartphones gefilmt. In den Pickup quetschen sich auch zwei Parteibeobachter.
Habib Yusuf Kusada seufzt. „Ich fühle mich dabei ziemlich schlecht. Schon beim letzten Mal hat Inec einen großen Fehler gemacht. Und jetzt das.“
Logistik funktioniert immer noch nicht
Ursprünglich waren Nigerias Präsidentschafts-, Senats- und Parlamentswahlen für den 16. Februar geplant gewesen. Sechs Stunden vor Öffnung der Wahllokale damals verschob der Vorsitzende der Kommission, Mahmood Yakubu, sie jedoch um eine Woche mit der Begründung, logistische Probleme zu haben. Wut und Enttäuschung waren überall in Nigeria deutlich zu spüren.
Von einer einwandfreien Logistik ist nun auch eine Woche später wenig zu spüren. Bei dem Besuch von 20 Wahllokalen hat keines pünktlich um 8 Uhr geöffnet. Stattdessen werden noch Tische zusammengebaut, Urnen verplombt, Material beschafft.
Die nichtstaatliche Organisation Yiaga Africa, die im Rahmen der Beobachtermission „Watching the Vote“ 3906 Beobachter in alle Landesteile entsandt hat, sagt am frühen Nachmittag: Um 7.30 Uhr waren erst in 31 Prozent der Wahllokale Inec-Mitarbeiter präsent. Vier Stunden später war jedes vierte Wahllokal noch immer nicht geöffnet.
Mysteriöse Anschläge
In Maiduguri, Hauptstadt der vom Terror der Islamisten von Boko Haram am schwersten getroffenen Provinz Borno, kam es darüber hinaus kurz vor 6 Uhr morgens zu mehreren Explosionen in Vororten. Es gab Berichte über Raketenbeschuss. Stunden später ließ die Armee jedoch über Twitter bekannt geben, dass es keinen Anschlag gegeben habe. Vielmehr hätten die Schüssen einen „Sicherheitszweck“ gehabt.
Die Skepsis der Wähler bleibt, auch in Nyanya, einem Vorort Abujas. Vor dem Wahllokal Federal Housing Authority Estate Area sitzen ein paar Männer im Schatten und beobachten den Ablauf genau. Einer sagt: „Wir konnten hier erst nach elf Uhr wählen.“ Er erzählt, dass er für die Regierung arbeitet und deshalb seinen Namen nicht nennen möchte.
Seiner Meinung nach hat die Verzögerung Taktik. „Sie lassen die Menschen so lange warten, bis sie frustriert nach Hause gehen anstatt zu wählen.“ 2019 würde das jedoch nicht mehr gelingen. „Wir wählen, bleiben und beobachten die Auszählung der Stimmen.“
Umso überraschender sind die vollen Wahllokale. Nach der Enttäuschung am vergangenen Wochenende war befürchtet worden, dass viele Menschen aus Frust nicht mehr wählen wollen.
„Mir ist die Begeisterung der Menschen aufgefallen. Sie haben ruhig gewartet. Das ist ein wirklicher Einsatz für Demokratie in diesem Land“, so Christopher Fomunyoh, Direktor für West- und Zentralafrika des National Democratic Institute (NDI) mit Sitz in Washington. In Asokoro ist auch Habib Yusuf Kusada geblieben. „Ich will wirklich wählen. Schließlich habe ich den patriotischen Geist in mir“, sagt er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“