Neuseeland, Panzerlieferung, Nutztiere: Tanz am Kraterrand
Mit Boris Pistorius tritt ein „Gedienter“ an, Jacinda Ardern hört früh auf. Und ein strammer Medientenor eifert der nächsten Waffengattung entgegen.
H err Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Keine Ahnung, da fehlen mir Unterlagen.
Und was wird in dieser besser?
Präsident Biden fragen, der hat das Zeug zu Hause rumliegen.
Nach dem Rücktritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat nun Boris Pistorius den Posten übernommen. Als niedersächsischer Minister für Inneres und Sport gehörte er der deutsch-russischen Freundschaftsgruppe des Bundesrats an. Hat ihm das bei der Postenbeschaffung geholfen?
Die Gruppe hat sich im April 22 unter dem Eindruck des russischen Angriffs aufgelöst. Vielleicht schaut die Moralpolizei noch bei Pistorius vorbei, ob er seine Tschaikowski-Alben gelöscht und den Wodka weggeschüttet hat. Scholz suchte eine Person, vertraut wie Lambrecht und robust wie er selbst. Zudem tritt mit Pistorius der erste „Gediente“ ins Kabinett ein. Vorher hatte SPD-Ko-Chef Klingbeil demonstrativ der Diplomatie das Wort geredet; die Wehrbeauftragte Högl mit der Forderung „300 Mrd. Sondervermögen“ komplett überzogen. So nahmen sich beide aus dem Spiel. Pistorius’ politische Vita mutet klassischer an als etwa die einer Vizebürgermeisterin von Düsseldorf, die vorher Kinderbücher verkaufte. Strack-Zimmermann verhält sich zu ihm wie dunnemals Lauterbach zu Spahn: Verteidigungsministerin der Herzen. Gut, dass es einen mit Hirn gibt.
Lützerath wurde geräumt, im Fechenheimer Wald ging es weiter. Wann wächst denn Gras über die Angelegenheiten?
Schöner neuer Straftatbestand: Baumhausfriedensbruch. Die Polizei hat geräumt, jetzt kommt Säge, dann „halt die Fräse“ und schließlich wird planiert. In Umfragen finden sich stabile Mehrheiten, die die Ziele der AktivistInnen gut finden, die Aktionen schlecht. Umgekehrt wär blöder.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir will die Zahl der Nutztiere senken, dadurch könnte es weniger Fleisch geben. Müssen wir anfangen, Schweine zu sparen?
Tun wir. Der Konsum ging seit 2010 um ein Viertel zurück, Schwein gehabt und aufgehört. Nun will Özdemir die restliche Sauerei aufwerten. Durch ein verbindliches Qualitätssiegel. Die Idee könnte von den Erzeugern sein – weniger besser teurer verkaufen. Oder sie glauben an die Masse und wollen uns rückverferkeln. Schweine sind Allesfresser; wenn Özdemir sich hier durchsetzt, kann er es mit Geflügel, Rind, Fisch auch versuchen.
Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern sagt, dass sie „nicht mehr genug im Tank für weitere vier Jahre“ habe. Würde eine deutsche Panzerlieferung helfen?
Der Leo II braucht Diesel, wogegen der amerikanische Abrams mit so ziemlich allem fährt: Kerosin, Benzin, Heizöl, vermutlich Speiseöl und alles außer Elfenpipi. Egal! Die neuseeländische Armee hat überhaupt keine Panzer und ca. 10.000 SoldatInnen, die Insellage gab Ardern von Corona bis Sozialpolitik andere Aufgaben und Chancen. Man ahnt, dass hier eine gute Politikerin zu früh aufhört; doch was ist dieser kleine Kummer in einer Welt voller Despoten, die mit leerem Tank weiterfahren.
Präsident Selenski sagt nach der Ramstein-Konferenz, dass er Leoparden nehmen würde. Wann kriegt er denn seine Großkatzen?
Wenn der Leopard II die Waffe ist, die für die Ukraine den Unterschied macht, wäre er die Waffe, die für Russland den Unterschied macht. Das steht dahin: Bis heute hat kein Leo je in einer Schlacht einen Schuss abgegeben. Ursprünglich hatte Polen lautstark seine angeboten – und bis heute keinen Antrag auf Ausfuhrgenehmigung gestellt bei Habeck. Stattdessen braust das schon übliche Schmähkonzert auf; Grüne, FDP, Union und ein strammer Medientenor eifergeifern der nächsten Waffengattung entgegen. Da geht es dann um Kampfjets, deren Überführung uns völkerrechtlich in den „Kombattantenstatus“ brächte. Auch das hatte Polen für Ramstein vorgeschlagen. Scholz spielt seine letzte Karte: Sollen die Amis doch auch ihren „Abrams“ liefern. Der sei aber ja, so die Biden-Administration, gänzlich ungeeignet für das europäische Schlachtfeld. Weswegen sie Polen just 250 Stück verkauft haben. Es ist ein Tanz am Kraterrand. Diese Bundesregierung wird weniger als zögerlich in die Geschichtsbücher eingehen, sondern als die, die alle Beschränkungen, Kontrollen, Zurückhaltungen einer langen Friedenszeit zerbrach. Manchen reicht das nicht.
Und was machen die Borussen?
Weiter DSDS: Dortmund sucht den Superstar. Dann staunen alle und einer kauft ihn weg.
Fragen: Shoko Bethke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko