Neues zum Ungeheuer von Loch Ness: Lasst Nessie in Ruhe
Das Monster von Loch Ness soll ein Aal sein, sagen Genetiker. Wissenschaftler müssen von Nessie ablassen. Sie versündigen sich am Glück.
Ein internationales Forscherteam will herausgefunden haben, dass es das „Monster von Loch Ness“ nicht gibt. Es gebe nicht einmal „weit entfernt“ irgendwelche Hinweise darauf, dass in Loch Ness Urzeitkreaturen gelebt haben könnten, sagt der Genetik-Experte Neil Gemmell, der das Projekt leitet (als ob je jemand behauptet hätte, dass Nessie zwangsläufig eine Urzeit-Kreatur sein müsse).
Dreihundert Wasserproben aus dem schottischen See wurden auf DNA-Spuren, also zum Beispiel Kot oder Schuppen, untersucht. Auf Grundlage der Analyse dieser Daten hält Gemmell es für möglich, „dass es sich bei dem, was Leute für das Monster von Loch Ness halten, um einen gigantischen Aal handeln könnte“.
So eine bescheuerte und arrogante Methode! Seit rund 1.500 Jahren berichten hunderte Augenzeugen von Sichtungen des Ungeheuers, von unserer Nessie. Sogenannte Forscher schaffen es bis heute nicht, die Kreatur im See zu finden. Was wurde nicht schon alles unternommen? Ultraschall, Käfige, Köder, Observationen der Seeoberfläche, U-Boote, Taucher – hilft alles nichts.
Vielleicht will Nessie, ein vermutlich sehr liebenswertes, aber auch schreckhaftes Geschöpf, einfach nicht gefunden werden. Vor allem nicht mit ein paar Pipetten von Dilettanten in Kitteln. Wer kann denn überhaupt beweisen, dass Nessie eine DNA hat, hm? Vielleicht ist Nessie ja auch außerirdisch und nicht von Genforschern entschlüsselbar?
Die Entzauberung der Welt
Gemmell sagte schon vor über einem Jahr: „Ich glaube nicht, dass es ein Monster gibt, aber wenn ich mich irre, ist das auch okay.“ Die DNA-Analyse des Sees sollte also nicht vorrangig Nessie finden, sondern die Artenvielfalt im See erforschen. Wissenschaftskommunikation auf dem Rücken eines einsamen, verletzlichen und magischen Geschöpfes. Geht’s noch? Wie schamlos!
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Die sogenannte objektive Naturwissenschaft sollte aufhören, Nessie zu suchen, zu verspotten, zu verleugnen, zu benutzen. Genug ist genug. Die Entzauberung der Welt, die Verbannung der Magie, die Entschlüsselung des Mythos – sie müssen in Loch Ness enden. Dass Aufklärung totalitär ist und in Barbarei umschlägt, wissen wir von Adorno. Wenn auch noch Nessie dem Fetisch der Naturbeherrschung geopfert wird, ist alles verloren. Wer das letzte Rätsel Europas nicht respektiert, versündigt sich an der Freiheit und am Glück.
Also: Finger weg von Loch Ness, Herr Gemmell! Sie sind weder qualifiziert noch moralisch im Recht, Nessie herauszufordern. Hauen Sie ab. Die Schotten, vom Brexit genug geplagt, werden es Ihnen danken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen