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Neues Pazifik-BündnisDolchstoß in Frankreichs Rücken

Paris ist empört über Australiens Absicht, mit Washington Atom-U-Boote zu bauen. Dem französischen Staat entgehen dadurch Milliarden.

Wassergefährt des Anstoßes: Frankreich ist über Australiens U-Boot-Pläne verärgert Foto: us Navy/ap

Paris/Brüssel taz | Jean-Yves Le Drian ist ein Mann, der selten Emotionen zeigt. Jahrelang hatte der französische Außenminister den Verkauf von zwölf U-Booten mit Diesel­antrieb an Australien eingefädelt. Das 2016 besiegelte, 56 Milliarden Euro teure Geschäft galt als „Jahrhundertdeal“ – bis Mittwoch.

Da wechselte die australische Regierung nämlich handstreichartig den Verbündeten und verkündete eine Sicherheitspartnerschaft mit den USA und Großbritannien, die den Bau von zunächst acht atomgetriebenen U-Booten in Australien vorsieht. Frankreich bleibt dabei außen vor. „Das ist ein Dolchstoß in den Rücken“, empörte sich der sonst so besonnene Le Drian im Radiosender France Info. Die brutale und einseitige Entscheidung der US-Regierung erinnere an den früheren Präsidenten Donald Trump. „Das macht man nicht unter Verbündeten.“

Ohne Frankreich zu informieren, hatten Australien, die USA und Großbritannien ihre neue Zusammenarbeit im indopazifischen Raum ausgehandelt. Als Ende August die australische Außenministerin und der Verteidigungsminister nach Paris kamen, schien für den französischen Partner noch alles in Ordnung zu sein, auch wenn die australische Seite hinter vorgehaltener Hand Verzögerungen und hohe Kosten kritisierte.

Erst am Mittwoch soll die französische Regierung über den Kurswechsel informiert worden sein – nur Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe. Die Spannungen mit China sollen den australischen Premierminister Scott Morrison dazu gebracht haben, sich unter den Schutz der USA zu stellen. Washington versucht in seiner Dauerrivalität mit Peking schon lange, mehr Präsenz im indopazifischen Raum zu zeigen.

Noch ein Alleingang Bidens

Für Präsident Emmanuel Ma­cron ist die Absage an den französischen Hersteller Naval Group ein schwerer Schlag. Zeigt sie doch, dass auf die USA als Verbündeten immer weniger Verlass ist. Nach dem überstürzten Abzug aus Afghanistan ist der U-Boot-Deal bereits der zweite Alleingang von US-Präsident Joe Biden. Macrons Idee, eine gemeinsame europäische Verteidigung aufzubauen, dürfte dadurch neue Nahrung bekommen. Am Donnerstagabend sprach er beim Abendessen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Élysée-Palast darüber. Beide seien der Meinung gewesen, dass die europäische Souveränität gestärkt werden müsse, zitierte die Zeitung Le Monde Élysée-Kreise.

Für die EU kommt der Streit zur Unzeit. Schließlich hat sie gerade erst ihre eigene Indopazifik-Strategie vorgestellt. Außerdem will sie ein Freihandelsabkommen mit Australien abschließen. Frankreich ist nach dem Brexit die größte Militärmacht der Union und könnte nun versuchen, ein geplantes Sicherheitsabkommen mit Großbritannien zu torpedieren. Denn auch London hat aus französischer Sicht „Foul“ gespielt. Auf jeden Fall dürfte die geplante enge außenpolitische Zusammenarbeit mit den Briten nun schwieriger werden.

Der EU-Außenminister Josep Borrell steht nun vor einem Scherbenhaufen. Er muss nicht nur das Verhältnis zu Washington und London flicken, sondern auch noch Paris besänftigen. Er könne die Enttäuschung der französischen Regierung verstehen, erklärte der Spanier. Er sei vorher nicht von den USA konsultiert worden und werde sich nun um nähere Informationen aus Washington bemühen.

Das könnte peinlich werden. Noch beim Gipfeltreffen mit Biden im Juni in Brüssel hatten die Europäer die transatlantische Freundschaft gefeiert und eine koordinierte Politik gegenüber China vereinbart. Nun müssen sie erkennen, dass Biden sein Wort gebrochen hat. Die EU wurde von den USA vor vollendete Tatsachen gestellt – genau wie beim Abzug aus Afghanistan.

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17 Kommentare

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  • Man muss doch auch die positiven Seiten sehen. Der CO2-Ausstoß der Atom-UBoote wird sehr klein sein verglichen mit den französischen Diesel-Dreckschleudern. Von daher kan man den deal nur befürworten.

    • @Gerald Müller:

      Schon mal damit beschäftigt wie man Brennstoff für Reaktoren herstellt? Nur weil ein AKW nicht qualmt, heißt das nicht das Atomkraft sauber ist...

    • @Gerald Müller:

      Kriegsschiffe stoßen noch ganz andere Dinge aus als CO2.

  • "Ich war erst voller Zuversicht, dass Frankreich empört sei, dass Atom-U-Boote überhaupt entwickelt werden in Australien."

    Ihnen ist schon klar, das Frankreich das einzige Land in der EU ist, das Atom-U-Boote, die auch nuklear bewaffnet sind hat?

    en.wikipedia.org/w...nt-class_submarine

    • @Sven Günther:

      Und nun? Sollte Frankreich nicht mal ein gutes Vorbild abgeben und die Atomaufrüstung in Frage stellen, die mit Australien nun weiter getrieben wird? Stattdessen empören die sich, dass sie nichts an U-Booten mit Massenvernichtungswaffen verdienen.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Frankreich modernisiert seit einiger Zeit sein Nukleararsenal, sowohl zur See wie in der Luft, für 2019 bis 2025 sind dafür 37 Milliarden Euro vorgesehen.

        Frankreich ist in der EU wahrscheinlich der Staat, der am weitesten von Ihnen Vorstellungen entfernt ist.

  • Ich war erst voller Zuversicht, dass Frankreich empört sei, dass Atom-U-Boote überhaupt entwickelt werden in Australien.

    Nur wenige Worte später musste ich lesen: Denen geht es gar nicht um Frieden. Sondern die sind empört, weil man kein Geld verdient.

    EU, Frankreich gehört dazu, ist offenbar kein Eckpfeiler für den Frieden. Dann wundern sich Leute, warum sogar Linke anfangen Rechtsaußendeppen und EU-Kritiker wie Thierry Baudet sympathisch zu finden, die ihre eigene Version von "Frieden" propagieren.

    • @Troll Eulenspiegel:

      Man muss es richtig sehen... der Spaß Atommacht zu spielen kostet Frankreich Unsummen...

      Und da ist es nett wenn man zumindest einen Teil der Kosten durch Waffenexporte refinanzieren kann. Auch darf man nicht vergessen das die eigene U-Boot Fertigung ausgelastet sein muss um die Fähigkeiten nicht zu verlieren.

      Immer bedenken, Fr und Uk sind Miniländer im Vergleich zur USA und dort verzichten die Bürger auf Rente und Krankenversicherung um sich es leisten zu können mehr als 5x mehr pro Kopf als jedes (Ex-)EU Land für Rüstung ausgeben zu können.

  • "Er muss nicht nur das Verhältnis zu Washington und London flicken, sondern auch noch Paris besänftigen."

    Wozu? Um auf den nächsten Tritt in den Hintern zu warten? Diese masochistische Politik haben wir nicht nötig.

    Macron hat die NATO als hirntot bezeichnet. Und er hat damit Recht. Es ist völlig Wurst, welcher Trottel im Weißen Haus sitzt. Die Außenpolitik bleibt die eines Amokläufers. Es wird Zeit, umzusteuern und unsere Sicherheitspolitik auf ein eigenständiges, europäisches Fundament zu stellen. Dann sind wir nicht mehr auf die Chaoten in Washington angewiesen.

    Bei dieser Gelegenheit könnten wir auch aufhören, alten kolonialen Reflexen zu frönen. Der indopazifische Raum liegt am anderen Ende der Welt. Es geht uns nichts an und ging uns auch nie etwas an.

    PS: Die französische Marine beschafft eine nukleare Variante der U-Boote, die Australien bestellt hatte. Man hätte ja mal fragen können...

  • Also diese großen europäischen Militärmächte, die neulich zugeben mussten einen einzelnen Flughafen nicht ohne Unterstützung der Amis halten zu können, die wundern sich jetzt, wenn man sie für derart irrelevant hält, dass man sie noch nichtmal mehr darüber informiert, was man fernab von Europa so treibt?

    Die Sichtweise der Franzosen und der EU ist absurd. Niemand schert sich darum, was europäische Großmäuler gerne hätten.

    Die EU-Indopazifik-Strategie ist eine Halluzination. Weder China noch die USA werden irrlichternden Europäern in der Region irgendeine Bedeutung beimessen.

    Und dann die Australier. Was hätten die im „Ernstfall“ von Europa zu erwarten? Prayers for Sydney? Steinmeyer mahnt und das war’s? Welchen Eindruck das devote Europa angesichts der Vorgänge in Hongkong auf die Australier gemacht hat, das kann man ja auch nur vermuten…

    Das ist alles nur zum Fremdschämen.

    Und zuletzt. Die Wahrheit ist, die Europäer sind außerhalb Europas militärische Zwerge. Das ist es worauf es da ankommt. Die Frage ist, ob man das ändern will, ich meine man sollte es nicht…

  • „Für Präsident Emmanuel Ma¬cron ist die Absage an den französischen Hersteller Naval Group ein schwerer Schlag. Zeigt sie doch, dass auf die USA als Verbündeten immer weniger Verlass ist. Nach dem überstürzten Abzug aus Afghanistan ist der U-Boot-Deal bereits der zweite Alleingang von US-Präsident Joe Biden. Macrons Idee, eine gemeinsame europäische Verteidigung aufzubauen, dürfte dadurch neue Nahrung bekommen. Am Donnerstagabend sprach er beim Abendessen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Élysée-Palast darüber. Beide seien der Meinung gewesen, dass die europäische Souveränität gestärkt werden müsse, zitierte die Zeitung Le Monde Élysée-Kreise.“



    Bei aller Empathie für Biden, so geht man nicht mit verbündeten um!



    Macron hat Recht, eine gemeinsame europäische Verteidigung aufzubauen, ist wichtiger denn je.

    • @D-h. Beckmann:

      nur halten sich die Franzosen mit Ihren 4 Atom-U-Booten für eine nukleare Weltmacht und sind auch sonst eher aggressiv unterwegs (Flugzeugträger und so).

      Und der deutsche Bürger will mehrheitlich eine reine Verteidigungsarmee, keine Auslandseinsätze.

      Das passt nicht vorne und nicht hinten zusammen.

      Außerdem ist Marcron ein hinterlistiger, nationalistischer Neoliberaler. Auch seine EU-Vorschläge zielten nur darauf ab das die EU (Deutschland) zahlt und somit französische Defizite seiner Politik übertüncht werden.

      Marcrons Interessen waren noch nie die unseren! Ufpasse!

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Ein Dolchstoß in den Rücken eines Waffenhändlers und damit angeblich gleich in den Rücken einer ganzen Nation, zugunsten einer Alternative: Au.



    Falsch wird immer wieder durch ein anderes Falsch ersetzt.



    Das Problem scheint vor Allem: Entgangener Gewinn ist Verlust.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Verzögert und immer teurer, plus die Australier werden wenn es zum Krieg kommt eher Seite an Seite mit Amerikaner und Briten als den Franzosen und Deutschen kämpfen da macht es Sinn seine Systeme da zu kaufen, da ist man sicherer was Ersatzteile angeht. Außerdem haben nuklear betriebene Uboote einfach eine extrem-große Einsatzweite und können theoretisch ewig unterwegs sein. Taiwan kann man schlecht mit einer Flussmarine verteidigen.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Die Briten haben garnicht mehr die Mittel so weit von zu Hause ernsthaft zu kämpfen. Und ob die Amerikaner im Ernstfall wirklich für Australien kämpfen ist auch sehr fraglich.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Man hätte allerdings auch ohne Probleme Atom U-Boote von Naval kaufen können, schließlich hat Frankreich auch welche.

      • @Sven Günther:

        Die Boote für Australien wurden sogar extra auf Diesel umkonstruiert. Die französischen gleichen Typts sind mit Atomantrieb.