Neues Medienprojekt von Can Dündar: Gegen die „Hetzpropaganda“

Die Türkei beschneidet die Pressefreiheit. Ein türkischer Journalist und das Berliner Recherche-Kollektiv „Correctiv“ wollen dagegenhalten.

Can Dündar hinter an Schnüren aufgehängten Flyern

Nicht hinter Gittern, nur hinter Deko: Can Dündar bei der Verleihung des Leipziger „Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien“ am Freitag Foto: dpa

BERLIN taz | Can Dündar ist sehr beschäftigt in diesen Tage. Seit er Mitte August seinen Posten als Chefredakteur der türkischen Zeitung Cumhuriyet abgegeben hat, lebt er in Deutschland. Er kolumniert weiter für seine Zeitung, aber auch für deutsche Medien, trifft Journalisten und Aktivisten in Deutschland. Am Freitag erhielt er den Leipziger „Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien“. Die Grünen im Europaparlament haben ihn gerade für den Sacharow-Preis für geistige Freiheit vorgeschlagen.

Dündar ist ein Held in Deutschland – spätestens, seit er im Mai diesen Jahres mit einem Kollegen der Cumhuriyet in der Türkei wegen Geheimnisverrats zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurde.

Diese Bekanntheit will er nun nutzen. Zusammen mit dem gemeinnützigen Recherche-Büro Correctiv plant er, ein türkischsprachiges Medium aufzubauen. Am Samstag hat das Team eine Webseite veröffentlicht. Viele Informationen stehen dort noch nicht, denn noch wissen Dündar und Correctiv nicht, wie ihr „Recherchezentrum“ aussehen soll – welche Verbreitungswege, welche Formate, welche Redakteure. Nur so viel sei klar: Es soll möglichst noch dieses Jahr losgehen, sagt Correctiv-Gründer David Schraven.

Seit gut eineinhalb Jahren plane die Correctiv-Redaktion ein türkisches Medium. Bisher habe sie in der Türkei aber keine geeigneten Partner gefunden. Das hat sich nach dem Putschversuch im Juli geändert: Auch durch Dündars Kontakte ist die Correctiv-Redaktion nun im Gespräch mit Journalisten aus der Türkei. Das Interesse an dem Projekt ist immens, sagt Schraven. „Es gibt ja kaum noch unabhängige Medien in der Türkei. Auf die meisten Türken – in der Türkei und in Deutschland – schallt nur Hetzpropaganda ein. Da muss man jetzt gegenhalten.“ Und Gegenhalten geht am besten in der Mutterprache, deswegen sollen die meisten Berichte auf Türkisch sein.

Can Dündar hat die Nachricht in der vergangenen Woche in türkischen Medien verbreitet. „Viele Journalisten sind arbeitslos, viele Kollegen wurden rausgeschmissen“, sagt er in einem Youtube-Video am Mittwoch. „Deswegen ist es mein Ziel, hier das zu versuchen, was uns in der Türkei nicht gelungen ist, weil uns dort die Hände und Füße gebunden sind“.

Gegenüber der taz wollte Dündar noch nichts Konkreteres über seine Plänen erzählen, auch weil er seine Frau nicht gefährden möchte. Die türkischen Behörden haben im September ihren Pass eingezogen, so dass sie das Land nicht verlassen kann. Nur eines ist Dündar wichtig zu betonen: „Niemand kann die Stimme der Wahrheit auslöschen. Das wollen wir der Welt einmal mehr zeigen.“

Verhaltene Reaktion in der Türkei

Seit dem Putschversuch stehen türkische Medien stärker unter Druck. Erst vergangene Woche hatten die türkischen Behörden zwölf Fernseh- und elf Radiosendern wegen angeblicher Gefährdung der nationalen Sicherheit die Sendeerlaubnis entzogen. Laut der Europäischen Journalisten Föderation sitzen derzeit 97 Journalisten im Gefängnis. Dündar selbst ist zu einer knapp sechsjährigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er über türkische Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien berichtet hatte.

Türkische Medien reagierten verhalten auf Dündars Ankündigung. Auf Twitter kommentierten einige Journalisten argwöhnisch, die Pro-Regierungsmedien haben bislang gar nichts dazu geschrieben. Vermutlich warten sie ab, wer das Projekt finanzieren wird.

Denn das ist eine der größten Fragen, sagt David Schraven. Bei Correctiv haben sie gute Erfahrungen mit Mischfinanzierung gemacht: Leser spenden, Stiftungen geben Geld, für einzelne Recherchen gibt es Projektmittel. So etwas könnte sich Schraven nun auch wieder vorstellen – die Frage ist nur, woher das Geld dann kommt. „Das Schwierigste wird sein, das Geld aus der Türkei raus zu bekommen. Überweisungen von der Türkei nach Deutschland sind kompliziert. In der Türkei ein Konto eröffnen, ist es auch.“

Um all diese Fragen werden sich Schraven und Dündar nun kümmern. Der Moment ist günstig, denn das Interesse an der Türkei ist so groß wie lange nicht mehr.

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