Pressefreiheit in der Türkei: Jetzt auch die Cumhuriyet

Der Chefredakteur der größten Oppositionszeitung wurde festgenommen. EU-Parlamentspräsident Schulz hält das Vorgehen für nicht tolerabel.

Hinter einem Polizisten mit Gewehr hält ein Mann die Cumhuriyet in die Höhe

Kleines Zeichen des Protests: Ein Mann hebt am Montag die aktuelle Ausgabe der Cumhuriyet in die Kamera Foto: ap

BERLIN taz | Nach den jüngsten Verhaftungen kritischer Journalisten in der Türkei hat der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), sich besorgt gezeigt und Kritik an den türkischen Behörden formuliert. Der taz sagte Schulz am Montag: „Das Vorgehen türkischer Behörden gegen Cumhuriyet und andere kritische Medien ist nicht tolerabel. Wo Pressefreiheit beschnitten wird und Journalisten in Angst leben, da ist die Demokratie am Ende.“

Am Montagmorgen hatten türkische Beamte den Chefredakteur der wichtigsten türkischen Oppositionszeitung Cumhuriyet, Murat Sabuncu, sowie weitere Cumhuriyet-Mitarbeiter verhaftet. Insgesamt habe die Staatsanwaltschaft die Festnahme von 14 Mitarbeitern der Zeitung angeordnet, teilte das Blatt mit. Außerdem sei der im deutschen Exil lebende frühere Chefredakteur der Zeitung, Can Dündar, zur Fahndung ausgeschrieben worden. Dündar gilt als eine der wichtigsten Oppositionsstimmen der Türkei und lebt seit einigen Monaten aus politischen Gründen in Deutschland.

Bereits seit Monaten gehen türkische Behörden massiv gegen kritische Medien im Land vor. Die angesehene Cumhuriyet galt jedoch bislang als größte verbliebene Oppositionszeitung. In der einst streng kemalistisch ausgerichteten Tageszeitung vereinten sich zuletzt viele wichtige Journalisten verschiedener Oppositionsflügel. Viele Beobachter gingen bis zuletzt davon aus, dass türkische Behörden es sich nicht trauen würden, auch die Cumhuriyet-Leitung festzunehmen. Nun kam es anders. Die türkische Regierung strafte kritische Medien, die sie nicht bereits selbst geschlossen hatte, bislang über Umwege. Sie entzog ihnen staatliche Anzeigenschaltungen und trieb sie so in den Bankrott.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Beschuldigten Cumhuriyet-Mitarbeitern nun Nähen zu den in der Türkei als Terrorgruppierungen eingestuften kurdischen PKK sowie der sogenannten Gülen-Bewegung vor. Fethullah Gülen ist ein einstiger Weggefährte Erdogans, der inzwischen im amerikanischen Exil lebt und dem vorgeworfen wird, einen tiefen Staat in der Türkei errichten zu wollen.

Polizisten entfernen Computer

Journalistenverbände kritisierten die neuen Verhaftungen am Montag scharf. Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen in Deutschland, sagte der taz am Montag: „Mit den Maßnahmen will die türkische Regierung ein klares Zeichen setzen: Sie hat kein Interesse an einer freien und unabhängigen Berichterstattung.“ Man merke in allen Gesprächen mit türkischen Kollegen, so Mihr, dass Journalisten inzwischen drei mal überlegten, was sie noch sagen könnten und was nicht.

Mihr hatte erst vergangene Woche zahlreiche Journalisten in der Türkei besucht und dabei unter anderem den am Montag festgenommen Cumhuriyet-Chefredakteur Sabuncu getroffen. Bei seiner Reise dokumentierte Mihr unter anderem, wie türkische Polizisten in Redaktionen und Fernsehstationen Computer entfernt und Eingänge versiegelt hatten.

Der Korrespondent der Organisation Reporter ohne Grenzen, der türkische Journalist Erol Önderoglu, war wegen angeblicher Propaganda ebenfalls bereits verhaftet worden. Der Prozess gegen Önderoglu beginnt am 8. November – Ausgang offen.

Auch der Deutsche Journalisten Verband (DJV) zeigte sich am Montag besorgt über die neuen Entwicklungen. „Die erneuten Festnahmen von Journalisten sind ein weiterer Schritt zur Austrocknung der spärlichen Reste von Pressefreiheit in der Türkei, da kann die Politik nicht einfach zuschauen“, erklärte DJV-Vorsitzende Frank Überall. Er forderte die deutsche Bundesregierung auf, „sich klar gegen die Festnahmen zu positionieren.“

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