Neues Gesetz in Schleswig-Holstein: Klimaschutz mit wenig Ambitionen

Schleswig-Holstein erneuert sein Klimaschutzgesetz. Umweltverbänden und Opposition gehen die Maßnahmen nicht weit genug.

Windräder und eine Autobahn unter düsterem Wolkenhimmel

Passt klimaschutzmäßig nicht zusammen: Ausbau von Windkraft und Autobahnen Foto: Kay Nietfeld/dpa

KIEL taz | Zu wenig, zu vage, zu spät – die Kritik von Umweltverbänden und Opposition am Klimaschutzgesetz der Landesregierung in Kiel ist laut. Umwelt- und Energiewendeminister Jan-Philipp Albrecht (Grüne) sieht Schleswig-Holstein dagegen als Vorreiter. Der Landtag hat die Neufassung des Gesetzes am Mittwoch verabschiedet.

Ein „Armutszeugnis“ sei das neue Gesetz, sagte Oppositionsführerin Serpil Midyatlı (SPD) in der Landtagsdebatte. Die SPD legte einen eigenen Gegenentwurf vor, der aber keine Mehrheit fand. Für die Regierungsfraktionen wies Oliver Kumbartzky (FDP) die Kritik der SPD als „nicht fundiert“ zurück. Mit den nun beschlossenen Änderungen werde das Gesetz „fit für die Zukunft“. Das Land gehe mit den Vorgaben für seine Verwaltung selbst mit gutem Beispiel voran.

Schleswig-Holstein hat erst 2017, also 20 Jahre nach dem bundesweiten Vorreiter Hamburg, ein eigenes Klimaschutzgesetz beschlossen (siehe Kasten). Es sei dem damaligen Umweltminister Robert Habeck wichtig gewesen, dieses Paket zu schnüren, bevor er als Grünen-Parteichef nach Berlin wechselte, heißt es aus Kreisen der Umweltschutzverbände.

Grundsätzlich können Landesklimaschutzgesetze nur bestimmte Bereiche regeln. Darunter fällt, wie viele Emissionen die eigenen Verwaltungen und Tochterbetriebe mit ihren Gebäuden und Fahrzeugen inklusive des Schienennahverkehrs in die Luft blasen. Im alten Gesetz wollte Schleswig-Holstein das Zero-Ziel bis 2050 erreichen. In der Neufassung soll es nun bereits 2045 so weit sein, das Land übernehme damit die neuen, ehrgeizigen Ziele, die Bund und EU vorgeben, so Tobias Koch (CDU).

Hamburg und Bremen nennen gar kein Ziel für Klimaneutralität

Allerdings wollen die Verwaltungen von Berlin und Nordrhein-Westfalen bis 2030 ihre Arbeit klimaneutral verrichten, Thüringen und Baden-Württemberg bis 2040, heißt es in einer Übersicht des WWF über alle Landesklimagesetze. Zur Ehrenrettung Kiels: Einige Länder, darunter Hamburg und Bremen, nennen gar kein Limit.

Minister Jan Philipp Albrecht (Grüne) hatte bereits im Vorfeld der Debatte die Kritik der SPD zurückgewiesen. Als wichtige Punkte des Gesetzes nennt er die „Wärmeplanung“ der Kommunen, mit der Städte und Gemeinde Wege zur Klimaneutralität finden sollen. Dieses Instrument wird für einen Großteil aller Orte verbindlich. Kein Land habe mehr Geld vom Bund für solche Ziele eingeworben als Schleswig-Holstein, so Albrecht.

Das Gesetz sieht auch vor, dass Gebäude künftig teilweise mit erneuerbaren Energien geheizt werden müssen – dies betrifft auch private Hausbesitzer*innen, wenn sie neue Heizungen einbauen. Zudem soll es auf Dächern und auf Parkplätzen verbindliche Flächen für Photovoltaik geben. „Schleswig-Holstein ist und bleibt Energiewendeland Nr. 1“, so Albrecht im Landtag. „Wir sind der Schrittmacher für den Klimaschutz, auch im Bund.“

Für den Minister ist die Neufassung des Gesetzes ein Schwerpunkt seiner Amtszeit – und eine Art Abschiedsgeschenk, denn der Grüne möchte aus der aktiven Politik ausstiegen und in den Vorstand der parteinahen Heinrich-Böll-Stiftung wechseln. Die Stiftungsgremien entscheiden Anfang Dezember über seine Bewerbung. Zufall oder nicht: Gerade hat der Landesverband der Böll-Stiftung ein Handbuch veröffentlicht, dessen Forderungen über das Energiewende-Gesetz des Ministers hinausgehen und auf das Serpil Midyatli in der Landtagssitzung genüsslich hinwies.

Umweltschützer sehen schwere Mängel

Der Unmut der Umweltschutzverbände hatte sich bei einer Ausschuss-Anhörung im Vorfeld der Landtagsdebatte entladen: „Eklatante Mängel bei der Erreichung der Pariser-Klimaschutzziele“ erkannte der BUND, der Gesetzentwurf sei „ambitionslos“. Fritz Heydemann, stellvertretender Landesvorsitzender des Nabu, wies darauf hin, dass die Politik der Jamaika-Regierung insgesamt einer „Reduzierung des Ausstoßes klimaschädigender Gase widerspreche“. Er nannte den Ausbau von Autobahnen und eine Raumplanung, die auf Bodenversiegelung statt Naturschutz setze. Damit „bekommt die Glaubwürdigkeit der Klimaschutzpolitik erhebliche Risse“.

Kritik am Gesetz gibt es auch von Seiten der Wirtschaft, darunter dem Bauernverband. Die Verbände befürchten Nachteile oder höhere Kosten für ihre Mitglieder. Generell aber bekennen sich alle Gruppen zum Klimaschutz.

Das Thema ängstige viele Menschen, die einen, weil sie ihren Lebensstil fürchten, andere, weil ihnen der Wandel zu langsam gehe, sagte Eka von Kalben von den Grünen. „Unsere Aufgabe ist es, den Menschen die Furcht zu nehmen und sie nicht zu schüren. Weder in die eine noch in die andere Richtung.“ Die Grünen hätten sich mehr gewünscht, das Gesetz sei ein Kompromiss.

Ein Signal für mehr Nachhaltigkeit gibt das Land mit seiner Geldpolitik: Künftig sollen bei allen Investitionen „ökologische, soziale und ethische Kriterien“ gleichrangig zu den rein wirtschaftlichen Aspekten berücksichtigt werden, verspricht Finanzministerin Monika Heinold (Grüne).

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