Neuer PLO-Generalsekretär al-Sheikh: Näher am Chefsessel

Hussein Al-Sheikh ist neuer Chef der palästinensischen PLO. Kri­ti­ke­r*in­nen werfen Präsident Abbas vor, mit der Personalie seine Macht zu festigen.

Hussein al-Sheikh

Wird mitunter auch als „palästinensischer Gentleman“ bezeichnet: Hussein al-Sheikh 2021 in Ramallah Foto: Nasser Nasser/ap

TEL AVIV taz | Hussein al-Sheikh ist mit seiner Ernennung zum Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) einen großen Schritt näher an den palästinensischen Chefsessel herangerückt. In der Nacht von Montag auf Dienstag übergab ihm der Exekutivausschuss der PLO, die Dachorganisation verschiedener palästinensischer Fraktionen, diesen Posten.

Al-Sheikh gilt als einer der engsten Berater des 86-jährigen, kränkelnden Palästinenserpräsidenten Mahmoud Abbas – und als dessen potentieller Nachfolger. Al-Sheikhs Amtsvorgänger Saeb Erekat war 2020 nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben.

Der 61-Jährige, der bisher für die zivile und sicherheitspolitische Koordination mit Israel zuständig war, ist bei einigen westlichen und israelischen Po­li­ti­ke­r*in­nen durchaus beliebt und wird mitunter auch als „palästinensischer Gentleman“ bezeichnet. Erst Ende Januar traf er sich mit dem israelischen Außenminister Yair Lapid in dessen Wohnsitz in Israel.

Dabei fing alles ganz anders an. Bereits als Jugendlicher trat al-Sheikh der heute im Westjordanland regierenden Fatah-Partei bei, wurde in seiner Jugend elf Mal von israelischen Streitkräften inhaftiert, und war bei der ersten Intifada von 1987 bis 1993 Mitglied der sogenannten Vereinten Nationalen Führung des Aufstands.

Doch mit dem Wandel der Fatah in den 1990er Jahren veränderte sich auch die politische Ausrichtung von al-Sheikh. Im Rahmen des Osloer Friedensprozesses erkannte die Fatah 1993 unter ihrem Vorsitzenden Jassir Arafat das Existenzrecht Israels an, bekannte sich zum Friedensprozess und schwor dem Terrorismus als politisches Mittel ab.

Abbas regiert autoritär weiter

1994 wurde im Zuge der Friedensverhandlungen die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) gegründet. Al-Sheikh war dort im Nachrichtendienst beschäftigt, im Bereich der sogenannten präventiven Sicherheit. Dieser wurde eingerichtet, um die innerpalästinensische Opposition gegen die Friedensabkommen mit Israel zu bekämpfen, vor allem die von Seiten der Hamas. Viele Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen werfen der PA jedoch seit ihrer Gründung vor, dass sie nicht der palästinensischen Befreiung diene, sondern eine Institution sei, die den palästinensischen Aktivismus gegen die israelische Besatzung einzudämmen versuche.

Im August 2009 wurde al-Sheikh in das Zentralkomitee der Fatah gewählt. Im Komitee für den Wiederaufbau des Gazastreifens, das nach dem Gaza­krieg 2014 eingerichtet wurde, arbeitete er Hand in Hand mit israelischen und ägyptischen Vertreter*innen. Zwischen 2013 und 2019 hatte er außerdem den Ministerposten für die Koordination ziviler Angelegenheiten inne.

So beliebt al-Sheikh unter einigen westlichen Ver­tre­te­r*in­nen und bei Abbas ist, so sehr wird seine Ernennung von seinen Geg­ne­r*in­nen kritisiert. Mehrere palästinensische Gruppierungen boykottierten die Konferenz vom Montag. Sie werfen Abbas vor, seine Macht in der PLO weiter festigen zu wollen, indem er sich mit Loya­lis­t*in­nen umgibt. Neben al-Sheikh gehört zu diesen auch Mohammed Mustafa, dem der Posten des Sprechers der PLO übergeben wurde. Er löst damit Hanan Ashrawi ab, die im vergangenen Jahr zurückgetreten und zu einer Kritikerin von Abbas geworden ist.

Auch viele zivile Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen fühlen sich nicht mehr von ihrer zunehmend autoritär agierenden Führung vertreten und sind wütend über die Art der Ernennung. Sie warten nach wie vor auf Wahlen. Obwohl Abbas’ Amtszeit offiziell 2009 endete, regiert er autokratisch weiter. Hoffnung auf einen Wandel hatte er zuletzt im April 2021 mit einer wiederholten Absage der Wahlen zunichte gemacht.

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