Proteste im Westjordanland: Der Aussitzer
Mit brutaler Gewalt der Sicherheitsleute hält sich Palästinenserpräsident Abbas an der Macht. Die Hamas sitzt schon in den Startlöchern für die Übernahme.
D er Tod eines Kritikers von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ist Anlass für Proteste in Ramallah und Hebron. Acht Minuten lang soll Nisar Banat von palästinensischen Sicherheitskräften zum Teil mit Eisenstangen malträtiert worden sein. Der 43-jährige Aktivist, der mit sarkastischen Videos in den sozialen Netzwerken gegen den alternden Präsidenten Stimmung machte, starb im Juni kurz nach seiner Festnahme.
Seit Jahren schon stand er unter Beobachtung der palästinensischen Sicherheitsdienste, die ihn wiederholt unter dem Vorwurf der Cyberkriminalität verhafteten. Wie Banat sind zahlreiche KritikerInnen des Palästinenserpräsidenten Opfer absurder Gesetze und des harten Vorgehens der Sicherheitsdienste. Der Unmut wächst. „Verschwinde“, so rufen DemonstrantInnen.
Jüngsten Umfragen zufolge glauben mehr als die Hälfte der PalästinenserInnen, dass die islamistische Hamas nicht nur im Gazastreifen, sondern in den gesamten Palästinensergebieten, inklusive dem Westjordanland, regieren sollte. Ganze 14 Prozent der Befragten hielten unverändert zur Fatah und Abbas für den geeigneten Präsidenten.
Diese gefährliche Wende hin zu der radikalen und militanten Bewegung ist auf die Kampfbereitschaft der Hamas zurückzuführen, die sie jüngst mit Raketen gegen Israel erneut unter Beweis stellte, während Abbas die Probleme aussitzt. Der Palästinenserpräsident treibt weder den Widerstand voran, noch sucht er aktiv nach friedlichen Lösungen, um der israelischen Besatzung ein Ende zu machen. Er tut nichts. Und das schon sehr lange.
Der Zorn gegen ihn ist aber auch auf die abgesagten Wahlen zurückzuführen, die für Anfang des Jahres geplant waren, und bei denen die Fatah mit großer Wahrscheinlichkeit von den Islamisten geschlagen worden wäre. Vorerst hält sich Abbas mit strikten Anweisungen und mit dem brutalen Vorgehen seiner Sicherheitskräfte gegen die Demonstrationen im Amt.
Der 85-Jährige lässt die Chancen seiner Fatah-Bewegung schwinden, während die Hamas nur abzuwarten braucht. Irgendwann muss es Wahlen geben, und bis dahin punkten die Islamisten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus