Neuer Haushaltsstreit in der Ampel: FDP muss sich ehrlich machen
Eine Reform der Schuldenbremse ist unausweichlich. Doch statt darüber zu verhandeln, versumpfen SPD und FDP mal wieder in Manöver-Kritik.
M an könnte es auch so sehen: Finanzminister Christian Lindner hat es gutachterlich bestätigt bekommen, dass eine Reform der Schuldenbremse unweigerlich ist, wenn der kommende Bundeshaushalt ohne buchhalterische Tricks funktionieren soll. Angesichts der kaputtgesparten Infrastruktur ist Ehrlichkeit angesagt, doch der FDP-Chef und mit ihm Bundeskanzler Olaf Scholz betreiben mit ihrer Taschenspielerei das genaue Gegenteil. Die Schuldenbremse steht in ihrer jetzigen Form dem Finanzbedarf der öffentlichen Daseinsvorsorge in Deutschland entgegen. Keine Bilanzierungstechnik wird das kaschieren können, und sei sie auch noch so ausgeklügelt.
Nun sind es erneut rund 5 Milliarden Euro, die laut Finanzminister für das kommende Jahr fehlen, weil die Umwidmung von Gaspreis-Krediten nicht so einfach geht, wie es die Bundesregierung in ihrem Etatentwurf geplant hatte. Tatsächlich erinnert dieses Vorhaben stark an jenes Konstrukt, das das Bundesverfassungsgericht vergangenes Jahr kassiert hatte. Das Gutachten, das diese neuerliche Kredit-Umwidmung nun beanstandet, wäre eine Grundlage für den FDP-Chef, um seiner Partei zu sagen: Wir müssen da grundsätzlich ran.
Doch leider gehen die Diskussionen in der Bundesregierung mal wieder in eine andere Richtung. SPD und FDP werfen sich gegenseitig schlechten Stil vor. Ja, es war nicht klug von Lindner, das Ergebnis des Gutachtens in einem Interview anzukündigen. Die Kritik von SPD-Chefin Saskia Esken daran („unanständig“) führt aber auch am Kern der Debatte vorbei. Dieser Kern lautet: Über eine Reform der Schuldenbremse muss verhandelt werden.
Lindner gab sich zuversichtlich, dass die Bundesregierung eine Lösung für die neue Finanzierungslücke findet. Für sein Patentrezept, einfach noch mehr zu sparen, wird er kaum Rückhalt finden: Das Zähneknirschen der Minister*innen war beim jetzigen Etatentwurf schon unüberhörbar. Welcher Trick wohl dieses Mal herhalten muss, um den Augenschein der Spardoktrin zu wahren?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr