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Neuer Agrar-Rat nimmt Arbeit aufEin Plan für die Landwirtschaft

Ein neuer Expertenrat der Bundesregierung erarbeitet Empfehlungen für die Landwirtschaft. Es geht um mehr Umweltschutz und weniger Höfesterben.

Eine Hummel landet auf einer Büschelblume auf dem Blühstreifen eines Weizenfeldes in Hessen Foto: dpa

Berlin taz | Ab Montag arbeitet ein hochrangiges Expertengremium im Auftrag der Bundesregierung an einem Plan für die Landwirtschaft der Zukunft. Etwa 30 Vertreter von Bauern, Lebensmittelwirtschaft, Verbrauchern, Umweltschutz und Wissenschaft sollen empfehlen, wie die Branche umweltfreundlicher und gleichzeitig ökonomisch überlebensfähig werden kann. Das Bundeskabinett nannte in seinem Beschluss zu der „Zukunftskommission Landwirtschaft“ als Ziele zum Beispiel mehr Artenvielfalt, Tier-, Klima- und Umweltschutz. Kanzlerin Angela Merkel wird bei dem Auftakttreffen in ihrem Amtssitz dabei sei.

Wissenschaftler sehen die Agrarbranche als wichtige Ursache dafür, dass immer mehr Tier- und Pflanzenarten aussterben. Potenziell gesundheitsschädliches Nitrat aus Düngern belastet das Grundwasser, aus dem Trinkwasser gewonnen wird. Die Landwirtschaft verursacht dem bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstitut zufolge rund 14 Prozent des Treibhausgasausstoßes in Deutschland. Und die meisten Bürger fordern laut Umfragen strengere Vorschriften für die Tierhaltung.

Gegen schärfere Regeln gingen aber vergangenes Jahr mehrmals Tausende Landwirte der Bewegung „Land schafft Verbindung“ auf die Straße. Sie beklagten, dass mehr Umwelt- und Tierschutz ihre Produktion verteuere und gerade kleinere Betriebe zum Aufgeben zwinge. Merkel veranstaltete daraufhin im Dezember einen „Agrargipfel“ mit Verbänden der Branche. Dort schlug die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) die Zukunftskommission vor, worauf sich die Runde dann auch verständigte.

„Ich schätze die Chancen durchaus als realistisch ein, dass sich die Kommission einigt, weil der Druck sehr, sehr stark ist“, sagt AbL-Geschäftsführer Georg Janßen der taz. In den vergangenen 20 Jahren hätten 160.000 landwirtschaftliche Betriebe schließen müssen. „Viele Kolleginnen und Kollegen stehen nach dem dritten Dürresommer mit dem Rücken zur Wand.“ Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland, ergänzt: „Die gesellschaftliche Akzeptanz der tierquälerischen und umweltzerstörischen Landwirtschaft ist nicht mehr gegeben.“ Deshalb seien auch viele Bauern bereit zu Kompromissen.

Im Herbst erster Bericht erwartet

Dass sich die klassische Agrarlobby bewegt, deutet auch ein neues Strategiepapier der Landwirtschaftsexperten von CDU und CSU an. Darin räumen sie ein, dass die Branche sich verändern muss, um wieder mehrheitsfähig zu werden. Die Unionsparteien sind traditionell sehr eng verbunden mit dem Deutschen Bauernverband, in dem die meisten Landwirte organisiert sind.

Die Kommission soll im Herbst einen ersten Zwischen- und im Sommer 2021 ihren Abschlussbericht vorlegen. Sollte sie sich zu gemeinsamen Empfehlungen durchringen, stünden die Chancen nicht schlecht, dass die Regierung sie umsetzt.

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7 Kommentare

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  • Liebe EVP: Wieder einmal eine schöne Scheindiskussion im Innland führen und dann in Brüssel wieder für Agrarsubviontion überwiegend nach Fläche stimmen? Warum Landwirte Böden mit Gülle aus Gen-Soja (Brasilien) überdüngen und Pestizide einsetzten? Weil die Politik die Weichen die letzten 40 Jahre so gestellt hat. Mercosur lässt grüßen.... Landwirte sind Unternehmer, die meist hohe Summen investieren. Wenn die Politik nicht im Stande ist, verlässliche Strukturen anzubieten, werden sie sich selbstverständlich in halbseidenen Organistationen organisieren und mitreden wollen. Eine Schein-Diskussion auf Bundesebene lenkt genau diese Bewegungen. Die Entscheidungen werden anderswo getroffen...

  • Ich verstehe die Landwirte nicht, die bis heute zusätzlich zu ihren mit Gülle überdüngten toten Böden auch noch für viel Geld Düngemittel kaufen, um damit krankmachende Lebensmittel für den Billigmarkt herzustellen und auch noch das immer weniger werdende kostbare Trinkwasser kontaminieren, wie Bodenproben aus konventioneller Landwirtschaft im Vergleich mit Böden von Biobauern zeigen.

  • Ich denke, dass das Übel an der Wurzel angegangen werden sollte, nämlich an den EU-Agrar-Subventionen. Da gehören andere Kriterien aufgestellt und eine völlig andere Verteilung vorgenommen. Nur dann und mit ihrer Unterstützung kann eine vernünftige und vor allem gesunde Bewirtschaftung einsetzen, die die Existenzen der Landwirten sichert, die Böden gesunden lassen und Grundwasser schonen wird. Sie sind arbeitsintensiver, schaffen aber Arbeitsplätze. Die Lebensmittel werden teurer, weil sie angemessen honoriert werden müssen. Fleisch darf nicht mehr als Billigartikel zu Schleuderpreisen verramscht und zuvor als Lebendware mit unsäglichem tierischem Leid ex- und transportiert werden.In die Preise muss die gesamte Erzeugerkette mitsamt all ihren Nebenwirkungen wie Gülle, Methan, Massentierhaltung, Resistenzen erzeugende Medikamenten Verabreichung und deren fatale Folgen etc., etc. eingepreist werden. Da werden so manchen Verbrauchern die Augen tränen.

    So genau wollen sie es ja gar nicht wissen! Aber genau so müsste so eine Zukunftskommission Landwirtschaft aussehen, wenn sie nicht wieder zu einem folgenlosen Kaffeekränzchen verkommen soll.

  • "Land schafft Verbindung" -- es gibt Graswurzelbewegungen, die sich (auch im übertragenem Sinn) nur auf überdüngten Böden ausbreiten.

    • @tomás zerolo:

      Es ist natürlich eine Frechheit wenn Landwirte, wie Land schafft Verbindung, sich an Diskussionen über ihr Arbeitsfeld beteiligen, und es nicht nur Fachleuten wie ihnen, NGO`s und Parteien überlassen, wie sie zu Arbeiten haben.

      • @Günter Witte:

        "Land schafft Verbindung" ist in erster Line eine Lobbyorganisation der Grossbauern und der industrialisierten Landwirtschaft.

        Und ja, es ist eine Frechheit, wenn sie sich als "die Bauern" darstellen.

      • @Günter Witte:

        ...wenn man so munter wie Sie Groß- und Kleinschreibung durcheinander wirft ist es natürlich schwierig einzuordnen, wer gemeint ist - die Fachleute etc. oder der Kommentator.