Neue internationale Studie: Klima bedroht globale Gesundheit
Wissenschaftler:innen warnen vor weltweit mehr Kranken, Hitzetoten, Hunger und Mangelernährung. Teilweise ist auch Europa betroffen.
Berlin taz | Das Leben wird gefährlicher: Dass die Menschheit seit vielen Jahrzehnten im großen Stil Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre katapultiert, wird immer mehr zum Gesundheitsproblem. Das zeigt der diesjährige Lancet Countdown on Health and Climate Change, ein Bericht internationaler Wissenschaftler:innen. Die regelmäßig erscheinende übergreifende Analyse fasst den Forschungsstand zu den Gesundheitsauswirkungen der Klimakrise zusammen.
Extremwetterereignisse haben danach im vergangenen Jahr auf jedem Kontinent gewütet, also etwa Fluten, Waldbrände oder Hitzewellen. „Extremer Hitze ausgesetzt zu sein, ist mit akuten Nierenproblemen, Hitzeschlägen, Schwangerschaftskomplikationen, Schlafstörungen, Auswirkungen auf die mentale Gesundheit und der Verschärfung von Herz-Kreislauf- sowie Atemwegserkrankungen assoziiert“, heißt es in dem Bericht.
Hitze würde dadurch die Todesfälle hochtreiben, die nicht etwa auf Unfälle und Verletzungen zurückzuführen sind, warnen die Expert:innen. Besonders bis zu einem Jahr alte Babys und ältere Menschen über 65 sind gefährdet. In letzterer Gruppe sei die Zahl der Hitzetode zwischen 2017 und 2021 um 68 Prozent gegenüber dem Zeitraum von 2000 bis 2004 gestiegen.
Erstmals erscheint zusätzlich zum globalen Lancet-Bericht auch eine europäische Ausgabe. Diese identifiziert Hitze als besonderes Risiko für Europa.
Hitze schränkt auch die Produktivität ein
In fast 60 Prozent der untersuchten europäischen Großstädte würden hitzebedingte Krankheiten die öffentlichen Gesundheitsdienste bedrohen. Corona habe zwar bereits gezeigt, dass die Gesundheit der Europäer stärker geschützt werden muss, „aber jetzt sehen wir, dass die zunehmenden gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels die Gesundheitssysteme sowohl kurz- als auch langfristig zusätzlich unter Druck setzen“, sagt Maria Nillson, Vorsitzende des Lancet Countdown in Europa und Professorin für öffentliche Gesundheit an der schwedischen Universität Umeå. „Um eine gesunde und widerstandsfähige Zukunft zu gewährleisten, brauchen wir ökologisch nachhaltige und klimaresistente Gesundheitssysteme.“
Hitzebelastung schränkt dem Bericht zufolge auch die Produktivität ein. Dies habe im vergangenen Jahr weltweit zu 470 Milliarden „verlorenen Arbeitsstunden“ geführt. In „Ländern mit geringem Entwicklungsindex“ würden die damit einhergehenden Einkommensverluste zu 87 Prozent den Agrarsektor treffen.
Das führt auch zu einer weiteren zentralen Warnung der Gesundheitsexpert:innen: Die Klimakrise gefährde die Ernährungssicherheit weiter, unter anderem weil die veränderten Wettermuster die Wachstumsphasen für wichtige Getreide wie Mais und Reis verringern. Insgesamt verschärfe die Klimakrise so Hunger und Mangelernährung.
Leser*innenkommentare
Dietmar Rauter
Wann kommt es eigentlich bei den grünen 'Politikern' an: Kapitalismus und Klimakatastrophe hängen unmittelbar zusammen! Wenn Habeck glaubt, durch weitere Beschaffung von Energie-Rohstoffen irgendwann einmal seine Wahler dazu zu bringen, weniger fossile Energie zu verbrauchen, ist das ein Holzweg. Der Einsatz fossiler Energieträger durch Geschäftemacher ersetzt in letzter Konsequenz menschliche Arbeit und trägt dazu bei, dass das Verteikungssystem Arbeit schaftt Existenz und Teilhabe nicht mehr funktioniert und damit dem System die nötwendige Kaufkraft und damit sein Sinn abhanden kommt. Wenn man das erst einmal verstanden hat, muss es als allererstes darum gehen ALLE GROSSPROJEKTE, ROBOTER, AUTOMATEN sowie CHEMIEKLITSCHEN abzustellen und die nächste Frage schließt sich dann an: Auf welche Segenschaften dieses Kapitalismus müssen wir zugunsten des Klimas verzichten lernen, um überhaupt eine Chance zu haben, ein humanes Weiterleben hinzubekommen: Benzinkarossen, Flugzeuge machen dabei bestimmt nicht (mehr) glücklich, wenn man ernsthaft an einem solidarischen Miteinander interessiert ist. Alles Kopfsache !
Uranus
@Dietmar Rauter Jep, und den Flächenverbrauch reduzieren durch Stopp von Zersiedelung, Industrieerweiterung und Reduzierung von Ressourcenabbau und am bessten Abschaffung der Tierausbeutung. Die freiwerdenden Flächen werden dann großteils von sich aus renaturieren und wichtige CO2-Senken und Lebensraum, können also Klimakrise und Massensterben der Tiere [1,2] abmildern.
Artikel bereits von 2010(!)
[1] taz.de/UN-Bericht-...Vielfalt/!5142895/
und es hat sich am Ausblick nichts verbessert:
[2] taz.de/UNO-Studie-...chkonsum/!5749280/
31841 (Profil gelöscht)
Gast
@Uranus Anpassung der Fleischtierhaltung an ökologosch tragbare Bedingungen und der Fleischkonsum geht zurück. Dabei erschließen sich zunehmend Erfahrungen fleischfreier Ernährungsmöglichkeiten. Das kann zu einer vegetarisch/veganen Ernährungskultur wachsen.
fly
Das Leben wird wieder gefährlicher. Es war halt ein Zeit mit relativ viel Gesundheit und höherer Lebenserwartung.
UN von Heute: "1,5-Grad-Erwärmungslimit mit aktuellen Maßnahmen unerreichbar
Die Erde könnte sich um 2,5 Grad bis Ende des Jahrhunderts erwärmen – ein Grad mehr als im Paris-Abkommen angestrebt. Der Grund: Die aktuell geplanten Emissionsminderungen der Staaten sind mangelhaft. "
Wie wird es dann also Ende des Jahrhunderts aussehen?
Wobei, "470 Milliarden „verlorenen Arbeitsstunden“" - also bei 4,7 Mrd Erwerbstätigen ja 100 Stunden. Da man im globalen Norden mit Klimaanlagen etc weiterarbeiten kann, wären das 200 Stunden, oder ein Monat, für Leute des globalen Südens. Konnte dort wirklich je ein Monat (in Summe) in den letzten Jahren nicht gearbeitet werden?
31841 (Profil gelöscht)
Gast
@fly Was kostet es an Gesundheit unter solchen Bedingungen ("im globalen Süden") zu arbeiten?
A. Winkler
Was die weltweiten Hitzeopfer betrifft, so ist gleichzeitig jedoch auch mit einem allerdings ein Rückgang der weltweiten Kälteopfer als Folge der Erwärmung zu rechnen:
Weltweit gibt es ca. 10 mal so viele Kälteopfer wie Hitzeopfer, wie 'The Lancet' feststellt:
"Globally, 5 083 173 deaths (...) were associated with non-optimal temperatures per year, consisting of 4 594 098 cold-related deaths (...) and 489 075 heat-related deaths"-
www.thelancet.com/...1)00081-4/fulltext
Zunehmende Hitze könnte also u.U. die Anzahl der Kältetoten stärker sinken lassen als sie die Anzahl der Hitzetoten steigen läßt.
Was z.B. Großbritannien betrifft, ist die Anzahl der Kältetoten dort um eine Größenordnung höher als die Zahl der Hitzetoten: 800 Hitzetote und 60500 Kältetote zwischen 2000 und 2019. D. h. das Risiko, an Unterkühlung zu sterben ist 10 mal höher als das Risiko an Hitze zu sterben.
"Each year in England and Wales, there were on average nearly 800 excess deaths associated with heat and over 60,500 associated with cold between 2000 and 2019, according to a new study published in The Lancet Planetary Health." [1]
Der Guardian berichtete vor 2 Jahren von tausenden von Kältetoten wegen 'Energiearmut':
"Thousands of people in the UK are dying from the cold, and fuel poverty is to blame."[2]
Es sollte nicht übersehen werden, daß auch umweltpolitisch induzierte und/oder motivierte Energiepreissteigerungen in bestimmten Bevölkerungsgruppen zu dieser fatalen Energiearmut beitragen können.
[1] https:/www.lshtm.ac.uk/ne...-rates-vary-across
[2] www.theguardian.co...ty-energy-spending
31841 (Profil gelöscht)
Gast
@A. Winkler Eine bedauerliche Einschränkung der Sicht auf die sogen. gemäßigte Klimazone.
Theseus
Kühle kommt dem Leben eher entgegen als Hitze - wen wunderts, dass die Sahara während des Glazials eine grüne, üppige Savanne war !