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Neue WirtschaftsprognoseUnsinniges Schuldentilgen

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Coronakrise ist für Deutschland ökonomisch beherrschbar. Gefährlicher ist die unselige Schuldenbremse, die den Klimaschutz behindert.

Geld ist in Deutschland vorhanden. Aber wofür wird es eingesetzt? Foto: Monika Skolimowska/dpa

A uf den ersten Blick wirken die Konjunkturaussichten nicht besonders erfreulich: Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr um einen Prozentpunkt nach unten korrigiert. Doch das klingt dramatischer, als es ist. Die Volkswirte hegen nämlich keinen Zweifel daran, dass es demnächst steil bergauf gehen wird. Insgesamt sagen sie ein Plus von 3,7 Prozent voraus.

Noch ist Lockdown, aber die Forscher gehen davon aus, dass spätestens im Sommer Läden, Gaststätten und Hotels wieder öffnen können. Sobald aber die Deutschen in die Kneipen stürzen und auf Reisen gehen, entsteht automatisch wieder Wachstum.

Deutschland hat also Glück. Die Coronakrise ist heftig, aber ökonomisch beherrschbar. Das zeigen auch die neuesten Schätzungen für den Staatshaushalt. Die Defizite steigen zwar weiter und dürften 2021 bei minus 159 Milliarden Euro liegen – aber dies entspricht „nur“ 4,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. Ein Staatsbankrott sieht anders aus.

Die Gefahr lauert nicht bei den Schulden – sondern sie liegt darin, dass sich künftige Bundesregierungen darauf versteifen, die Kredite allzu schnell zurückzuzahlen. Denn die unselige „Schuldenbremse“ schreibt vor, dass Kredite wieder abgebaut werden müssen. Also ist momentan der Plan, ab 2026 jedes Jahr 18 Milliarden Euro in die Schuldentilgung zu stecken. Selbst das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hält diesen Spareifer für unsinnig und gefährlich.

Völlig falsche Prioritäten

Es gäbe deutlich bessere Optionen, das Staatsgeld zu investieren – zum Beispiel in den Klimaschutz. Denn Deutschland steckt in einem Dilemma: Einerseits ist Wachstum nötig, damit die Wirtschaft langfristig stabil bleibt, aber gleichzeitig führt genau dieses Wachstum dazu, dass die Emission von Treibhausgasen nicht schnell genug sinkt.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden wird sicher nicht einfach. Es gelingt aber garantiert nicht, wenn der Staat völlig falsche Prioritäten setzt und lieber Schulden tilgt, als in den Klimaschutz zu investieren.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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9 Kommentare

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  • 1. die Schuldenbremse ist notwendig, um weiterhin das Ranking zu haben um niedrige Zinsen für unsere Schulden zu haben.



    2. Klimaschutz kostet nur wenn man in sozialistischen Dimensionen (der Staat muss alles zahlen und Geld verteilen) es würde reichen, einfach die technischen Regelweke anzupassen und den Rest den Ingenieuren und dem Markt zu überlassen.

    • @Münchner:

      Lachhaft. Bislang war schließlich Sozialismus für die größten Unternehmen, zB niedrige Steuern, und Schuldenbremse. Sprich Neoliberalismus. Ergebnis: Gesellschaft und Natur im Eimer.

  • Das bittere Ende kommt noch. Die Pleitewelle ist aufgeschoben und viele, die keine feste Stelle haben, werden noch arg kämpfen müssen.



    Von daher wird eine schnelle Rückzahlung genauso illusorisch sein, wie die Idee, dass Geld für Klimaschutz übrig wäre. Vielmehr müssten für Klimaschutz entweder noch mehr Schulden aufgenommen werden, oder deutlich gespart werden, was die Konjunktur dann wieder bremst, oder die Steuern erhöht werden. Letzteres wäre gut, wenn es die Richtigen treffen würde - das haben aber CDU/CSU, SPD und Grüne bislang immer vermieden. Wenn die Steuererhöhungen in die Breite gehen, wird das wiederum die Konjunktur abwürgen. D.h. es wird ein schwieriger Verteilungskampf werden und nicht die relativ einfache Entscheidung zwischen Schuldentilgung und Klimaschutz.

  • "Noch ist Lockdown, aber die Forscher gehen davon aus, dass spätestens im Sommer Läden, Gaststätten und Hotels wieder öffnen können."

    Wenn die Forsche sich mal nicht irren. Nach 1 Jahr Lockdown ohne ausreichende Kompensation sind die meisten Gastronomien pleite. Das führt zu einer Finanzkrise, und aus ist es mit dem prognostizierten Wachstum. Dank wegfallender Einkomme sinkt die Nachfrage weiter, und wir bleiben in einer Depression.

    Der Rest des Artikels stimmt so.

  • 8G
    80198 (Profil gelöscht)

    Super Frau Herrmann. Danke. Wir sollten und bilden und nicht nur faul auf der Couch streamen. Auto verkaufen, das Geld in eine Solaranlage stecken und Bahn fahren. Das wäre doch mal ein Anfang

    • @80198 (Profil gelöscht):

      Wie soll das auf dem Land funktionieren ohne Auto? Bei uns kommt 3 mal am Tag ein Bus, das war es dann.

  • Glückwunsch, Ulrike Herrmann hat das perpetuum mobile erfunden: Schulden machen! Sollte sie sich patentieren lassen! Öh... perpetuum mobiles sind nicht patentierbar???



    Das Dumme ist, dass Schulden letztendlich immer bezahlt werden müssen. Entweder durch Tilgung oder durch Inflation.



    Klar, Klimaschutz kostet Geld. Solches ist reichlich vorhanden, man muss sich nur die Blase am Aktienmarkt anschauen. Da könnte man z.B. mit einer Finanztransaktionssteuer etwas abzweigen. Aber dazu müsste man sich ja mit dem Finanzkapital anlegen... Lieber dünne Bretter bohren, Schulden machen ist einfacher...

    • @sollndas:

      Stimmt so für einen Staat nicht. Besonders wenn er eine eigene ZentralbanSchuldenkonto bis zum St. Nimmerleinstag vor sich her schiebt, oder ob das Konto einfach gelöscht wird (Abschreibung).

      Jetzt zu einem anderen Punkt. Wenn der Staat mit dem Kredit Leistungen bezahlt, dann hat er nicht nur Schulden, sonden auch Anlgevermögen (siehe Buchhaltung), mit em Vorteil, dass ein ganzer Teil des ausgegebenen Geldes in Form von Steuern zurückkommt. Gleichzeitig vermindert er durch diese Investitionen notwendige Sozialleistungen (Staat kann die arbeitslose Bevölkerung nicht einfach rausschmeissen).

      In so fern ist die Authorin schon auf einem guten Weg.

      • @Martin_25:

        "...oder ob das Konto einfach gelöscht wird (Abschreibung)".



        Bitte weiterdenken. Wenn Kredite nicht getilgt werden, bleibt das Geld im Umlauf -> Inflation. Der Staat ist fein raus, der Staatsbürger nicht.



        "In so fern ist die Authorin schon auf einem guten Weg".



        Auf dem Weg in die Sackgasse.