Neue Richtlinien von Amazon Studios: Ein Möchtegern-Fortschritt
Amazon Studios führt neue Diversity-Richtlinien ein. Sie muten fortschrittlich an, doch eigentlich wird die Schauspielerei damit überflüssig.
Wenn man in Zukunft von Amazon produzierte Serien und Filme anschaut, dann wird man dort besonders „authentische Geschichten“ zu sehen bekommen. Das jedenfalls verspricht Amazon Studios, das sich Mitte Juni neue „Inklusionsrichtlinien“ gegeben hat.
Die sollen nicht nur regeln, wer vor und hinter der Kamera steht (Quoten für Geschlecht und Herkunft), sondern auch, welche Schauspieler:innen welche Rollen spielen dürfen. In den Richtlinien hießt es: „Es sollen nur noch Schauspieler engagiert werden, deren Identität (Geschlecht, Geschlechtsidentität, Nationalität, Ethnizität, sexuelle Orientierung, Behinderung) mit den Figuren, die sie spielen, übereinstimmt.“
Wie soll so etwas überprüft werden? Wird man Nachweise verlangen, die belegen, dass eine Schauspielerin auch wirklich lesbisch ist wie die Rolle, die sie spielen soll? Was ist mit all den ungeouteten Schauspielerinnen? Werden sie auf diese Weise indirekt zum öffentlichen Outing gezwungen, weil sie ansonsten keine Rollen annehmen können, die nicht ihrer Identität entsprechen?
Amazon Studios behauptet, mit den Richtlinien „für Diversität, Inklusion und Gerechtigkeit“ für die eigenen Inhalte einzutreten. Da kümmert sich endlich mal eine Produktionsgesellschaft um all die Unterdrückten. Ganz großes Kino. Doch im Grunde fordern sie die Abschaffung der Schauspielerei.
Keine Ahnung vom Beruf
Wer genau hinsieht, erkennt auch, dass die Verantwortlichen dieser Diversityregeln schlicht keine Ahnung von Schauspielerei haben. Nicht mit der Rolle übereinzustimmen, ist nämlich möglich: Ein Mörder muss nicht von einem Mörder gespielt werden. Eine Mutter kann von einer kinderlosen Schauspielerin verkörpert werden. Und ein homosexueller Schauspieler kann eben auch die Rolle eines Heterosexuellen übernehmen. Das ist Schauspielerei.
In dem Manifest #ActOut, das im Februar von 185 LGBT-Schauspieler:innen veröffentlicht wurde, wird genau mit der von Amazon als Diversityrichtlinie verkauften Annahme aufgeräumt: „Bislang wird behauptet, dass, wenn wir gewisse Facetten unserer Identität, nämlich unsere sexuelle sowie Geschlechtsidentität, offenlegten, wir mit einem Mal bestimmte Figuren und Beziehungen nicht mehr darstellen könnten.“
Das Manifest von #ActOut, war mutig, war progressiv. Die Richtlinien von Amazon Studios hingegen sind ein ärmlicher Versuch, Fortschritt zu demonstrieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann