Neue Richterin am Verfassungsgericht: Die Neue im Zweiten Senat
Die Rechtsprofessorin Astrid Wallrabenstein wird Richterin am Bundesverfassungsgericht. Vorgeschlagen wurde sie von den Grünen.
Bisher sitzt – ebenfalls auf Vorschlag der Grünen – die Rechtsprofessorin Susanne Baer im Ersten Senat. Mit Wallrabenstein konnte die Ökopartei erstmals jemand für den machtbewussten Zweiten Senat nominieren, der unter anderem für die Europapolitik des Verfassungsgerichts zuständig ist. Da die Grünen in Bund und Ländern immer stärker werden, erhielten sie ein zweites Vorschlagsrecht. Das Bundesverfassungsgericht besteht aus zwei Senaten mit je acht RichterInnen.
Die 50-jährige Wallrabenstein ist seit 2010 Rechtsprofessorin in Frankfurt, davor lehrte sie in Bielefeld. Ihr Lehrer war Rechtsprofessor Brun-Otto Bryde, der von 2001 bis 2011 als erster von den Grünen vorgeschlagener Verfassungsrichter in Karlsruhe amtierte. Wie auch Wallrabenstein und Baer war er ebenfalls kein Grünen-Parteimitglied.
Wallrabenstein hat sich früh auf das Staatsangehörigkeitsrecht spezialisiert, auch aus integrationspolitischem Interesse. In einem taz-Interview kritisierte sie, dass immer höhere Anforderungen an eine Einbürgerung gestellt werden. „Die Einbürgerung ist doch kein Wettkampf, an dessen Ende den Besten die deutsche Staatsbürgerschaft wie eine Medaille umgehängt wird.“
Klage gegen AKW-Laufzeitverlängerung
Ihr zweites großes Thema ist das Sozialrecht. So erforschte sie in ihrer Habilitationsschrift das Zusammenspiel von staatlicher Sozialversicherung und privater Absicherung, etwa in der Krankenversicherung. Es ging Ihr dabei weniger um die Unterschiede, sondern ganz pragmatisch um ein möglichst gutes Zusammenspiel der Systeme, geregelt vom Gesetzgeber.
Am Bundesverfassungsgericht trat sie schon in unterschiedlichen Rollen auf. 2005 erstritt sie für die Inhaber von Lebensversicherungen eine angemessene Beteiligung an den Erträgen der Unternehmen. 2009 vertrat sie die Bundesregierung, als die privaten Krankenversicherer – erfolglos – gegen die Einführung eines Basistarifs klagten. 2011 schrieb sie für die Oppositionsparteien SPD und Grüne eine Klage gegen die Laufzeitverlängerung von AKWs – die sich nach Fukushima aber von selbst erledigte.
Wallrabenstein ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ihr Mann hat in der Regel Teilzeit gearbeitet und nachmittags die Kinder betreut. Ihre Vorfahren kommen aus Ungarn und wurden nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben. Zu Hause sprach die Familie regelmäßig ungarisch, sodass Wallrabenstein die Sprache fließend beherrscht. Mit der aktuellen ungarischen Politik unter Viktor Orbán beschäftigt sie sich dennoch ungern: „Das ist mir zu frustrierend.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja