Atomausstieg grundrechtskonform: "Schlechte Aussichten für Betreiber"

Der geplante Atomausstieg verletzt keine Grundrechte der Atom-Konzerne, erklärt Rechtsprofessorin Wallrabenstein. Das wüssten sie auch, ihnen ginge es gar nicht um Entschädigungen.

So schön kann ein abgeschaltetes Akw aussehen. Der "Schnelle Brüter" in Kalkar ging allerdings nie ans Netz. Bild: dpa

taz: Mehrere Atomkonzerne bereiten Verfassungsklagen gegen den geplanten Atomausstieg vor. Haben auch Unternehmen Grundrechte?

Astrid Wallrabenstein: Im Prinzip ja. Das Grundgesetz garantiert auch Unternehmen passende Grundrechte wie das Eigentumsrecht. Allerdings können sich nur private, nicht aber staatliche Akteure auf Grundrechte berufen. Vattenfall, das mittelbar dem schwedischen Staat gehört, dürfte also wohl keine Verfassungsklage erheben können. Auch EnBW gehört indirekt fast vollständig dem Land Baden-Württemberg und oberschwäbischen Landkreisen.

Auf welche Grundrechte können sich die anderen Atomkonzerne RWE und Eon berufen?

ASTRID WALLRABENSTEIN (41) ist Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Frankfurt/Main. Sie hat SPD und Grüne bei deren Klage gegen die Laufzeitverlängerung vertreten.

In der Diskussion sind vor allem das Eigentumsrecht und das Recht auf freie Berufsausübung. Bei beiden Grundrechten käme es letztlich vor allem darauf an, ob der geplante Atomausstieg das Verhältnismäßigkeitsprinzip wahrt.

Und was sagen Sie?

Ich habe keine Bedenken wegen der Verhältnismäßigkeit. Auf der einen Seite steht die Vermeidung gewaltiger Risiken durch die Atomenergie und der Einstieg in eine nachhaltige Energieversorgung. Das sind überragend wichtige Gemeinwohlbelange. Auf der anderen Seite machen die Energiekonzerne geltend, dass sie einen kleinen Teil der ihnen zugestandenen Reststrommengen nicht mehr nutzen oder verkaufen können. Das ist eine sehr begrenzte Beeinträchtigung. Außerdem können sich die Investitionen der Unternehmen auch dann amortisieren, wenn ein AKW nicht ganz 32 Betriebsjahre erreicht. Denn der Gesetzgeber hat hierbei sehr großzügig zugunsten der Betreiber gerechnet und viele Puffer eingebaut.

Im Herbst 2010 wurden die Reststrommengen aber von Schwarz-Gelb deutlich ausgeweitet. Das wird den Konzernen nun alles wieder weggenommen...

Das Gesetz über die Laufzeitverlängerung war verfassungswidrig, unter anderem weil ihm die erforderliche Zustimmung des Bundesrats fehlte. Dadurch konnten keine Rechtspositionen der Betreiber entstehen. Im übrigen schützt das Grundgesetz keine bloßen Gewinnaussichten.

Rot-grüne Atomexperten rügen Merkels Gesetz, weil der Atomausstieg darin schlecht begründet werde. Entstehen so unnötige Prozessrisiken?

Für die öffentliche und parlamentarische Debatte wäre es natürlich besser, die Schwachstellen der deutschen AKWs – zum Beispiel der fehlende Schutz gegen Flugzeugabstürze, die ungeklärte Atommüllentsorgung – würden deutlich benannt. Aber eine dünne Begründung macht ein Gesetz nicht verfassungswidrig. Entscheidend ist, dass dann vor dem Bundesverfassungsgericht gute Argumente für den Atomausstieg vorgetragen werden können. Und daran besteht kein Zweifel.

RWE kritisiert, dass die baugleichen Blöcke Gundremmingen B und C verschieden lange laufen sollen. Ist das willkürlich und damit verfassungswidrig?

Nein, denn es gibt ja einen sachlichen Grund für die gestaffelten Laufzeiten: Energiewirtschaftlich ist der Übergang einfach leichter zu gestalten, wenn nicht alle AKWs gleichzeitig vom Netz gehen.

Warum bereiten die Konzerne mit so viel Aufwand Verfassungsklagen vor, wenn sie doch – nach Ihrer Ansicht – keine Chance haben?

Ich glaube, den Unternehmen geht es weniger um einen Stopp des Atomausstiegs und nicht einmal so sehr um Entschädigungen. Dass die Aussichten hierfür schlecht sind, wissen auch die AKW-Betreiber. Ich vermute vielmehr, dass die Firmen den Moment hinausschieben wollen, an dem sie rechtlich verpflichtet sind, ihre AKWs rückzubauen. Denn dann müssten sie die milliardenschweren Rückstellungen auflösen, mit denen sie derzeit noch gute Geschäfte machen können.

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