Neue Regierung in Österreich: Grünes Licht für Türkisgrün

Am Koalitionsvertrag mit der ÖVP gab es viel Kritik. Doch beim Bundeskongress der Grünen stimmen über 90 Prozent der Delegierten dafür.

Redner im kurzärmeligen Hemd vor einer grünen Wand

Überzeugend: Parteichef Werner Kogler begeistert die Basis beim Bundeskongress in Salzburg. Foto: dpa

WIEN taz | Ein deutliches Mandat für sein Koalitionsabkommen mit der konservativen ÖVP hat Österreichs Grünen-Chef Werner Kogler Samstag nachmittag in Salzburg vom Grünen Bundeskongress bekommen. 246 der 264 stimmberechtigten Delegierten gaben trotz aller Vorbehalte gegen Teile des Pakts ein positives Votum ab. Das entspricht 93,18 Prozent. Fast das „nordkoreanische Ergebnis“, das Kogler explizit nicht erwartet hatte. Einer Vereidigung der ersten österreichischen Bundesregierung mit grüner Beteiligung am kommenden Dienstag steht also nichts mehr im Wege.

In einer leidenschaftlichen Rede von mehr als einer Stunde hatte Kogler gute Stimmung gemacht und den Grundstein für diese hohe Zustimmung gelegt: „Das, was wir hier leisten wollen, ist ein Risiko, aber es ist das, was man Pionierarbeit nennt.“ Mit Blick nach Berlin und Brüssel, wo diese Koalition nicht nur begrüßt, sondern als mögliches Modell für künftige Regierungen gesehen wird, klang es nicht wie Hochstapelei, wenn er verkündete: „Das, was wir hier tun, ist von europäischer Bedeutung.“

„Der rassistische und ausgrenzende Kurs im Bereich Migration geht weiter, die autoritäre Wende schreitet in vielen Bereichen voran – und bekommt im Bereich Klima und Umwelt einen grünen Anstrich“. Diese These wird von einer Gruppe junger Grüner vertreten, die vor fast drei Jahren aus der Partei ausgeschlossen wurden, daher den Bundeskongress nur aus der Ferne zu beeinflussen versuchten. Sie erkennen „ein Regierungsprogramm, welches die Industriellenvereinigung lobt, Liberale auf der ganzen Welt zum Jubeln bringt – und von zivilgesellschaftlichen Organisationen herbe Kritik einstecken muss“.

Auch die in Salzburg vertretenen Jungen Grünen sehen „ein neoliberales Regierungsprogramm“. Der ÖVP-Chef und künftige Kanzler Sebastian Kurz sei „ein autoritärer Schwindler“, dem man nicht über den Weg trauen dürfe. Eine Delegierte: „Es reicht nicht aus, dass wir die FPÖ verhindert haben. Wenn das größte Argument ist, dass keine rechtsextreme Partei regiert, dann sieht man, wie weit wir gekommen sind. Wir brauchen linke Mehrheiten.“

Das Wirken der FPÖ entschärft

Von linken Mehrheiten ist Österreich allerdings meilenweit entfernt. Deswegen grenzt es an Heroismus, wie die Verhandler das rechte Migrations- und Sicherheitsprogramm aus Kurzens Wirken mit der FPÖ entschärft haben. Auch die Voraussetzungen für die viel diskutierte „Sicherungsverwahrung“ für potentielle Gefährder, sind so formuliert, dass es sie wahrscheinlich nie geben wird. Denn für eine Verfassungsänderung, die das erlauben würde, stehen die Grünen nicht zur Verfügung.

Den Delegierten, die in der Generaldebatte am Samstag die Defizite im 326 Seiten starken Koalitionspapier kritisierten, rief der künftige Sozialminister Rudi Anschober in Erinnerung: „Wir haben 30 Grauslichkeiten aus diesem Programm herausverhandelt“. Leonore Gewessler, die ein Super-Umwelt- und Infrastrukturministerium übernehmen wird, forderte Mut für die Regierungsbeteiligung ein. Man könne das gesamte Projekt nur gemeinsam stemmen.

Der grüne Bundeskongress, der mindestens einmal im Jahr zusammentreten muss, ist laut Statuten das „höchste entscheidungs- und willensbildende Organ der Bundespartei“. Es repräsentiert nicht die Basis, sondern setzt sich aus Funktionären der Länder und verschiedenen Gremien zusammen. Man kann also damit rechnen, dass aus den Basisorganisationen noch sehr viel mehr Kritik zu hören sein wird. Zunächst hat Werner Kogler mit seinem Team aber grünes Licht für seine „Pionierarbeit“.

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