Neue Militärhilfe: USA liefert Ukraine Uranmunition
Sie ist Teil eines 175-Millionen-Dollar-Rüstungspakets. Über die Gefährlichkeit der Munition gibt es unterschiedliche Meinungen.
taz | US-Außenminister Antony Blinken und sein ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba sitzen in einem Kyjiwer McDonalds und essen Pommes. So geschehen am Mittwoch während eines Überraschungsbesuchs Blinkens in der ukrainischen Hauptstadt. Die ungewöhnliche PR-Aktion soll wohl die freundschaftliche Zusammenarbeit der Ukraine und der USA symbolisieren, insbesondere deren Beständigkeit im Modus „as long as it takes“, schließlich ist die US-Fastfoodkette im vergangenen Jahr wieder in die Hauptstadt zurückkehrt – könnte aber auch von einer heiklen Waffenlieferung ablenken.
Die USA haben der Ukraine ein umfassendes neues Rüstungspaket in Höhe von rund 175 Millionen US-Dollar zugesagt. Dazu zählt Ausrüstung zur Unterstützung der ukrainischen Luftverteidigung, Munition für die Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars und Artilleriemunition, aber auch sogenannte Uranmunition. Das umstrittene Kriegsgerät, im Fachjargon auch DU-Munition (kurz für depleted uranium) genannt, wird als panzerbrechende Munition gehandelt, die eine besonders hohe Durchschlagskraft haben soll.
In den Projektilen ist abgereichertes Uran enthalten, quasi eine Art Abfallprodukt, das bei der eigentlichen Urananreicherung für den Einsatz in Atomkraftwerken oder für die Produktion von Atomwaffen entsteht. Im Vergleich zu Stahl oder Blei hat das Material eine höhere Dichte und sorgt somit dafür, dass auch härteres Gerät, wie etwa Panzer oder Bunkerbauten, zerstört werden können. Vorgesehen ist die Uranmunition für Panzer vom Typ Abrams, die die USA der Ukraine bereits Anfang des Jahres zugesagt haben. 31 Stück davon sollen bis zum Herbst geliefert werden.
Nach internationalem Recht ist der Einsatz der sogenannten DU-Munition nicht verboten – aber höchst umstritten. Das abgereicherte Uran gilt als rund 60 Prozent weniger radioaktiv als Uran im Urzustand, ist aber dennoch giftig und schädigend für Mensch und Natur.
Bundesregierung sieht keine Gefahr
Wie erwartet, verurteilte der Kreml die geplante US-Lieferung von Uranmunition an die Ukraine. Und wies dabei auf die erhöhte Gefahr von Krebserkrankungen und anderen tödlichen Leiden hin. Grundlage für die Kritik Russlands seien Daten, die angeblich nach der Bombardierung Ex-Jugoslawiens erhoben wurden. Die umstrittene Munition kam in der Vergangenheit bereits im Kosovo, in Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Irak und Kuwait zum Einsatz.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Ukraine Uranmunition erhält. Bereits im Frühjahr sagte Großbritannien zu, der Ukraine im Kampf gegen Russland panzerbrechende Ausrüstung zu liefern. Auch damals hatte der Kreml protestiert, und der russische Präsident Putin drohte daraufhin, die eigenen Streitkräfte ebenfalls mit dieser Munition auszustatten. Anlässlich einer Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion im Bundestag, die das sogenannte abgereicherte Uran mit dem russischen Narrativ einer „nuklearen Komponente“ in Verbindung brachte, wies die Bundesregierung diese Deutung scharf zurück – und zog die Einschätzungen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) heran.
Beide Organisationen hatten untersucht, wie es um die Umweltkontamination sowie die potentielle Strahlenexposition der Bevölkerung in den Gebieten steht, in denen die Munition eingesetzt wurde. „Die gemessenen Umweltkontaminationen waren im Hinblick auf die damit verbundene Radioaktivität gering“, heißt es dort. Dementsprechend seien laut den beiden internationalen Organisationen keine signifikanten Strahlenexpositionen der Bevölkerung zu erwarten. Allerdings müssten bei der Räumung der betroffenen Gebiete oder auch bei der Entsorgung der Munition oder des Geräts besondere Maßnahmen getroffen werden.
Zu einer anderen Einschätzung kommt die ärztliche Friedensorganisation IPPNW – und sieht durchaus langfristige Umwelt- und Gesundheitsschäden. Der Einsatz dieser Munition führe zu toxischen und radiologischen Langzeitschäden. Konkret heißt dies Krebserkrankungen wie Knochentumore oder Leukämie. Die IPPNW fordert daher eine internationale Ächtung des Einsatzes von Uranmunition in allen Staaten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland