Neue Handicap-Berechnung im Golf: Absurde Arithmetik

Die neuen Handicap-Berechnungsregeln zeigen, wie absurd kompliziert eine banale Runde Golf werden kann.

Golfplatz mit angelegtem Teich aus der Vogelperspektive

Ballgieriger See: Bei der neuen Stärkeberechnung der Golfspieler wird auch das berücksichtigt Foto: Future Image/imago

Die Hobbygolfszene ist einigermaßen in Aufruhr, manche Spieler sind es sogar einigermaßen sehr. Denn im Januar startet das neue World Handicap System. Und viele sind seit Monaten ganz aufgeregt, was das für sie bedeutet. Das Handicap (Spielvorgabe) drückt die Spielstärke eines Golfers aus – je kleiner, je besser. Neulinge haben zum Beispiel üblicherweise Handicap 54. Heißt: Sie brauchen im Schnitt 54 Schläge mehr auf einer Runde als Par. Diese Professional Average Rate ist das theoretisch durchschnittliche Profi-Ergebnis. Die meisten 18-Loch-Plätze haben ein Par von 72.

Spielt man ein gutes Turnier, wandert das Handicap nach unten. Das ist von großer Wichtigkeit für GolferIns Ego. „Ich habe mich dieses Jahr von 28 auf 23,7 verbessert..., aber die Nerea hat jetzt schon 19,2 …, Jens hat wohl bei 11 seine Grenze erreicht …, ach der Jens, so wie der schwingt...“

Das Handicap sorgt für faire Vergleichbarkeit. Wenn ich mit Handicap 29 gegen Tiger Woods spielte (der rechnerisch etwa +7 haben dürfte – Profis haben offiziell keines), bekäme ich 36 Schläge Vorsprung, also pro Spielbahn 2. Locht er eine Bahn mit 4 ein und ich mit 6, sind wir gleich. Da wollen wir doch mal sehen, was am Ende herauskommt, Tiger!

Bislang gab es weltweit sechs komplexe Berechnungsmethoden. Die werden nun vereinheitlicht. Bislang gab es, nach einem speziellen Umrechnungssystem, bei einer guten Runde einen Abzug, etwa 0,9 oder nur 0,2. „Hab mich verbessert“, heißt das. Spieler mit höherem Handicap konnten dabei größere Sprünge machen als gute – die einen kriegten also Anreize, sich schnell zu verbessern; wer bei einstelligem Handicap war, schaffte nur kleine Schritte. Auch das fair und reizvoll. Für alle galt: Spielte man schlecht, gab es pauschal 0,1 dazu – ärgerlich, aber verkraftbar.

Mit einem guten Spiel sich verschlechtern

Nun aber wird Fairness komplizierter denn je ausgerechnet. Die Formel: (Spielergebnis – Platzvorgabe) x 113/Slope des Platzes = Handicap-Indexwert. Alles klar? Natürlich nicht.

Platzvorgabe (zum Beispiel 72,9) und Slope (zum Beispiel 132) sind spezifische Kenngrößen für jeden Golfplatz, die eine wichtige Kommission einmal festgelegt hat. Platz X kann schwer sein (sehr eng, hügelig, viele ballgierige Seen: Slope 140), Platz Y sehr einfach (Slope 115). 90 Schläge auf Platz X können für das Handicap also besser sein als 86 auf Platz Y.

Gewertet für den neuen Handicap-Index wird nicht mehr nur das Tagesergebnis, sondern stets der Durchschnitt aus den besten 8 der letzten 20 Turniere. Es kann sein, dass mein 20.-letztes Turnier ein traumhaft gutes war, nach einer neuen passabel guten Runde wird das 20. zum 21. und fällt raus. Die Folge: Gut gespielt, aber ich verschlechtere mich trotzdem. Das ist die neue Maximalgerechtigkeit.

Die vertrackte neue Arithmetik verstehen auch erfahrene Spieler noch nicht recht („Also, wenn jetzt … und dann …?“) und klicken sich durch komplizierte Online-Erklärungen. Manchen wie mir, hatte ich grob herumgerechnet, droht wegen zuletzt vieler mieser Ergebnisse ein Absturz, sozusagen auf einen Schlag. Ich befürchtete, von Handicap 15,5 bei 17 oder sogar 18 zu landen. Welche Schmach!

Es wurden dann nur 16,4. Reicht aber auch so: Wenn ich bei Gelegenheit mal gegen Tiger Woods spiele, wird der Sieg einfacher als vorher.

Aus Golfers ABC der Vorurteile, heute O wie Ochsentour: „Golf ist doch kein Sport, das bisschen Wandern mit Bälle schubsen...“ Wahr ist: Bei einer Runde geht man etwa 15.000 Schritte. Ironman-Turniere gehen über drei Runden am Tag. Eine wahre Ochsentour muss das 100-Loch-Turnier in Falkenstein bei Hamburg sein. 100 Loch, etwa 60 Kilometer in 18 Stunden – von wegen ein bisschen Bälle spazieren führen!

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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