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Neue Gefechte in der OstukraineLauter Brandstifter

Kommentar von Barbara Oertel

Der Konflikt zwischen Kiew und Moskau eskaliert mal wieder. Dabei gibt es nicht nur einen Schuldigen. Auch der Westen macht keine gute Figur.

Die Zeichen stehen auf Gewalt: ukrainischen Streitkräfte nahe Donezk am Dienstag Foto: Serhiy Takhmazov/reuters

R uhe an der Front? Von wegen. In der Ostukraine stehen die Zeichen wieder auf Krieg. Nach Gefechten zwischen ukrainischen Soldaten und prorussischen Kämpfern in den vergangenen Tagen sind wieder Tote zu beklagen.

Wie immer beschuldigen sich beide Seiten gegenseitig, die Waffenruhe vom Juli 2020 sowie das Minsker Abkommen von 2015 gebrochen zu haben. Russland zieht Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammen, die, so der Kreml, niemanden bedrohten.

Gleichzeitig lässt Moskau in den Gebieten Donezk und Lugansk russische Pässe verteilen. Der Informationskrieg läuft ebenfalls wieder auf Hochtouren. So verbreiten russische Medien die Nachricht, ukrainische Militärs hätten im Donezker Gebiet einen fünfjährigen Jungen getötet. Über die tieferen Motive von Russlands Präsidenten Wladimir Putin kann man nur spekulieren. Unstrittig ist, dass derlei Säbelrasseln ein taugliches Mittel ist, um von innenpolitischen Problemen abzulenken.

Aber auch der ukrainische Präsident Wolodymir Selenski trägt eine Mitschuld an den jüngsten Entwicklungen. Er lässt keine Gelegenheit aus, um der russischen Seite Nadelstiche zu verpassen. So ließ er nicht nur drei prorussische Fernsehsender schließen, sondern auch den Oligarchen Wiktor Medwetschuk, einen Putin-Freund, mit Sanktionen belegen.

Dabei sollte Selenski sich lieber um Corona kümmern. Die Infektionszahlen explodieren. Schon denkt der Kiewer Bürgermeister Witali Klitschko daran, in der Hauptstadt eine Ausgangssperre zu verhängen.

Und der Westen? Die Nato zeigt sich besorgt. Gleichzeitig gibt deren Vertreter in Kiew zu Protokoll, die Ukraine solle sich auf eine Mitgliedschaft vorbereiten, aber vorher Reformen durchführen. Das ist ein Witz. Das westliche Verteidigungsbündnis wird für Selenski keinen Finger krumm machen.

Dem Irrglauben, das könne anders sein, hing auch Georgiens Ex-Staatschef Michail Saakaschwili an, bevor er sich 2008 in den Krieg gegen Russland um Südossetien stürzte. Genau deshalb müssen solche Einlassungen als das bezeichnet werden, was sie sind: verantwortungslos und brandgefährlich.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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28 Kommentare

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  • Saakhasvili ist immer noch auf freiem Fuß? Solange er nicht Putin erlegt hat, bleibt dieser Mann ein Terrorist. Vielleicht sollte Kyiv mal mit den Ostukrainern, bzw. Russen innerhalb der Grenzen der Ukraine, reden. Leider macht die Ukraine seit 2015 dabei keinerlei Fortschritte.

  • Recht kontroverser Kommentar, den russisch provozierten Krieg vergessen und sich erstmal um Corona kümmern.



    Es wird schwierig sich um Corona zu kümmern wenn erneut offener Krieg ausbricht, Schritte der ukrainischen Regierung gegen pro russische Bewegung sind verständlich. Wenigstens einer der versucht Putin Einhalt zu gebieten

  • Aaaahja. Russland zieht Truppen an der ukrainischen Grenze zusammen (was die Autorin offenbar "vergessen" hat), und Selensky soll sich "lieber um Corona kümmern". Na, das ist ja wirklich ein großartiger Rat.

  • "Dabei sollte Selenski sich lieber um Corona kümmern."

    1) Reiner Whatabouism. Kann ich auch: Putin sollte sich mal besser um Corona kümmern. Die Übersterblichkeit in Russland lag 2020 bei 360.000, das ist das 7fache der offiziellen Corona-Opfer-Statistik.

    2) Versuche ich das "Argument" trotzdem ernstzunehmen, und widerspreche: Die Abwehr einer militärischen Agression seitens eines feinseligen, totalitären Nachbarstaates halte ich für wichtiger als die Pandemie-Bekämpfung.

    Was hier als Nadelstiche Zelenskys bezeichnet wird: Wieso soll die Ukraine auf ihrem Territorium die Propaganda des Aggressors dulden?

    Putin hat ein großes Problem, was er allein nicht lösen kann. Das ist die Wasserversorgung der Krim. Eigentlich müssten die Russen seit mindestens zwei Jahren kleine Btrötchen backen und auf die Ukrainer zu gehen. Stattdessen (die große Trockenheit geht ins vierte Jahr) redet die Propaganda das Problem weg, und die Krim steuert auf eine humanitäre Katastrophe mit Ansage zu. Und Putin zündelt und kokettiert mit einem Krieg, den er sich nicht leisten kann, weder innen- noch außenpolitisch. Und auch nicht militärisch. Militärisch leisten kann er sich allenfalls, "Friedensstifter" in die Republiken Donezk und Lughansk zu schicken. Dann ändert sich am Frontverlauf nichts, es gibt nur neue Sanktionen für Russland.

    Wenn er tatsächlich den Krieg anfängt, der für eine militärische Lösung nötig wäre - eine Eroberung der Ukraine bis an den Dnepr, umd den Nord-Krimkanal unter Kontrolle zu bringen, ist das das Ende des Putinismus. Nicht auszuschließen, dass es dazu kommt, es wäre nicht das erste Mal, das ein realitätsblinder Kriegsherr untergeht und viele Unschuldige mitnimmt.

    @Francesco: Das mit den "Rechten der Russen" ist eine der erfolgreichsten Fabeln der Putinschen Propaganda. All diese "eingefrorenen Konflikte" die bei Bedarf hochgeköchelt werden, haben mit verletzten "Rechten von Russen" nichts zu tun. Zuhaus verletzt Putin jeden Tag die Rechte seiner Bürger.

    • @Barbara Falk:

      Wäre es denn nicht sinnvoll, dass auch die ukrainische Führung sich über administrative Sonderregelungen für die mehrheitlich von Russen bewohnten Gebiete in der Ostukraine Gedanken machen und eine einvernehmliche Lösung mit Russland in dieser Frage anstreben würde ... Ihr Argument mit der Wasserversorgung der Krim kann ich nachvollziehen (immerhin geht es wohl nicht mehr darum, dass die Krim nicht russisches Territorium sei, auch ein Fortschritt!), aber glauben Sie denn allen Ernstes, ein militärischer Konflikt um den Donbas würde der Ukraine nützen? Im Zweifelsfall gäbe es nur Verlierer.



      Und ist es nicht die Aufgabe der EU, beide Seiten zur Mäßigung aufzurufen statt mit einseitiger Parteinahme noch Öl ins Feuer zu gießen?



      Ich hoffe doch stark, Sie bezeichnen mich nicht als Propagandist Putins, nur weil ich für Neutralität des Westens und eine friedliche Konfliktlösung eintrete ... dafür sind auf beiden Seiten in diesem nichterklärtem Krieg leider schon zu viele Menschen gestorben.

      • @Abdurchdiemitte:

        So ganz kann ich ihre Rückfragen/Gegenargumente nicht nachvollziehen.

        Natürlich nützen der Ukraine militärische Konflikt nicht. Drum hat sie ja noch nie welche angefangen.

        Um meinen Standpunkt zu verdeutlichen:

        Die Krim ist nicht russisch, sondern von Russland annektiertes Gebiet. Russland als militärischer Besatzer ist völkerrechtlich für die Sicherheit und Versorgung der dort ansässigen Zivilbevölkerung verantwortlich. Der Zivilbevölkerung in einem militärischen Konflikt Grundbedürfnisse vorzuenthalten, ist ein Kriegsverbrechen. Wenn eine Kriegspartei die Zivilbevölkerung der Gegenpartei nicht aus eigenen Kräften versorgen kann, muss sie sich an die UNO oder an das Internationale Rote Kreuz wenden, oder eben mit dem Konfliktgegner in Verhandlungen eintreten. Noch reicht das Trinkwasser aus, aber allein die fortschreitende Schädigung der Landwirtschaft und Industrie, weil das Brauchwasser fehlt, ist schon ein Kriegsverbrechen (=Schädigung der Lebensgrundlagen der Zivilbevölkerung) zu qualifizieren.

        Wenn man den völkerrechtlichen "Minderheitsstandpunkt" einimmt (den neben Russland selbst Vanuatu, Nicaragua, und drei vier andere Staaten vertreten), ist der Sachverhalt noch einfacher. (das ist jetzt ein fiktiver Standpunkt, den ich nicht teile). Dann ist die Krim Teil der russischen Föderation. Die Frage lautet dann: Was hat die Ukraine mit der Wasserversorgung in Russland zu tun? Und die Antwort lautet: Nichts.

        Und weil sie Verhandlungen und gütliche Einigung vorschlagen. Dazu müssten die Russen zumindest mal anklopfen und FRAGEN. "Hallo, wir haben ein Problem". Tun sie aber nicht. Während in der Ukraine selbst die Frage, ob und unter welchen Umständen man den Nordkrimkanal wieder öffnen sollte, um der EIGENEN (!) Bevölkerung zu helfen, seit langem offen und sehr kontrovers diskutiert wird.

        Russland tut nichts, außer ein Wolkenkuckucksprojekt nach dem anderen für eine "Wasserautonomie" zu generieren und propagandistisch Täter-Opfer-Umkehr zu betreiben.

        • @Barbara Falk:

          Aber Sie wissen auch, dass die neuen Nationalstaaten, die aus der UdSSR bzw. der GUS hervorgegangen sind, Schöpfungen der teils absurden stalinistischen Nationalitätenpolitik sind, die Ukrainische SSR genau so wie eine ASSR der Wolgadeutschen oder die Autonome Jüdische Republik Birobidschan in der fernöstlichen Amur-Region ... im Gegensatz zur Ukraine existieren nur letztere beiden aus bekannten Gründen nicht mehr.



          Selbst wenn wir eine vom russischen “Mutterland” historisch, ethnisch und kulturell distinkte Entwicklung der Ukraine annehmen, so doch nur, weil die westliche Ukraine über Jahrhunderte religiös-kulturell zum katholischen polnisch-litauischem Staatsverbund zählte, während die “linksufrige” Ukraine vom orthodoxen Russland aus besiedelt wurde ... diese unterschiedlichen historischen Zugehörigkeiten bestimmen ja aktuell noch einen Teil des Konflikts.



          Und weshalb sollte die Krim nicht russisch sein, wird sie doch mehrheitlich von Russen bewohnt ... schließlich sind es die Ukrainer, die auf ethnische und politische Unterscheidung bestehen?



          Die Anwesenheit der muslimischen Krimtataren, immerhin zehn Prozent der Bevölkerung der Halbinsel, kann ja auch nicht ernsthaft das Argument rechtfertigen, die Krim gehöre völkerrechtlich zur Türkei, obwohl es historisch auch gute Gründe für eine solche Annahme gäbe, waren die krimtatarischen Khane doch nominell bis 1783 Vasallen der osmanischen Sultane (ich möchte Herrn Erdogan da bloß nicht auf falsche Gedanken bringen!).



          In Estland stellen Russen fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung, dennoch käme niemand auf die Idee - selbst die russischen Nationalisten nicht - einen Anschluss dieses Landes an Russland zu fordern ... was angesichts der ökonomischen Prosperität Estlands auch ziemlich dämlich wäre.



          Langer Rede kurzer Sinn: man kann eine Sache immer von sehr verschiedenen Seiten aus betrachten.

          • @Abdurchdiemitte:

            1) "In Estland käme niemand auf die Idee..."

            Meinen Sie, das sei nur in Estland so? Dann machen Sie doch mal eine Umfrage in Charkiw oder Odesa und fragen die überwiegend russischsprachigen Ukrainer dort, ob sie "Heim ins Reich" wollen.

            "Und weshalb sollte die Krim nicht russisch sein, wird sie doch mehrheitlich von Russen bewohnt"?

            Die Krim war bis zu ihrer Besatzung 2014 überwiegend von russischsprachigen Ukrainern bewohnt, die beim gesamtukrainischen Referendum 1991, zusammen mit ihren tatarischen und ukrainischen Mitbürgern, zu 54% folgende Frage mit "Ja" beantwortet haben: " Unterstützen Sie die Unabhängigkeitserklärung der Ukraine?". Also ist ihre Frage völkerrechtlich geklärt: Die Krim ist deshalb nicht russisch, weil die Einwohner sich in einem international, auch von Russland anerkannten, Referendum mehrheitlich dafür ausgesprochen haben, Teil der unabhängigen Ukraine zu werden.

            Putin hat die Ukraine 2014 nicht wegen "kultureller Konflikten" angegriffen, sondern um zu verhindern, dass sich dieses Land mit seinen großen russischsprachigen Bevölkerungsteilen auf den Weg nach Europa macht und dabei Erfolg hat.

  • Hört damit auf die Ukraine für den Kampf zu bewaffnen. Dann könnte man auch einen diplomatischen Erfolg verbuchen. Parallelen zu Georgien: Der verrückte Sakhasvili wollte die USA und die EU mit reinziehen. Zum Glück hat Bush jr. da nicht mitgemacht.

    • @Kappert Joachim:

      Bush war noch kurz vorher für eine NATO-Mitgliedschaft sowohl Georgiens als auch der Ukraine eingetreten.



      Verhindert hat das (zum Glück) unter anderem Angela Merkel, die etwas mehr außenpolitisches Geschik aufwies.

      Unter anderem diese Versuche haben auch zu Putins Beleidigtsein und Geltungsdrang in Bezug auf "Den Westen" beigetragen.

    • @Kappert Joachim:

      Wann hat Putin das letzte mal Konflikte diplomatisch beigelegt?

      Putin brauch Nationalismus, Krieg, Machotum und Eroberungen. Mit Diplomatie kann er sich im inneren nicht an der Macht halten.

      • @Rudolf Fissner:

        Mit der Türkei. Nachdem Ankara den russischen Militärflugzeug abgeschossen hat. Hätten Kuba, Venezuela, Iran oder Syrien einen US Flugzeug abgeschossen, dann...

        • @Bescheidener Kunsthandwerker:

          So so, vor sieben Jahren gabes also das letzte mal Diplomatie seiten Putin. Das hat ja schon fast biblisches Ausmaß 🤣

  • Aha, Saakaschwili hat sich "in einen Krieg gestürzt". Das ist ja mal eine originelle Lesart der Ereignisse. Ein oder zwei Jahre lang vor dem Krieg hat Putin Gleisanlagen bauen lassen als Vorbereitung auf den Krieg. Georgische Dörfer wurden tagelang von Zhinwali aus mit Granaten beschossen. Irgendwann hat Saakaschiwli zurückgeschossen. Russische Kolonnen standen vor dem Roki-Tunnel, bereit zum Einmarsch. Saakaschwili hat den Tunnel dichtgemacht. Putin hat ganz genau den Eröffungstag der Olympiade gewählt, weil die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit der Olympiade galt. Es ging Putin darum, Georgien territorial zu amputieren. Ungelöste Territorialfragen machen Nato-Mitgliedschaft unmöglich. Putin wollte diesen Krieg um jeden Preis, ganz egal wie Saakaschwili reagiert hätte. Bedauerlich, dass die taz mittlerweile Mumpitz ventiliert, wie man ihn von Junge Welt und Freitag kennt.

  • Interessanter Kommentar, frage mich aber nur, was damit ausgesagt werden soll...



    - wer Russland im eigenen Land Nadelstiche verpasst, soll sich nicht wundern, wenn an der Grenze russische Truppen mobilisiert werden (Balten horcht auf!)



    - NATO soll nur diplomatisch unterstützen, wenn sie bereit ist, auch militärisch einzugreifen, sonst denkt Ukraine noch, sie wäre berechtigt, sich gegen eine russische Invasion zu verteidigen.



    - Anscheinend gibt es Belege von Toten unter den (pro-)russischen Kämpfern in der Ostukraine, auch von dem Toten 5Jährigen vielleicht auch. Gibt es dafür unabhängige Quellen? Die OSCE Monitoring Mission an der Front hat davon nichts berichtet.



    - Corona ist tatsächlich ein Problem und Ukraine war es endlich möglich, Impfstoffe zu kaufen, nachdem der Westen den Markt leergeräumt hat.

    Und am Ende des Kommentars wieder mal ein Fazit im Sinne: wer den russischen Bären reizt, ist selber schuld, wenn dieser einen Angriffskrieg führt.

    Da ich neulich diesen interessanten Artikel in der Taz gelesen habe (



    taz.de/Antislawisc...schland/!5758259/), frage ich mich, was die Sichtweise vieler deutschen "Linken" auf die Völker zwischen Deutschland und Russland prägt...

  • @SHARP, @FRANZ FREUNDLICH:

    Muss es doch schön sein, ein einfaches Weltbild zu haben.

    Dass Putin [1] ein rücksichtsloser Machtmensch ist und eine zynische Geopolitik fährt dürfte ausser Frage stehen. Ich kann aber auch nicht die Spur eines Zweifels daran im Artikel erkennen.

    Dass es in der Ukraine weit finsterere Kräfte [2] gibt, als "die Bürger [die] eine Annäherung an den Westen [...] wollten" steht auch fest. Und dass EU und NATO blind bis opportunistisch sich dieser Kräfte eben auch bedienen, wenn's der Strategie hilft.

    Wenn wir den Teil nicht erkennen (und versuchen, daran etwas zu verbessern), dann sind wir kein Deut besser als "Putin" [3].

    [1] Ich sage mal "Putin", aber er alleine ist es nicht, der braucht (und hat!) einen Mindestrückhalt dafür!

    [2] taz.de/Nationalism...-Ukraine/!5721382/

    [3] Wieder im ungefähr kollektiven Sinne gemeint.

    • @tomás zerolo:

      Ja, es ist nicht zu übersehen, dass die Kriegsbereitschaft auf beiden Seiten geschürt wird ... es wäre dementsprechend ein falsches politisches Signal, der Ukraine seitens der NATO und der EU unbedingte Unterstützung in der Verfolgung ihrer Ambitionen zuzusichern.



      Das wäre nicht fair und ehrlich, denn die westeuropäischen Interessen decken sich in dieser Frage nicht mit denen der osteuropäischen Anrainerstaaten Russlands ... ein außenpolitisches Thema, das uns noch weit über Putin hinaus beschäftigen wird und das in der EU endlich auf die Agenda muss.



      Für den Donbas bedeutet dies: autonomer politischer und wirtschaftlicher Sonderstatus innerhalb des ukrainischen Staatsterritoriums ... da könnte die EU sinnvolle Vermittlungsarbeit leisten und der ukrainischen Seite zur Einsicht verhelfen, denn die militärische Konfrontation gegen Putin-Russland würde sie mit dem Verlust großer Teile der „linksufrigen“ Ukraine und damit der wichtigsten Industriestandorte bezahlen.

      • @Abdurchdiemitte:

        "Ja, es ist nicht zu übersehen, dass die Kriegsbereitschaft auf beiden Seiten geschürt wird"

        Es ist vor allem nicht zu übersehen, Das Putin nicht nur kriegsbereit ist, sondern in Nachbarländer konkret militärisch mitmischt, Hauptbeteiligter ist und sich Teile von Nachbarländern unter den Finger reist. Das ganze nun schon seit Jahren, Jahrzehnten. Die Krim ist da kein Ausrutscher.

        Da muss die EU nicht auch noch unterstützend eingreifen. Es wird Zeit dass die NATO deutlichere Schutzangebote an die Nachbarländer aussendet.

        • @Rudolf Fissner:

          Auf welcher anderen Grundlage als der der stalinistischen Nationalitätenpolitik in sowjetischen Zeiten basiert denn beispielsweise die Zugehörigkeit der Krim zum ukrainischen Staat ... haben Sie da irgendwelche historischen Argumente?



          Aber wer bin ich, die Außenpolitik Putins noch zu verteidigen (die aus russischer Perspektive so “außen” nicht erscheint)?



          Ich habe nur etwas gegen einseitige, ideologisch gefärbte Sichtweisen auf bestimmte Konflikte, wo aus europäischer Sicht beiden Kontrahenten nicht geholfen ist, wenn einseitig Position bezogen wird ... und es geht hier im übrigen nicht um Staatenlenker oder national(istisch)e Interessen, sondern um konkrete Menschen in der östlichen Ukraine, die unter dem nichterklärten Krieg leiden müssen und kein Leben in Sicherheit und Frieden führen können.

    • 9G
      91655 (Profil gelöscht)
      @tomás zerolo:

      Das zu viele in Russland einen nationalistischen, teilweise offen faschistischen Weg des Putin-Regimes unterstützen hat wenig mit der Einmischung Russlands in den unabhängigen Staat der Ukraine zu tun.

      Die militärische Eroberung der Krim und das Unterstützen einer Bürgerkriegspartei etc. pp. ist der Grund für den anhaltenden Bürgerkrieg .... und die Ukraine hat Russland nicht angegriffen usw.

      Diese Tatsachen sind auch von RT und Russischen Trollen und dem üblichen Antiamerikaner usw. nicht wegdiskutierbar.

      Ach, mein Weltbild ist nicht einfach, nur düster!

      Putin ist ein Feind der Menschheit, dass ihm zu viele in Russland folgen, ist kein Grund ihn nicht als solchen zu bezeichnen.

      Zuletzt: Die Wehrmacht und Russland hat Polen 1939 angegriffen, ... die Selbstverteidigung durch polnische Truppen und später Untergrundarmeen waren Teil eines aufgezwungenen Krieges, Polen war nicht mitschuld, obwohl es damals in der dortigen Politik eben auch Antisemiten, Nationalisten, Rassisten gab.

      Punkt!

  • 9G
    91655 (Profil gelöscht)

    Ist aber auch unverschämt, dass die ukrainische Staatsführung Propaganda-Sender und deren Leitungen vom lupenreinen Demokraten Putin nicht gewähren lassen, ....

    Könnte die TAZ aufhören Putin mit solchen Propaganda-Märchen zu stützen ... Putin ist vor allem der Führer eines mörderischen Regimes, vom Flugzeugabsturz bis zu erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Mordanschlägen auf Oppositionelle!

    Und die begonnene Zerschlagung der Ukraine ist ganz sicher keine ukrainische Idee gewesen!

    • @91655 (Profil gelöscht):

      So einfach ist es nicht mit den Gebieten, die nach dem Zerfall des Sowjetimperiums den neuen Nationalstaaten zugeschlagen wurden, mehrheitlich jedoch von Russen bewohnt werden ... das betrifft ja nicht nur die Donezk-Region oder die Krim, sondern auch die sogenannte Dnejstr-Republik in Moldawien.



      Es ist dabei keine Frage, dass mittels dieser Gebiete der russische Expansionismus seinen Fuß in der Tür behalten hat, im Falle Moldawiens und der Ukraine haben die Verantwortlichen diesem allerdings selbst die Steilvorlage geliefert mit deutlichen nationalistischen Signalen an ihre Mehrheitsbevölkerung, zumindest in der Gründungsphase dieser Staaten ... die aktuellen Konflikte im Donbas und anderswo (denken Sie auch an den armenisch-aserbaidschanischen Konflikt um die Karabach-Region) entspringen wohl eher der historischen “Leerstelle”, die der Zusammenbruch der UdSSR hinterlassen hat und hat daher weniger mit der Person Putin zu tun.



      Kein russischer Präsident würde “heiligen” russischen Boden so einfach kampflos preisgeben ... und was mit Gorbatschow und Jelzin passiert ist, wissen wir ja.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    "Dabei gibt es nicht nur eine Schuldigen."

    Ernst jetzt? Die TAZ verteidigt die kriegstreiberische Politik von Putin? Putin ist in der Urkaine einmarschiert weil die Bürger eine Annäherung an den Westen und die EU wollten. Und das ist ein Verbrechen? Hier gibt es nur einen Schuldigen! Vladimir Putin!

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Vielleicht muss man noch dazu sagen, dass die pro-westliche Regierung der Ukraine zuvor die Rechte der russischsprachigen Minderheit eingeschränkt hat.

      • @Francesco:

        Gar nichts, was die Rechte der russischen Minderheit in der Ukraine betraf, wurde eingeschränkt. Reine Kreml-Desinformation, was Sie hier verbreiten.

      • @Francesco:

        "Und der Westen? Die Nato zeigt sich besorgt. ... Ukraine solle sich auf eine Mitgliedschaft vorbereiten, aber vorher Reformen durchführen.



        ...müssen solche Einlassungen als das bezeichnet werden, was sie sind: verantwortungslos und brandgefährlich."

        Was sollte die NATO sonst tun? Nichts, und damit zu erkennen geben, dass die Ukraine ein wehrloses Opfer sein wird? Ein Verteidigungsversprechen abgeben, das für ein NATO-Nichtmitglied recht zweifelhaft sein dürfte, und zudem Wasser auf die Mühlen der NATO-breitet-sich-nach-Osten-aus-Apologeten ist?



        Vorschläge willkommen.

        • @Encantado:

          Ein Vorschlag vielleicht nicht, aber eine Anmerkung dazu ... mir ist aufgefallen, dass sich das westliche Publikum in der Beurteilung des russisch-ukrainischen Konflikts längst wieder von der alten Kalten-Kriegs-Dichotomie leiten lässt. Die Frage, wie man es in diesem Kontext mit Putin halten solle, spaltet mittlerweile auch das linke westliche Lager.



          Jedoch; Moskau als das “Zentrum des Bösen” anzusehen, mag hinsichtlich der US-amerikanischen außenpolitischen Interessen noch angehen, den deutschen und europäischen Sicherheitsinteressen dient es allerdings nicht.



          Im Zusammenhang mit der Ukraine sollte man sich schon die Frage stellen, was dort falsch läuft, dass der Grenzkonflikt auf beiden Seiten dermaßen nationalistisch aufgeladen und instrumentalisiert wird ... und ob es richtig ist, dass sich NATO und EU derart einseitig auf die ukrainische Seite schlagen.



          Ein anderes Beispiel: auch in Estland existiert eine große russische Bevölkerungsminderheit, in der Narwa-Region bilden Russen sogar die deutliche Mehrheit ... trotzdem würde dort niemand auf den Gedanken kommen, der grossrussischen Heim-ins-Reich-Propaganda Putins zu folgen.



          Warum wohl nicht? Weil die russische Bevölkerung Estlands am wirtschaftlichen Aufschwung genauso profitiert wird die Esten ... da wären sie doch mit dem Klammerbeutel gepudert, würden sie den Anschluss an Russland fordern.



          Ökonomische Stagnation gepaart mit grossukrainischem Nationalismus der Mehrheitsbevölkerung und ihrer Regierung - in der Tat steht die historische Herleitung des ukrainischen Staatsgebietes auf tönernen Füßen - werden keinen Beitrag zur Deeskalation des Konflikts beitragen können ... sondern die Gegenseite mit immer neuer “Munition” (im besten Falle Propagandamunition) versorgen und das System Putin in Russland immer weiter stärken.

      • @Francesco:

        Das ist jetzt ein Argument für einen militärischen Einmarsch? Sauber.