Neue EU-Sanktionen gegen Russland: Der Konsens bröckelt
Vom Ziel, Russland zu ruinieren, ist nichts übrig geblieben. Stattdessen wächst die Sorge, dass die Sanktionen die Wirtschaft in der EU schädigen.
D ie Länder der Europäischen Union haben sich auf das achte Sanktionspaket gegen Russland geeinigt. In Brüssel wird es als entschiedene Antwort auf die illegale Annexion ukrainischer Gebiete präsentiert. In Wahrheit wurden die meisten Maßnahmen, allen voran der Preisdeckel für russisches Öl, schon lange vor der Annexion diskutiert.
Mit dem Kriegsverlauf haben die neuen Sanktionen also nichts zu tun – auch wenn EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und ihre Mitstreiter anderes behaupten. Den Krieg beeinflussen, gar verkürzen oder beenden werden sie nicht. Dafür kommen die neuen Strafmaßnahmen viel zu spät – und sind zu schwach.
Der neue Ölpreisdeckel hat nämlich viele Schlupflöcher. So werden die Ausnahmen aus dem EU-Ölembargo, das schon im Sommer beschlossen wurde, einfach fortgeschrieben. Ungarn und andere mitteleuropäische Länder können weiter Öl aus Russland beziehen. Griechenland und Zypern können es auch künftig mit ihrer Tankerflotte ausführen. Doch nicht nur diese „üblichen Verdächtigen“ haben die Sanktionen verwässert.
Auch Belgien hat hinter den Kulissen für seine Wirtschaftsinteressen gekämpft und erreicht, dass der ursprünglich geplante Einfuhrstopp für russische Diamanten gestrichen wurde. Er hätte tausende Arbeitsplätze in Antwerpen gekostet.
Letztlich ist das neue Sanktionspaket ein weiterer Beweis dafür, dass der Konsens in der EU bröckelt. Von dem ursprünglichen Ziel, Russland zu ruinieren, wie es Außenministerin Annalena Baerbock formuliert hat, ist nichts übrig geblieben. Stattdessen wächst die Sorge, dass die Sanktionen die Wirtschaft in der EU schädigen.Diese Sorge ist begründet. Wirtschaftsminister Robert Habeck räumt ein, dass der „Energiekrieg“ mit Russland zu dauerhaften Wohlstandsverlusten führen wird. Dieser „Krieg“ geht nun mit dem Ölpreisdeckel in die nächste Runde. Nicht auszuschließen, dass sich auch diese Strafe als Bumerang erweist und Deutschland und die EU schädigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Vorschläge für bessere Schulen
Mehr Führerschein wagen