Neue Blattmacherinnen bei „Bild“: Mit Chefinnen aus der Krise
Linna Nickel und Antje Schippmann werden als Blattmacherinnen Teil der „Bild“-Chefredaktion. Sie sollen eine moderne Führungskultur verkörpern.
Beide Frauen agierten bereits im Springer-Kosmos: Linna Nickel, 41 Jahre, arbeitet seit September als Blattmacherin bei Bild. Sie kam im März als Textchefin zum Blatt, arbeitete davor seit 2010 als Redakteurin beim Magazin Bunte, dort seit 2015 als stellvertretende Leiterin im Ressort „Aktuelles/Adel“. Nickel hat Kulturwissenschaften studiert und ein Volontariat an der Burda-Journalistenschule absolviert.
Antje Schippmann, 34 Jahre alt, unterstützte seit 2019 die Chefredaktion der Welt am Sonntag als Managing Editor. Schippmann hat Politikwissenschaften studiert und bei der Bild-Zeitung volontiert, wo sie 2016 Redakteurin für außenpolitische Themen wurde.
Nachdem im März zum ersten Mal Vorwürfe des Machtmissbrauchs gegen den ehemaligen Chefredakteur Julian Reichelt erhoben worden waren, konnte Reichelt nach einer kurzen Beurlaubung und einem internen Compliance-Verfahren zu seinem Posten zurückkehren. Von da an musste er die Position aber mit Alexandra Würzbach teilen, die bei Bild für Personal- und Reaktionsmanagement verantwortlich und außerdem Chefredakteurin der Bild am Sonntag ist.
„Sex, Journalismus und Firmengelder“
Vor knapp zwei Wochen hatte ein Bericht der New York Times die Vorwürfe erneut aufgegriffen. Der Artikel beschreibt, wie Reichelt bei der Bild ein Klima geschaffen haben soll, das „Sex, Journalismus und Firmengelder“ vermischt habe. Reichelt habe Affären mit Volontärinnen und Redakteurinnen gehabt, für die er ihnen Geld oder Posten verschafft habe. Springer konnte nach der Veröffentlichung der Recherche nicht weiter an ihm festhalten.
An seine Stelle trat der ehemalige Welt-am-Sonntag-Chef Johannes Boie – mit dem Versprechen, das richtig zu machen, was Reichelt falsch gemacht habe. Mit der Berufung zweier Frauen in die erweiterte Chefredaktion möchte Boie nun offenbar auch ein Zeichen setzen: Frauen werden bei der Bild nicht nur ausgebeutet, Frauen können die Bild auch führen.
Während Boie, Würzbach und Claus Strunz, verantwortlich für das Bewegtbildangebot, das Kernteam der Chefredaktion bilden, stoßen Nickel und Schippmann zur erweiterten Chefredaktion dazu. Damit haben Frauen in der Bild-Chefredaktion nun zumindest der Zahl nach die Oberhand.
Wie viel Einfluss die beiden Chefinnen auf die proklamierte betriebskulturelle Erneuerung und auf die Inhalte des Boulevardblattes haben werden, darauf kann man gespannt sein – auch weil die Stellenbezeichnung „Blattmacherin“ vieles und nichts bedeuten kann. Interessant wird ebenso, ob personelle Änderungen ausreichen, um eine Arbeitskultur nachhaltig zum Besseren zu verändern. Er sei glücklich, „bei beiden Kolleginnen die Tageszeitung in besten Händen zu wissen“, ließ sich Boie jedenfalls zitieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut