Neuaufstellung der Linkspartei: „Die Partei, die es jetzt braucht“
Nach dem Abgang von Wagenknecht demonstriert die Linkspartei Einigkeit. Fraktionschef Bartsch erklärt die Bundestagsfraktion aber für „politisch tot“.
Ende Oktober hatte Sahra Wagenknecht nach monatelangem Geraune die Gründung ihres Vereins „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) und ihren Austritt aus der Linkspartei verkündet. 2024 soll die Gründung ihrer eigenen Partei folgen. Mit Wagenknecht haben neun weitere Bundestagsabgeordnete die Linkspartei verlassen, darunter Amira Mohamed Ali, bis dahin noch Co-Fraktionsvorsitzende. Sie haben angeboten, bis zum Ende des Jahres Teil der 38-köpfigen Fraktion zu bleiben.
Es ist ein heikles Angebot: Für die Partei geht es nicht nur um eine Neuausrichtung, sondern darum, ob sie die kommenden Wochen und Monate überstehen wird. Denn mit dem Abgang der bislang zehn Bundestagsabgeordneten steht der Fraktionsstatus im Parlament auf dem Spiel – ebenso wie die Jobs von rund 100 Mitarbeitenden der Fraktion. Deren Verträge würden zu Ende März enden, wenn Wagenknecht und ihre Leute die Fraktion jetzt verlassen.
Einige, darunter Fraktionsvize Susanne Ferschl, hatten vor allem deswegen dafür plädiert, das Angebot anzunehmen. Die Fraktionsjobs müssten dadurch erst zum Juni gekündigt werden. Die Mehrheit aber befürwortet wohl eine sofortige Trennung. Auch, um mit einer Neuaufstellung glaubwürdig zu sein.
Sargnagel oder Chance
Mit dieser Frage werde man sich in der kommenden Woche beschäftigen, wiegelt Fraktionschef Dietmar Bartsch am Sonntag Nachfragen ab. Seine Einschätzung aber ist klar: „Diese Bundestagsfraktion ist politisch tot.“ Eine Fraktion werde es in „naher Zukunft“ nicht mehr geben. Die Linke aber werde im Bundestag vertreten bleiben – „in welcher Form auch immer“.
Ob der Bruch mit Wagenknecht und ihrer Gefolgschaft der Sargnagel der Linkspartei ist oder eine Chance, ist noch nicht beantwortet. Die Parteispitzen setzen auf Letzteres – und haben nun einstimmig ein Strategiepapier beschlossen, mit dem sie in die 2024 anstehenden Wahlen auf EU- und Kommunalebene sowie in den drei ostdeutschen Bundesländern Sachsen, Thüringen und Brandenburg starten wollen.
Aktuell schienen „die Krisen überall zu sein“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. Die Demokratie sei „zunehmend in Gefahr“. Diese Zeiten erforderten eine linke Partei, welche „die Eigentumsfrage stellt und den Mut hat, sich mit Reichen und Konzernen anzulegen, um den nötigen Umbau sozial zu gestalten“. Halb selbstkritisch, halb zuversichtlich heißt es weiter: „Wir können die linke Partei sein, die jetzt gebraucht wird. Wir werden zu ihr werden.“
Inmitten dieser Krisen setze die Ampel auf den „größten Sparhaushalt in der Geschichte der Bundesrepublik“, kritisiert Schirdewan am Sonntag. Die Linke fordere eine „grundlegend andere Wirtschaftspolitik“: Der Staat müsse den sozial-ökologischen und klimagerechten Umbau gezielt steuern und unterstützen, heißt es in dem Papier – etwa durch eine Industriestiftung, die gezielt Anteile relevanter Unternehmen erwirbt oder durch ein „Sondervermögen Bildung und Qualifizierung“, um Beschäftigten „sichere Perspektiven im sich wandelnden Arbeitsmarkt zu schaffen“.
Auch der Migrationspolitik der Ampel will die Partei eine „linke Opposition“ entgegensetzen: „Das Gerede von Grenzkontrollen löst kein Problem“, sagt Co-Parteichefin Janine Wissler. Stattdessen brauche es mehr Unterstützung für die Kommunen. „Wir haben kein Flüchtlingsproblem, sondern ein Verteilungsproblem.“
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