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Negative StrompreiseNoch nie so oft Elektrizität für lau wie in diesem Jahr

Schon jetzt ist klar: 2025 wird das neue Rekordjahr in Sachen „negative Strompreise“. Bislang gab es 457 Stunden mit Tarifen unter null.

Manchmal fließt hier sehr billige, manchmal teure Ware: Strommast in Deutschland Foto: dpa

Freiburg taz | Das ist ein neuer Rekord: Bereits jetzt hat das Jahr 2025 den Abnehmern so viele Stunden mit negativen Strompreisen beschert wie das gesamte Jahr 2024 – und schon 2024 war das bislang deutlichste Rekordjahr gewesen. Negative Strompreise treten im Großhandel immer dann auf, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt.

457 Stunden mit Preisen unter null wurden im Jahr 2025 an der Strombörse bislang gezählt. Allein der Juni hatte 141 Stunden gebracht und damit den höchsten Monatswert aller Zeiten. In diesem Sommermonat wurden aufgrund des enormen Ausbaus der Photovoltaik bereits an 3 von 4 Tagen zur Mittagszeit negative Preise erzielt. Der Extremwert wurde mit minus 25 Cent je Kilowattstunde am 11. Mai festgestellt. Andererseits hatte es im Januar aber auch Stunden gegeben, in denen der Strom an der Börse bis zu 58 Cent kostete.

Angesichts dieser Schwankungen steigt in der Energiewirtschaft und bei Stromkunden das Interesse an dynamischen Tarifen, die sich an den Notierungen der Strombörse orientieren. Erst vergangene Woche stellte der kommunale Energieversorger Enercity in Hannover Ladesäulen vor, an denen der Strompreis stündlich nach den Signalen der Börse schwankt.

Auch unter Haushaltskunden nehmen dynamische Tarife zu. Attraktiv seien diese „insbesondere für Haushalte mit Speicherkapazitäten und hohem Verbrauch, etwa durch ein E-Auto oder eine Wärmepumpe“, wirbt einer der Anbieter, das Unternehmen 1KOMMA5°. Zugleich weist Mitbewerber Tibber darauf hin, dass günstige Preise dann auftreten, wenn ein hoher Anteil erneuerbarer Energien im Netz ist: Mit flexiblen Tarifen werde der Verbrauch „günstiger und grüner in einem“.

2025 hatte schon jetzt so viele Stunden mit negativen Strompreisen wie das gesamte Jahr 2024

Voraussetzung für einen solchen Tarif ist ein Smart Meter, der den Verbrauch in Echtzeit misst, also nicht nur – wie bislang üblich – über das Jahr aufsummiert. Einsparmöglichkeiten sind freilich nur zu erzielen, wenn der Kunde wirklich in nennenswertem Umfang Stromverbrauch zeitlich verschieben kann.

Das System entwickelt sich unterdessen fort: Zum 1. Oktober wird die Strombörse ihren Handel, der jeweils am Vortag auf Basis von Prognosen erfolgt, sogar von stündlichen auf viertelstündliche Preise umstellen. Dann werden auch Endkunden mit dynamischen Preisen sogar jede Viertelstunde einen anderen Strompreis bekommen.

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2 Kommentare

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  • Viel weiter kann man dieses idiotische Preissystem eigentlich nicht treiben. Noch mehr Geräte, noch mehr Software, noch mehr Rechenleistung und noch mehr Zeitverschwendung, statt das Ganze endlich mal vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das Preisgerangel ist nur die lächerlichste Blüte dieser Fehlwirtschaft, viel schlimmer ist, dass die nötigen Investitionen und Entwicklungen für eine sichere und effektive Nutzung der Erneuerbaren so nicht zustande kommen können. Das ist das Ergebnis, wenn man Wirtschaftsleistungen, die zur öffentlichen Daseinsvorsorge gehören, dem freien Markt und der Profitmaximierung aussetzt. Sehen wir ja auch bei Wohnungsbau, Fahrzeugbau, Telefonie, öffentlichem Verkehr, Gesundheitswesen und und und. Viele dieser Unternehmen haben schon im Aufbau öffentliche Gelder gekostet und seitdem nie damit aufgehört. Vor allem die, die wenig Geld haben, müsssen dafür immer mehr zahlen, nur ein Beispiel: auch für die CO2-Verschwendung der "großen Player", die mit unserer Welt spielen - wo bleibt denn nun der Ausgleich für Geringverbraucher? Kann man noch auf etwas anderes hoffen als dummes Gerede und Verantwortungslosigkeit?

  • > Negative Strompreise treten im Großhandel immer dann auf, wenn das Angebot die Nachfrage übersteigt.



    Diese Form der Aussage verschleiert die Tatsachen. Ein die Nachfrage übersteigendes Angebot mit unverkäuflichen Resten kennen wir aus zahlreichen Branchen und Warengruppen, negative Preise nicht. Die entstehen erst dann, wenn Leistung, die niemand haben will und die keinen Abnehmer findet, trotzdem gewaltsam ins Netz gedrückt wird und den Netzbetreiber zwingt, um einen Zusammenbruch zu vermeiden, den Überschuß kostenpflichtig entsorgen zu lassen.



    Daß nicht jeder von variablen Tarifen gleich profitieren könnte, wird zwar gesagt, aber schamhaft verschwiegen, wie sich Gewinne und Verluste auf die sozialen Klassen verteilen. Draufzahlen müssen vor allem diejenigen, die sich eine eigene Wärmepumpe und und ein Elektroauto mit eigenem Ladeanschluß eher nicht leisten können. Genau die gehören trotz Sozialabo auch eher weniger zur Stammleserschaft der Taz.



    Die tatsächliche Kostenstruktur der Erzeugung läßt den variablen Preis trotzdem sinnvoll und zwingend erscheinen. Die Fairness und Ehrlichkeit gebietet es aber, auch die Konsequenzen klar zu benennen.