Nationalismus im Schachsport: Gelassener Verräter
Der Russe Daniil Dubow hat den Norweger Magnus Carlsen auf die Schach-WM vorbereitet. Nach dessen Sieg steht er in seiner Heimat in der Kritik.
Großmeister Sergei Kirjakin, 2016 Carlsens Herausforderer im Kampf um den WM-Titel, machte keinen Hehl daraus, was er von Dubows Helferdiensten für den Norweger hält: Er würde sich auch keinen Norweger in sein Team holen, wenn er gegen Carlsen spielen würde, hat er getwittert. Ilja Lewtitow, der frühere Präsident des russischen Schachverbands, gab den Fassungslosen: „Irgendwie will das nicht in meinen Kopf“, schrieb er auf seinem Telegram-Kanal.
Und der überaus populäre Schachkommentator Sergei Schipow schlug gar vor, Dubow solle doch künftig für Norwegen spielen. „Hey, Danja, Danja, wozu? Für wie viel?“, fragte er auf seiner Facebook-Seite und forderte das Aus für Dubow in künftigen Länderkämpfen.
Mit dem Vorwurf, ein schlechter Patriot zu sein, lebt Dubow schon länger. Als er 2018 den WM-Titel im Schnellschach gewonnen hat, sagte er auf den Ukraine-Konflikt angesprochen: „Klar, was das Krim-Thema angeht, bin ich komplett auf der ukrainischen Seite.“ Auch soll er schon einmal auf einer Oppositions-Demo gesehen worden sein.
Naheliegendes Feindbild
Er taugt also ganz gut als Feindbild für russische Nationalisten. Was man von Spitzensportlern in dieser Hinsicht in Russland erwartet, dafür ist Großmeister-Kollege Kirjakin ein gutes Beispiel. Er feierte die Annexion der Krim einst mit einem Putin-Fanshirt und hochgerecktem Daumen auf Instagram.
Für einen, der gerade zum Staatsfeind erklärt worden ist, hat der 25 Jahre junge Dubow erstaunlich gelassen auf die Vorwürfe reagiert. In einem Interview auf dem Sportportal championat.com meinte er: „Dass das jemandem nicht gefallen könnte, ist nichts Neues. Das ist nicht das erste Mal, dass mir das begegnet. Ich bin da relativ entspannt.“ Und wie nebenbei analysierte er die Stimmung in seinem Land: „Es herrscht eine Art imperialer Ehrgeiz – jeder ist gegen uns, jeder ist der Feind. Vor allem, wenn etwas nicht klappt.“ Man könne das Ganze auch anders sehen. Da gebe es einen jungen Schachspieler, einen der besten der Welt, der mit dem größten Schachspieler der Geschichte zusammenarbeiten und sich verbessern dürfe.
Natürlich passt diese Verrätererzählung zum Machobild, das die Nation gerne abgibt. Doch auch in Deutschland gab es vor nicht allzu langer Zeit einen jungen Sportler, der wie eine Art Hochverräter behandelt wurde. Der deutsche Bobpilot Manuel Machata hatte die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2014 in Sotschi verpasst.
Die Kufen seines Bob lieh der Ex-Weltmeister daraufhin seinem russischen Konkurrenten Alexander Subkow, der damit glatt zu Gold raste. Machata wurde daraufhin zunächst für ein Jahr gesperrt. Nach dessen Einspruch wurde die Sperre wieder zurückgenommen. Sportjustiziabel, das musste man wohl einsehen, ist die Unterstützung eines Konkurrenten aus einem anderen Land dann doch nicht gewesen.
Am Ende hatte Machata ja doch nicht den Olympiasieger unterstützt. Subkow wurden seine zwei Goldmedaillen von Sotschi wieder abgenommen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass er vom russischen Staatsdopingsystem profitiert hatte.
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