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Nachteile von erneuerbaren EnergienWindkraft hat einen Schlag bei Vögeln

Eine aktuelle Studie sieht für den Mäusebussard Gefahren durch Windräder. Das könnte Folgen für den Windkraftausbau haben.

Kämpfen gegen Windräder: Vögel Foto: dpa

Berlin taz | Die Studie ist noch gar nicht veröffentlicht, doch die Aufregung ist bereits groß. „Die Windenergie wird in den nächsten Jahren massiv dezimiert werden“, fürchtet Hans-Joachim Fell, langjähriger Bundestagsabgeordneter der Grünen und derzeit Präsident der Energy Watch Group. Einen „Stillstand“ beim Windrad-Ausbau fürchtet gar Oliver Kohle, der in der Schweiz ein Umweltbüro betreibt und Windanlagen plant.

Anlass für die Sorge ist eine groß angelegte, wissenschaftliche Untersuchung zu der heftig umkämpften Frage, wie viele Vögel tatsächlich an Windrädern sterben. Für das Projekt, das „Progress“ genannt und vom Bundeswirtschaftsministerium finanziert wurde, haben Wissenschaftler mehrerer Institute innerhalb von zweieinhalb Jahren in 46 Windparks systematisch nach toten Vögeln gesucht und die Ergebnisse hochgerechnet.

Der etwa 400-seitige Abschlussbericht ist seit Ende letzten Jahres fertig; veröffentlicht wurde er bisher noch nicht. Damit sei „voraussichtlich in den kommenden Wochen“ zu rechnen, heißt es aus dem Ministerium, ohne einen Grund für die Verzögerung zu nennen.

Einige Teilergebnisse wurden aber bereits auf einer Tagung vorgestellt. Dazu gehört die neue Erkenntnis, dass auch Mäusebussarde in signifkanter Zahl an Windrädern sterben. Die Hochrechnung ergibt für Schleswig-Holstein etwa einen jährlichen Todesfall pro zwei Windräder. Insgesamt würden jedes Jahr demnach etwa 6 Prozent der Population mit Rotoren kollidieren.

Ob diese Zahl ein Problem ist, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Der Naturschutzbund (Nabu) sieht in den Ergebnissen „die Gefahr einer regionalen Bestandsgefährdung für den Mäusebussard“, wie Vogelschutz-Referent Lars Lachmann sagt. Dem widerspricht Ökostrom-Vorkämpfer Hans-Josef Fell entschieden: „Wir sehen hier keine Bestandsgefährdung.“ Viel größer sei die Gefahr durch den Klimawandel, der durch die Windkraft abgewendet werde.

Es bringt nichts, wissenschaftliche Fakten abzustreiten

Lars Lachmann, Naturschutzbund

Noch weiter geht der Schweizer Windrad-Planer Kohle, der als Chemiker eine Erwiderung zum – noch unveröffentlichten – Progress-Bericht verfasst hat. „Diese Studie kann man in den Papierkorb schmeißen“, sagt er. „Die Ergebnisse haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun.“ Den beteiligten Wissenschaftlern unterstellt der Windrad-Planer finanzielle Interessen und eine zu starke „emotionale Komponente“.

Inhaltlich argumentieren Fell und Kohle, dass die Bestandszahlen des Mäusebussards in Deutschland in der Vergangenheit stark gestiegen seien. Der Nabu spricht hingegen von einer zumindest regional rückläufigen Population. „Es bringt nichts, wissenschaftliche Fakten abzustreiten“, sagt Lachmann. „Man muss sich mit ihnen auseinandersetzen und daraus die richtigen Konsequenzen ziehen.“

Und bei denen liegen die Kontrahenten gar nicht so weit auseinander. Denn auch der Naturschutzbund hält es keineswegs für sinnvoll, Windräder grundsätzlich zu verbieten, wenn ein Mäusebussard in der Nähe brütet. „In dem Fall könnten in Deutschland praktisch keine Windräder mehr gebaut werden“, sagt auch Nabu-Vogelexperte Lachmann. Denn als häufigster deutscher Greifvogel kommt der Mäusebussard fast flächendeckend vor.

Es gibt größere Gefahren als Windräder

Der Naturschutzbund schlägt darum vor, nur in jenen Regionen einzugreifen, in denen der Bussardbestand zurückgeht. Und auch dort müsse die Konsequenz nicht sein, auf neue Windräder zu verzichten. Alternativ könnte im Gegenzug auch gegen andere Gefahren für Bussarde vorgegangen werden. Denn einig sind sich die Windkraft- und Vogelfreunde auch darin, dass andere Faktoren eine viel größere Gefahr für Greifvögel darstellen als Windräder – etwa Stromleitungen, Glasscheiben, Landwirtschaft und Verkehr.

Ziel müsse sein, den „notwendigen weiteren Ausbau der Windenergie mit dem Schutz gefährdeter Arten zu verbinden“, meint der Naturschutzbund. Auch der Bundesverband Windenergie, der die Progress-Studie erst kommentieren will, wenn sie komplett veröffentlich wird, setzt auf Kompromisse. Man stelle sich der Verantwortung für den Natur- und Artenschutz, lehne pauschale Mindestabstände zu Greifvogelnestern aber ab, teilte der Verband mit.

Die Autoren der Studie selbst äußern sich nicht zu möglichen Konsequenzen. Man habe die Fakten dargestellt, aber keine Schlussfolgerungen daraus gezogen, so Jan Blew vom Forschungsinstitut BioConsultSH gegenüber der taz.

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28 Kommentare

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  • Soso, neues EEG auf den Weg gebracht und pünktlich erblickt eine Studie das Tageslicht, welche die Schädlichkeit der Windenergie aufzeigt. Und das ganze finanziert vom Bundeswirtschaftsministerium (wtf?)? Ich höre da im Hintergrund schon wieder ein ganz bißchen die Kern- und Kohlekraftlobby vor Freude schreien.

    Warum wird eine solche Studie, wenn sie schon subventioniert wird, nicht vom Bundesumweltministerium gesponsort?

  • Dagegen mit Kohle- oder Kernenergie kann der Bussard sooo gut leben!

    • @mémoirecourte:

      Warum? Kernenergie ist doch klasse... vielleicht wachsen dem Bussard dann im Laufe der weiteren Evolution weitere Augen und er kann noch besser jagen.

       

      Nee im Ernst, dass Kern- und Kohleenergie keine ernsthaften Zukunftstechnologien sind, darüber sind sich zumindest hier hoffentlich die meisten einig. Und dann muss man halt über Alternativen nachdenken. Für mich ist Windenergie, trotz einiger negativer Aspekte, immer noch die beste bisher. Natürlich im Verbund mit Photovoltaik und hoffentlich dann bald auch schon vorhandenen Pumpspeichern in Norwegen... ach es gibt so viel, man muss nur wollen.

  • Noch schlimmere Auswirkungen auf die Tierwelt haben Offshore-Windanlagen auf dem offenen Meer.

     

    Durch den dadurch verursachten, massiven Lärm können sich Meeressäuger wie Wale und Delfine nicht mehr orientieren, kein Futter mehr finden und müssen verhungern:

    http://www.focus.de/wissen/klima/klimaprognosen/natur-windraeder-machen-wale-taub_aid_661822.html

    • @Maike123:

      Ohne dem Fokus jetzt einen Klick zu spendieren: ich weiß was drinsteht und ja, es ist möglich, dass es Auswirkungen hat. Und Freude kommt da bei mir auch nicht auf.

      Aber die Meeressäuger, bzw. alle Meereslebewesen im Pazifik freuen sich gerade über verstrahlte Abwasser die über Strömungen aus Fukushima das Meer verseuchen. Und nu?

       

      Das Beste wäre, den Energiehunger unserer Gesellschaft so drastisch zu reduzieren, dass wir das Meer komplett in Ruhe lassen können und an Land mit Wind- und Sonnenenergie auskommen... oder dem, was da noch so kommt, wer weiß. Aber halten Sie das ganz ehrlich für realistisch?

  • Wann hat jemals wer behauptet, es sei billiger, aus Fehlern klug zu werden als vor dem Handeln das Gehirn einzuschalten?

     

    Auch wir Deutschen haben jahrzehntelang über unsere Verhältnisse gelebt. Wir haben uns vorgelogen, dass alles in Ordnung ist, wenn unsere Wirtschaft wächst und alle im Durchschnitt reicher, mobiler und älter werden. Nachdem nun klar ist, was das kosten kann, wird hektisch umgesteuert. Zu hektisch, als dass die Natur Schritt halten könnte. Die Vögel zahlen einen Teil unserer Schulden ab. Wir sollten ihnen dankbar sein. Denn wenn sie es heute nicht tun, werden es spätestens unsere Enkel tun müssen.

     

    Übrigens: Dass die Frage, ob die 6% Verluste ein Problem sind, sehr unterschiedlich beantwortet wird, ist kein großes Wunder. Weder diejenigen, die das bejahen, noch diejenigen, die es verneinen, können hellsehen, schätze ich. Und offenbar hat sich bislang auch noch niemand die Mühe gemacht, die ganz bestimmt sehr unterschiedliche Anpassungsfähigkeit der einzelnen Arten wissenschaftlich zu untersuchen.

     

    Sag ich ja: Der Mensch an sich liebt seine Fehler. Sie sind das Einzige, woraus er zu lernen bereit ist.

    • @mowgli:

      "Und offenbar hat sich bislang auch noch niemand die Mühe gemacht, die ganz bestimmt sehr unterschiedliche Anpassungsfähigkeit der einzelnen Arten wissenschaftlich zu untersuchen."

       

      Das ist ein sehr wichtiger Punkt.

  • Wer reduziert den Lebensraum der Vögel stärker, die "moderne" Landwirtschaft oder die Windkraft? Gerade in den nördlichen Bundesländern ist die Landschaft so ausgeräumt und sind die Felder so einseitig bebaut und gespritzt, dass alle Vögel, nicht nur die Greifvögel, keine Nahrung und keine Nistplätze mehr finden. Wenn schon Vögel schützen dann konsequent überall, nicht nur bei der natur- und umweltfreundlichen Energiequelle Windkraft.

    • @Reinhard Muth:

      Grundsätzlich richtig. Nur: Wer behauptet, er würde global denken, der sollte vor Einzelproblemen nicht die Augen verschließen, sonst macht er sich unglaubwürdig. Es sind schließlich die Einzelteile, die das Ganze ausmachen.

  • Ich hätte mir einen Hinweis darauf gewünscht, dass es vor allem die „Grünen“ und die Umweltverbände waren, die seinerzeit den Umstieg auf erneuerbare Energien forderten, und zwar EINSCHLIESSLICH der Windkraft!

    Warum haben diese Leute damals nicht die gleiche gründliche Technikfolgen-Abschätzung vorgenommen, die sie zu jeder Gelegenheit vehement von Politik und Wirtschaft fordern?

    • @Pfanni:

      Richtig, es waren die Grünen und die Umweltverbände, die den Umstieg gefortert haben. Dass es nicht die SPD oder die CDU und auch nicht die FDP war, ist in sofern schade, als jetzt ganz offensichtlich vergessen wird, wo wir stünden, wenn es nicht wenigstens die Grünen und die Umweltverbände gegeben hätte.

       

      Sie wissen doch: Wer nichts tut, macht nicht wirklich keine Fehler.

  • Nett wäre es, wenn die die "Wissenschaftler", die sich an der Studie gelabt haben, mal einen Blick auf die Evolutionstheorie werfen würden...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Paper schreiben, Internet sauber von Ihren Ergüssen halten.

      • @Christian:

        Oh ha, Sie scheinen eine Allergie zu haben!

         

        Ist es das Wort "Evolutionstheorie", das einen starken Juckreiz auslöst und Ihnen rote Punkte auf die Haut malt? Dann hier einen kostenlosen Rat von mir: Sie sollten die Schuldfrage dringend noch einmal überdenken. Wozu haben Sie denn ihren Kopf? Überlegen Sie doch mal: Wird einen Frau durch eine Vergewaltigung zum Täter? Nein, wird sie nicht. Die Evolutionstheorie wurde missbraucht, das ist wahr. Aber wer nicht völlig verblödet ist, braucht keine Angst zu haben, dass er nochmal einer Lüge aufsitzt. Lesen Sie einfach mal das Original, nicht irgendwelche bis zur Unkenntlichkeit verfälschten Abschriften Blinder!

      • @Christian:

        Schade, dass Die nicht begriffen haben, was ich meine :-(

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Das dürfte dann wohl das Ende von Windkraftanlagen sein.

    • @86548 (Profil gelöscht):

      Quatsch... da müssten entweder die konventionellen Energieträger Kohle und Kernenergie ein Revival feiern ("tolle Alternative"), ein Fusionsreaktor entwickelt werden, oder die Solarbranche einen unerwarteten Megaboom hinlegen (kommt zwar, aber nicht "Mega")... und gänzlich ohne Nebenwirkung ist bisher keine Art Energie zu gewinnen. Windenergie ist von den praktikablen einfach bisher die schonendste mit dem besten Ertrag...

      • 8G
        86548 (Profil gelöscht)
        @Neinjetztnicht:

        Sie unterschätzen die Macht des Bund Naturschutz.

  • 3G
    33523 (Profil gelöscht)

    Keine Angst! Niemand außerhalb der taz-Leserschaft wird wirklich ernsthaft in Erwägung ziehen eine bestimmte Form der Energiegewinnung zu Beschneiden weil sie evtl. den Fortbestand des Mäusebussards gefärdet.

  • Von Igeln und andere Tieren auf deutschen Strassen leider gar nicht zu sprechen.

    Da müsste man dann eigentlich den Individualverkehr verbieten, was aber komoscherweise keiner fordert.

    Ich habe nach den wirklich dezimierenten Beständen zu Zeiten, als es noch DDT gab, in den letzen Jahren selten so viele Bussarde gesehen wie jetzt ( auch in Windradnähe).

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Wer zählt die Vogelkadaver am Straßenrand, liebe Windkraftgegner?

    • @571 (Profil gelöscht):

      Das lässt sich auch auch schwer vergleichen.

      Windkraft dient ausschließlich dem Umweltschutz. Wenn nun klar ist, das Windkraft tötet, aber völlig unklar ist, ob sie langfristig schützt steht ihre Existenzberechtigung in Frage.

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Horst Horstmann:

        "Windkraft dient ausschließlich dem Umweltschutz."

        Ach so, und ich dachte immer, sie dient der Stromerzeugung mithilfe kostenloser und endlos verfügbarer Primärenergie.

      • @Horst Horstmann:

        Sagen Sie mal eine Energiequelle, bei der keine Tiere sterben. Außer Solar bleibt da nichts übrig und selbst da muss man Sand abbauen und erwischt vermutlich einige Viecher.

        • @LeSti:

          Außerdem vermute ich, dass die Produktion von Solarzellen auch nicht besonders schonend funktioniert. Stichwort: Rohstoffe...

          • @Neinjetztnicht:

            Rohstoffe braucht man für WKA`s auch, Seltene Erden...

            ...von nix kommt nix!

            • @Waage69:

              Dann informieren Sie sich bitte erstmal über neue Entwicklungen der Firma enercon... Stichwort: Generatoren ohne seltene Erden... geht alles wenn gewollt.

    • 3G
      33523 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      Hoffentlich keine Wissenschaftlicher die aus Seuergeldern bezahlt werden.