Nach rassistischem Gegröle auf Sylt: Kampen hat sich wieder beruhigt
Vor einem Monat hatten Partygäste im Club Pony auf Sylt rassistische Parolen gegrölt. Ein Videoschnipsel davon ging viral. Die Ermittlungen dauern an.
Während im Nobelort Kampen nach dem viel beschriebenen Rassismuseklat vor einem Monat alles wieder so zu sein scheint wie immer, hat sich seit einer Pfingstparty für mindestens zwei Männer und eine Frau Grundlegendes verändert.
Zu Pfingsten hatten sie auf der teilweise überdachten Terrasse des Pony zur Melodie des Partysongs „L'amour toujours“ von Gigi D'Agostino – anscheinend völlig ungeniert und ausgelassen – rassistische Parolen gebrüllt. Einen Monat nach Bekanntwerden dieser rassistischen Vorfälle ermittelt die Staatsanwaltschaft in Flensburg weiter gegen sie.
„Die Ermittlungen werden sicherlich noch einige Wochen dauern“, sagte Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt der Deutschen Presse-Agentur. Es werde wegen des Verdachts der Volksverhetzung ermittelt, gegen einen der Männer außerdem wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Vorfall auf Sylt wurde vor einem Monat bekannt
Auf einem wenige Sekunden langen Video, das am Pfingstsamstag bei einer Party mit mehr als 500 Feiernden in der bekannten Bar mit Club entstanden sein soll, ist zu sehen und zu hören, wie junge Menschen „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!“ grölen. Ein Mann macht eine Geste, die an den Hitlergruß denken lässt. Am 24. Mai hatte die Polizei den Vorfall publik gemacht.
Der Mitschnitt sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Die besonders breite Empörung dürfte auch darin begründet gewesen sein, weil er verdeutlichte, dass rassistische Äußerungen kein Phänomen allein von saufenden Neonazis oder Dorfprolls sind, sondern auch in der reichen Oberschicht zu finden sind.
Die Pony-Betreiber hatten kurz nach Bekanntwerden der Vorfälle öffentlich Position bezogen. Jetzt wollten sie sich auf dpa-Anfragen nicht äußern. Auf der Instagram-Seite der Bar ist noch immer der Post angepinnt, in dem sie sich vor vier Wochen von dem Fall distanziert und gegen „Rassismus, Faschismus und jegliche Form von Diskriminierung“ ausgesprochen sowie erklärt hatten, die verantwortlichen Party-Gäste anzuzeigen.
Nach eigenen Angaben hatten sie Morddrohungen erhalten, sagten die Club-Betreiber. „Wir werden aufs Übelste beleidigt und erhalten Morddrohungen“, schrieben sie auf dem Instagramprofil des Clubs. Dazu veröffentlichten sie eine Sequenz aus einem Überwachungsvideo, das die Szene aus einem anderen Blickwinkel zeigt.
Zwei weitere mögliche Rassismus-Fälle auf Sylt
Sequenzen einer Pfingstparty ohne rassistische Gesänge oder einen Zusammenhang dazu teilten die Betreiber vor rund zwei Wochen auf Instagram: Junge Frauen tanzen dort mit gefüllten Gläsern in engen Kleidern und kurzen Röcken, Männer wippen in weißen Hemden fröhlich lachend zu Techno-Beats.
Grelle Drohnenbilder zeigen Luxusautos und schnelle Schwenks über Feiernde auf der Terrasse. Aus Magnumflaschen wird Champagner ausgeschenkt, parallel dazu ist der Schriftzug „Champagne-Shower“ mit drei Flaschen-Emojis eingeblendet. Halt die übliche Sylt-Dekadenz der Reichen und Schnöden ohne braunes Beiwerk.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt allerdings auch noch in zwei weiteren Fällen – die ebenfalls zu Pfingsten in Kampen passiert sein sollen. In dem einen Club soll ein Gast ebenfalls „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ gerufen haben, hier wird jetzt wegen Volksverhetzung ermittelt.
In einem dritten Fall sei laut Winterfeldt ein Beschuldigter gefunden – er muss sich jetzt wegen Körperverletzung, Volksverhetzung und Sachbeschädigung verantworten. Er soll am Pfingstsonntag auf einer Straße nahe einem Strandlokal in Kampen eine 29-jährige Frau attackiert und rassistisch beleidigt haben – bei dem Angriff wurde die Frau laut Polizei leicht verletzt.
Sylter Dehoga-Chef: Insel ist keine Rechten-Hochburg
Die Stimmung im Dorf sei, nach einigen turbulenten Tagen, jetzt glücklicherweise wieder ruhig, sagte Kampens Bürgermeisterin Stefanie Böhm (Kampener Wählervereinigung). „Sylt hat eine Strahlkraft: Durch die bundesweite mediale Öffentlichkeit nach dem Vorfall im Pony werden einige Menschen vielleicht sensibler und achtsamer sein.“
Das könne demnach dazu beitragen, dass viele bei ähnlichen Vorkommnissen andernorts noch genauer hinschauen und hinhören. „Gerade in diesen Zeiten müssen wir in Bezug auf solche rassistischen Äußerungen alle achtsam und aufmerksam sein.“ So etwas habe auf keiner Pfingstparty, auf keiner Feier überhaupt, etwas zu suchen.
Auch Dirk Erdmann, Sylter Dehoga-Chef und Betreiber des Hotels Rungholt in Kampen, zeigte sich erleichtert: „Wir sind froh, dass sich die Sache beruhigt hat, aber wir müssen alle Zivilcourage zeigen, das ist elementar, damit so etwas nicht noch einmal passieren kann“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Europawahl habe deutlich gemacht, in welche Richtung sich Deutschland politisch entwickle – die verhältnismäßig niedrigen Ergebnisse der AfD in Schleswig-Holstein zeigten auch, dass das nördlichste Bundesland und somit Sylt „keinesfalls als Rechten-Hochburg bezeichnet werden kann“.
„Sylt war, ist und bleibt eine weltoffene und freundliche Insel“, teilte Florian Korte, Sprecher Gemeinde Sylt, gegenüber dpa mit. Nach Bekanntwerden des Videos hatte sich die Gemeinde mit dem Tourismus-Service abgestimmt und in kurzer Zeit ein gemeinsames Statement veröffentlicht. Dieses habe selbstverständlich weiterhin Bestand.
Konsequenzen für die Gröler auf Sylt
Als Reaktion auf das Video mit rassistischem Gegröle hatten sich auf Sylt mehrere Dutzend Menschen zu einer Mahnwache im Inselort Kampen versammelt. Sie wollten ein Zeichen gegen rechts setzen. Einige Tage später war eine kleine Gruppe von etwa zehn Punks unter dem Motto „Laut sein gegen rechts!“ durch Westerland gezogen. Später plante die Initiative „Sylt gegen rechts“ eine größere Demonstration vor dem Rathaus in Westerland.
Für einige Beteiligte hatte das Gegröle ein schnelles Nachspiel: Die Werbeagentur-Gruppe Serviceplan Group erklärte, sie habe einen beteiligten Mitarbeiter fristlos entlassen. Auch die Hamburger Influencerin Milena Karl entließ nach eigenen Angaben eine Mitarbeiterin, die dabei war.
Einer beteiligten Studentin hatten ebenfalls schwere Konsequenzen gedroht, ihre Hamburger Hochschule, die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), hatte den Rausschmiss geprüft, sich jetzt aber dagegen entschieden. Ein bis Ende Juli gegen die Studentin ausgesprochenes Hausverbot an der Uni bleibe laut HAW aber bestehen.
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