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Nach der US-PräsidentschaftswahlDie verwundete Demokratie

Kommentar von Jagoda Marinić

Der Sieg Trumps zeigt uns, dass Zuhören nicht mehr reicht. Das alte Amerika bäumt sich auf und es ist Zeit, aufzustehen und laut zu widersprechen.

Zeit, zu widersprechen Foto: reuters

N iemand hat das geglaubt. Niemand hat es vorhergesagt. Clinton lag in allen Umfragen vorn. Es wirkte, als Trump vor einem Jahr antrat, noch lächerlicher und unglaubwürdiger als der Brexit, der viele Europäer aus dem Tiefschlaf gerissen hat. Letzte Nacht hat die Welt erlebt, dass nichts mehr lächerlich und unmöglich ist in diesem postfaktischen Zeitalter. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wird zur Satire seiner selbst.

Es kommt ein Mann an die Macht, der monatelang alle Prinzipien, auf denen eine pluralistische Demokratie fußt, verbal mit Füßen getreten hat. Er hat all das, was Obama in den letzten Jahren als Stil und Anmut in das Amt des Präsidenten brachte, mit Spott und Hohn versehen. Das Unbegreifliche: Es ist einer ins Weiße Haus eingezogen, der weder ein politisches Programm hat noch Erfahrung in der Politik. Einer, dessen Reichtum auch auf der billigen Arbeitskraft von Einwanderern beruht, er sie deswegen aber nicht respektiert. Der weiße ungebildete Mann aus der Arbeiterklasse hat Trump nun den Einzug ins Weiße Haus gesichert. Wie viele wünschen sich jetzt, diese Wählergruppe hätte in Bernie Sanders ihr Sprachrohr gefunden.

Wie sollen wir unseren Kindern etwas erklären, wenn wir es selbst nicht verstehen? Was Trump ins Amt gehievt hat, ist mit dem, was wir Populismus nennen, nicht mehr zu greifen. Trump hat kein Programm, kein Leitbild, keine Erfahrung – was er hat, sind Bekanntheit, Reichtum und Unverfrorenheit. Die Wähler wählen einen, der am und im Establishment entlang reich wurde, um dem Establishment eins auszuwischen. Die Widersprüche unserer Zeit sind kaum mehr zu verstehen.

Eines ist jedoch klar: Es ist das alte Amerika, das man überwunden glaubte, das sich hier aufbäumt. Einen WhiteLashnannte es der CNN-Kommentator Van Jones – ein Backlash einer Nation, die sich im Wandel befindet, zurück in die alte Weltordnung.

Unbekanntes Land

In dieser vertrauten Weltordnung wird es auch keine Frau an der Spitze der USA geben. Hillary Clinton muss den Platz nun einem Mann überlassen, von dem sie sagte, dass er nicht einmal seinen Twitter-Account im Griff habe. Und die vielen, die dachten, Georg Diez hätte in seinem Essay „Die bizarre historische Logik“ über die Möglichkeiten eines Siegs von Trump die Welt viel dunkler gezeichnet, als sie ist, müssen jetzt, da Donald Trump in einem Land wie den Vereinigten Staaten gewinnen konnte, einsehen: Der Marsch durch die Institutionen soll nun in eine andere Richtung gehen.

Bisher zeigten die Wahlergebnisse der Jugend immer bessere Aussichten für eine offene, liberale Welt. Doch jetzt wird die Jugend von morgen mit anderen Vorbildern konfrontiert, mit anderen Werten. Mit dem Wahlkampf eines brüllenden Präsidenten, der Einwanderer monatelang beleidigt oder kriminalisiert hat. Das Beste daran könnte sein, dass es der Anfang einer großen Bewegung wird und wir wieder einen wie Bob Dylan brauchen werden, der die Melodien für die Revolution singt.

Die Mobilisierung der Wähler scheint in erster Linie eine Mobilisierung der Antidemokraten zu sein

Denn die Stimmen der USA, die für Menschenrechtsbewegungen und Menschenrechte kämpfen, werden nicht verstummen. Der Ökonom Paul Krugman schrieb letzte Nacht von seinem „unbekannten Land“. Weder er noch die Leser der New York Times scheinen dieses Land zu kennen. Er schreibt, es könnte sich um einen „Failed State“ handeln, in dem Demokratie doch nicht siegt. Viele spotten jetzt, linke Demokraten erfreuten sich an demokratischen Wahlen nur, wenn die Ergebnisse in ihr Weltbild passen. Das stimmt so nicht. Aber linke Demokraten werden sich nie an Wahlen erfreuen, wenn sie autoritäre Herrscher mit demokratischen Mitteln an die Macht bringen. Wenn politische Propaganda auf Kosten von Minderheiten geht und so Mehrheiten zusammenbringt. Aber all das hat Deutschland in den letzten Wochen zu Genüge analysiert. Wir wissen bald mehr über die USA als über uns selbst.

Ich gehöre nicht zu denen, die glauben, so etwas könne nur in den USA passieren. Genug Menschen hier würden sich über eine Wiederherstellung der Welt von gestern freuen, ohne an die langfristigen Konsequenzen zu denken. Die internationale Rechte in Europa steht bereit und reibt sich die Hände, wenn ihr plötzlich das Mutterland der Menschenrechtsbewegungen vorangeht. Hat sich nicht in den letzten Jahrzehnten die Linke bei ihren Wertediskursen auf die liberalen, vielfältigen USA berufen? Es ist, als wollten nun einige das Ganze auf Teufel komm raus noch einmal spiegelverkehrt. Als wäre das, was wir die letzten Jahrzehnte in Europa gelebt haben, nicht auch ein Ausweg aus dem Geisteszustand gewesen, der uns jetzt wieder einzuholen scheint.

Auf dem Rücken anderer

Auch in den USA ist es, ähnlich wie zuletzt bei der gescheiterten Präsidentschaftswahl in Österreich, ein Kampf des Ländlichen gegen das Urbane. Europa und die USA haben derzeit mehr gemeinsam, als viele meinen. Es ist, im Gegensatz zu Europa, der Sieg des ungebildeten weißen Mannes, der normalerweise nicht wählen geht. Gemeinsam ist beiden wiederum: Die Mobilisierung der Wähler scheint eine Mobilisierung der Antidemokraten zu sein. Sie riskieren, als ginge es um nichts, sie waren ohnehin an der Politik nicht beteiligt, meinen sie, und wollen nun dennoch als Betroffene die Quittung geben. Einer Politik, die, zugegebenermaßen, viel zu viele auf der Strecke gelassen hat.

Ich sitze hier am Pariser Platz beim Brandenburger Tor, anlässlich einer Konferenz über die Seele Europas. Gegenüber steht die US-Botschaft und die Flagge weht vor eben noch strahlend blauem Himmel. Meine Freunde aus den USA schreiben, es werde jetzt erst recht gekämpft. Klopf dir den Staub ab, wenn du hinfällst, und fang ganz von vorn an, so lautet sinngemäß einer der berühmtesten Liedtexte des Landes, das eben einen für uns völlig unberechenbaren Staatschef gewählt hat. Einer wie Trump würde auch diesen Sinatra-Song missbrauchen, um seinen Sieg zu feiern, den er auf dem Rücken anderer errungen hat. Es ist jetzt an uns, dafür zu kämpfen, dass der gemeinte Neubeginn einer ist, der eine humane Geschichte erzählt und nicht von der Erniedrigung anderer lebt.

Auf der Europa-Konferenz hier wird viel vom Zuhören geredet. Wir müssten jetzt besser zuhören, all jenen, die Werte liberaler Demokratien nicht teilen. Ich teile diese Meinung des Zuhörens nicht. Es ist die Zeit des lauten Widersprechens angebrochen. Man darf seinen Feinden nicht ähnlich werden. Aber man darf auch nicht anständig den Kopf senken, argumentieren, als würde man gehört, wenn man merkt, es geht um Deutungshoheit und letztlich Macht. Es geht darum, wer diese Welt stärker prägen darf.

Bild: Cristina Beltran
Jagoda Marinić

ist Autorin und leitet das Interkulturelle Zentrum Heidelberg. Im Frühjahr erschien bei Hoffmann und Campe ihr Band „Made in Germany. Was ist deutsch in Deutschland?“ Sie twittert zum Zeitgeschehen unter @jagodamarinic.

Es muss jetzt laut und klar geredet und gekämpft werden. Es muss knallhart widersprochen werden. Es kann nicht sein, dass ab jetzt in der Politik die Sprache des Härteren gewinnt, der Showmensch am Ende der Wahlkampfshow einen Schlüssel zur Welt in der Wirklichkeit erhält. Und das nur, weil wir ihm zugehört haben und dachten, das reicht.

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31 Kommentare

 / 
  • Ich denke, dass Kommentatoren wie Jaroslaw Majchrzyk beim focus besser aufgehoben sind.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @nzuli sana:

      Meine wenigen Versuche, in FO-Foren Beiträge zu verfassen führten ganz schnell zu 1)Nichtveröffentlichung 2)Benutzersperre.

       

      Bin den FO-Praktikanten anscheinend zu links gewesen, was allerdings keine Kunst ist.

       

      Für Leute wie Sie oder Frau MArinic empfehle ich den folgenden Artikel:

      https://www.theguardian.com/commentisfree/2016/nov/09/donald-trump-white-house-hillary-clinton-liberals

       

      und da v.a. den Satz:

       

      "Maybe it’s time to consider whether there’s something about shrill self-righteousness, shouted from a position of high social status, that turns people away."

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Es ist, im Gegensatz zu Europa, der Sieg des ungebildeten weißen Mannes, der normalerweise nicht wählen geht. Gemeinsam ist beiden wiederum: Die Mobilisierung der Wähler scheint eine Mobilisierung der Antidemokraten zu sein."

     

    Oh Gott, Frau Marinic, Sie sehen so sophisticated aus auf dem Foto mit ihrer Lederjacke und dem weltoffenen Blick und verbreiten hier auf übelste Art und weise ihren sozioökonomischen Rassismus.

     

    Sie haben einfach drauf verzichtet, über die tieferliegenden Gründe für die Wahlschlappe zu reflektieren und stattdessen haben sie es substituiert durch die Verachtung der Menschen ,die nicht so abgestimmt haben, wie Sie es gewünscht hätten.

     

    Dazu noch strotzt Ihr Beitrag von logischen Inkonsistenzen, die wahrscheinlich ein Ausdruck ihrer eingeengten Weltsicht sind.

     

    Beispiel?

     

    Sie schreiben:

    "Der weiße ungebildete Mann aus der Arbeiterklasse hat Trump nun den Einzug ins Weiße Haus gesichert. Wie viele wünschen sich jetzt, diese Wählergruppe hätte in Bernie Sanders ihr Sprachrohr gefunden."

     

    Nun, Bernie Sanders wurde von der eigenen Partei = DNC + Clinton-Team aufs Übelste beschissen, weil die Demokraten-Bonzen die Politik und Person wollten, die den Unternehmen, der Wall-Street und dem saturierten, arrivierten urbanen Milieu dient. Ein Land ist mehr. Das haben die Demokraten vergessen. Das wissen Leute wie Sie anscheinend auch nicht. Lebenslanges Lernen ist wohl angesagt. Lernen Sie was draus.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      "Nun, Bernie Sanders wurde von der eigenen Partei = DNC + Clinton-Team aufs Übelste beschissen, weil die Demokraten-Bonzen die Politik und Person wollten, die den Unternehmen, der Wall-Street und dem saturierten, arrivierten urbanen Milieu dient. Ein Land ist mehr. Das haben die Demokraten vergessen. Das wissen Leute wie Sie anscheinend auch nicht. Lebenslanges Lernen ist wohl angesagt. Lernen Sie was draus."

       

      Ich glaube Sie ziehen die falschen Schlüsse aus einfachen Sätzen. Es ist ein Unterschied zu sagen "die demokratische Partei hat Sanders gechasst", oder "viele Menschen wünschen sich, Sanders hätte als Sprachrohr angeboten." Oder steh ich auf dem Schlauch... "Wie viele..." impliziert für mich nicht zwangsweise nur Parteimitglieder...

  • Die Mobilisierung der Wähler scheint eine Mobilisierung der Antidemokraten zu sein.

     

    ----was ist undemokratischer, als ein Wahlergebnis nicht zu akzeptieren, weil der Falsche von den Falschen gewählt wurde?

  • Sam Harris hat die Lage vor der Wahl richtig eingeschätzt und die Kandidaten aus der Vernunftsperspektive beleuchtet:

    https://www.youtube.com/watch?v=ACDqFL8mW3s

  • Also ich kann einige Kommentare ganz und gar nicht nachvollziehen. Als ob eine politische Richtung automatisch richtig und gut wird, wenn nur genügend Bürger ein Kreuzchen dafür machen. 1933 hat Hitler in Deutschland mit seiner NSDAP mit über 42 Prozent gesiegt und sie haben sich alle geirrt und zwar gründlich.

     

    Natürlich sind die meisten Wähler von Trump ungebildet. Nein, damit meine ich nicht automatisch das sie dumm sind, aber ganz offensichtlich haben die Allermeisten von Politik nicht mal die Leiseste Ahnung.

     

    Genau deshalb bin ich auch mittlerweile der festen Überzeugung, das eine parlamentarische Demokratie wie sie fast überall auf der Welt praktiziert wird, nicht funktionieren kann. Zumindest nicht mit diesen Wahlmethoden, indem man jeden Bürger einfach alle paar Jahre ein Kreuz abverlangt. Man überlässt allen Ernstes die Zukunft der halben Welt Leuten deren geistiger Horizont kaum über ihr heinmisches Maisfeld hinausreicht. Politische Bildung und Aufklärung wäre das Allermindeste was dringend geboten wäre.

     

    Und natürlich darf man sich aufregen. Trump und seine Anhänger sind allesamt der Meinung Demokratie wäre allenfalls die Wahl einer Mehrheit derer sich die Minderheit halt einfach unterzuordnen hat, notfalls auch durch Verzicht auf Menschen- oder Bürgerrechte. Demokratie basiert aber zu allererst auf der Freiheit eines jeden einzelnen Induviduums. Erst wenn diese Freiheit für alle Bürger gegeben ist, können diese Bürger sich daran machen und Demokratie mitgestalten und nicht umgekehrt.

    • 6G
      628 (Profil gelöscht)
      @aLuckyGuy:

      Was ist Ihr Vorschlag? Wahlrecht nur noch für die "Gebildeten"?

  • Aus Michael Moores To-Do-List für den Morgen nach der Wahl - Punkt 4:

    "4. Everyone must stop saying they are 'stunned' and 'shocked'. What you mean to say is that you were in a bubble and weren't paying attention to your fellow Americans and their despair.'

  • Zu erkennen, dass man nicht versteht, ist ein guter Anfang! Man sollte in solchen Situationen aber nicht den Reflexen des Verstandes das Feld überlassen - besser wäre es, sich statt dessen die Zeit nehmen und um die Wahrheit ringen. Durchatmen, einen Schritt zurücktreten, sich Zeit nehmen und neuen Betrachtungen eine Chance geben.

  • White Trash im White House... passt doch.

  • "Es muss jetzt laut und klar geredet und gekämpft werden. Es muss knallhart widersprochen werden. Es kann nicht sein, dass ab jetzt in der Politik die Sprache des Härteren gewinnt, der Showmensch am Ende der Wahlkampfshow einen Schlüssel zur Welt in der Wirklichkeit erhält"

    liebe taz, ist das wirklich alles, was euch nach eurer fürchterlichen peinlichkeit, aufs falsche pferd gesetzt zu haben, an abstrusen gedanken einfällt: harte sprache gegen die sprache des härteren ? ich denke, in den usa hätte bei der "postfaktischen" wechselstimmung ein besenstiel mit lautsprecher genügt, die wahl zu gewinnen. es geht doch nicht darum, trump in die waden zu beissen. wir sind doch nicht erst "postfaktisch", sondern bereits in einer "postdemokratischen phase", in der die vom turbo- kapitalimus abgehängten, ängstlichen, hilflosen es endlich jenen eliten heimzahlen können, die ihnen den hunger nach sozialer gerechtigkeit nicht stillen, sondern sich weiter bedienen - merkt ihr auserlesenen schreiberlinge eigentlich nicht, dass ihr diese reisserische stimmung erfolgreich auch bei uns bedient, weil ihr den raubbau der ungleichheit und ihre neoliberalen protagonisten in wirtschaft, politik und gesellschaft nicht energisch genug angeht - frauke petry als kanzlerkandidatin und 30 % afd als stärkste fraktion: wann endlich geht euch ein licht auf ?

  • "Es muss knallhart widersprochen werden. Es kann nicht sein, dass ab jetzt in der Politik die Sprache des Härteren gewinnt..."

     

    Ähm... ja...

    Diese Aussage zeigt recht gut die Einstellung vieler (Neo-)Liberaler: Die Harten müssen härter bekämpft werden.

    Ein Nachdenken über den Punkt, ab dem man selbst für andere zu den Harten gehört, findet leider nicht statt. Und damit ist alles für die Katz. Altes Lied: Wir dürfen alles, weil wir die Guten sind. Warum nochmal? Weil's so is'!

  • Seit langem wünsche ich mir von der linken Seite des politischen Spektrums ordentliche und überzeugende Antworten auf diesen immer stärker werdenden rechten Spuk.

    Stattdessen inhaltsleere Phrasen ("wir müssen laut sein", "den Gegner stellen" etc.) und teils arrogante Herabwertungen "abgehängte weiße Männer".

    So wird das nichts! Wie wäre es mal, die Ängste und Sorgen der Menschen anzuhören, ernst zu nehmen und in die politische Arbeit einfließen zu lassen?

    Die Stärke der Einen ist häufig auch die Schwäche der Anderen.

  • Ja, tatsächlich, wir können jetzt ewig weitermachen im Zuhören (Zitat Ärzte: Deine Gewalt ist nur ein stummer Schrei nach Liebe, deine Springerstiefel sehnen sich nach Zärtlichkeit...). Wir könnten aber auch überlegen, ob nicht wir es sind, die sich Gehör verschaffen müssten und zwar dringend! Noch ein Zitat, diesmal von Ernst Jandl : die Falken: chäääääääääää!!!! - die Tauben: wie bitte?

  • Es ging hier nicht um "Neues Amerika" gegen "Altes Amerika". Es ging hier "Altes Establishment" gegen "Altes Amerika" gegen "Neues Amerika".

    Das "Neue Amerika" wurde unfair ausgebremst. Das alte Establishment hat gegen das noch ältere Amerika verloren. Es ist das alte Establishment, welches vorgibt progressiv zu sein aber in Wirklichkeit korrupt und konservativ ist. Es wird nicht mehr gewählt, vom "alten Amerika", weil diese keine progressive Regierung wollen. Es wird aber auch nicht mehr gewählt vom "neuen Amerika", die keine korrupte alte Politik mit progressiver Fassade mehr möchten.

    Unverständlich erscheint dabei nur auf den ersten Blick, warum jemand der hohe Standards predigt, sie aber nicht einhält, strenger bewertet wird, als jemanden, dem diese Standards von vornherein egal sind.

    Die Hoffnungen, dass die Wähler_innen "zur Vernunft" kommen würden ist leider genauso vergebens wie dass das Establishment sein korruptes Wesen an der errichteten Fassade ausrichten würde.

    Deutschland drückt über die EU-Kommission über CETA Schiedsgerichte durch, die weder Kanada noch die Bevölkerung will. Korruptionsbekämpfung wird in der EU missbraucht um ausgerechnet den Kommissar los zu werden, der sich der Bestechung durch die Tabakkonzerne widersetzt.

    Ausserdem messen wir mit zweierlei Maß, wenn wir Oettinger nach seinem Versagen als Digitalkommissar und trotz seiner Ausfälle, die so auch von Trump hätten kommen können ins nächst höhere Amt hochloben.

    Wer seine Ideale so mit Füssen tritt darf sich wirklich nicht wundern, wenn die Bevölkerung jemanden wählt, der die Ideale genauso mit den Füssen tritt aber die dumpfen Emotionen der Bevölkerung anspricht.

  • 3G
    3641 (Profil gelöscht)

    "Niemand hat das geglaubt. Niemand hat es vorhergesagt. Clinton lag in allen Umfragen vorn."

     

    Stimmt nicht! Da gab's diesen alten weisen Mann, der es schon wusste: https://www.youtube.com/watch?v=YKeYbEOSqYc

    • @3641 (Profil gelöscht):

      Klasse Video - Danke!

  • Hat das Stil? Ist das anmutig?

     

    Nein. Sich hinzustellen und zu sagen: "Ich bin geschockt. Ich kann die Leute nicht verstehen, die diesen Mann gewählt haben. Ihr Verhalten kann ich meinen Kindern nicht erklären", ist weder anmutig noch hat es Stil. Es ist entweder eine Bankrotterklärung oder eine Beleidigung. Es bedeutet nämlich entweder, dass man sich nicht herablassen will auf das Niveaus, von dem aus man die Perspektive der Trump-Wähler hat, oder dass man diese Leute für komplett verrückt hält.

     

    Was wohl Obama dazu sagen würde? Der (Ex)-Präsident hatte ja versprochen, dass er es wenigstens versuchen will. Dass er gescheitert ist, muss ja nicht heißen, dass es absolut nicht geht.

     

    Also, liebe Kinder, was wissen wir? Wir wissen, dass die Welt sich wandelt. Was gestern noch als sicher galt – dass es zum Beispiel völlig richtig ist, sein Kinder zu prügeln, wenn es einen Fehler macht – ist heute nicht mehr ganz so wahr und morgen vielleicht schon strengstens verboten.

     

    Für alle Kinder ist das einfach wunderbar. Für manche Eltern ist es aber ein Problem. Wer selber mit Gewalt erzogen wurde, der weiß schlicht nicht, wie es denn anders gehen soll. Der wünscht sich manchmal sehr sein altes Recht zurück, sein Kind zu schlagen, wenn es Nachbars Katze quält und der deswegen einen Polizisten ruft oder den Staatsanwalt.

     

    So ähnlich ist das mit den Trump-Wählern. Sie wollen, dass es wieder so wird, wie es einmal war: Wer weiß und Mann ist, soll die Anderen kommandieren dürfen, ganz ohne dass er klüger und geschickter ist. Den eignen Vater haben sie ja auch vor allem wegen seines Gürtels respektiert.

     

    Das kann man dumm nennen, feige oder rassistisch, aber davon geht es auch nicht weg. Man lernt nur aus Erfahrung, wie das gute Leben geht. Und wenn man eigene Erfahrungen nicht machen darf, weil andre glauben, dass sie hätten Oberlehrer werden sollen, dann bleibt man eben dumm und muss WhiteLash betreiben, auch wenn man nicht weiß, was genau das ist.

    • @mowgli:

      "So ähnlich ist das mit den Trump-Wählern. Sie wollen, dass es wieder so wird, wie es einmal war[.]"

       

      Bis dahin hatten Sie Recht - und dann ist es ganz schnell wie in die typische Dämonisierung abgeglitten. Trumpwähler wollen wieder einigermassen solide Jobs haben, ihre Gemeinden nicht den Bach runtergehen sehen, respektiert werden.

      Die demokratische Partei hat ihnen kommuniziert, dass sie sich ihre beschissene Lage entweder nur einbilden oder selbst dran Schuld sind. Trump hat ihnen Sündenböcke geliefert. Beide Erklärungen sind falsch, aber von der ersten wissen sie das aus persönlicher Erfahrung.

  • Anstatt innezuhalten und vielleicht mal über Fehler des "Establishment" nachzudenken, wird hier schon wieder auf andersdenkende Demokraten eingedroschen. Viele, auch in Deutschland, sind es leid, sich vorschreiben zu lassen, in welchen Kategorien sie denken und reden dürfen. Sie sind gegen die Diffamierung und Ausgrenzung von Menschen, die ihre Argumente gegen den Mainstream der politischen und medialen Klasse formulieren. Und das sind nicht nur Abgehängte und alte weiße Männer, nein auch viele, die es intellektuel mit dieser Klasse aufnehmen können oder sie gar übertreffen (da gehört bisweilen aber auch nicht viel Intelligenz dazu).

    Die Deutungshoheit der selbsternannten Welterklärer schwindet, die Alltagsrealität wird auch sie einholen. Vielleicht sollten diese Erklärer tatsächlich sich herablassen und einem nicht studierten Facharbeiter oder Angestellten im Dienstleistungsektor auf Augenhöhe zuhören. Keine Bange: das sind keine Schmuddelkinder, sie können auch reden, wenn auch nicht so geschliffen.Und vielleicht wird dann so manches klarer. Nur zu, das wäre der beste Beitrag, um die Rattenfänger der AfD und anderer Parteien klein zu halten. Ich erwarte das von diesen beiden Klassen. Gesellschaftsklassen.

  • Angesichts Ihres Rumreitens auf dem "ungebildeten weissen Mann", schlage ich vor, dass Sie sich mal die Analysen zu Gemüte führen, die zeigen, dass Clinton auch bei weissen Frauen verlor und bei Latinos deutlich schlechter abschnitt, als Obama in den letzten beiden Wahlen.

     

    Und wenn Krugmann Zweifel an der Demokratie in den USA hegt, ist das eben gerade kein Linker, der das ausspricht, sondern ein Liberaler.

     

    Zu guter Letzt: "postfaktisch" ist, wenn Einkommen stagnieren oder sinken und Politiker erzählen, dass alles gut sei und man nur so weiter machen müsse.

    • @BigRed:

      Sehr guter Leserkommentar! Ich denke auch, dass Leute wie die Autorin hier (bewusst) ganz gerne "links" mit (wirtschafts)"liberal" verwechseln. In diesem Sinne ist es auch falsch Trump ein Wahlprogramm abzusprechen, denn er vertritt ganz klar protektionistische Positionen. Auf der anderen Seite setzt sein Programm als absurd zu bezeichnen (wie ja auch häufig schon geschehen) die Annahme voraus, dass die Globalisierung ein nicht aufzuhaltender Prozess ist. Die Prämisse ist demzufolge: "wer nicht mit dem Strom schwimmt, wird (zu Recht) untergehen". Und da kommt dann wieder der "abgehängte alte weiße Mann" ins Spiel, der ja angeblich längst eine Minderheit ist (sieht man ja...). Was die Autorin und ihre Brüder und Schwestern im Geiste nur anscheinend nicht so ganz verstehen zu scheinen ist, dass sich die wenigsten Menschen gerne beschimpfen lassen und dass Trotz eine sehr menschliche Eigenschaft ist...

      • @Henrik Bahr:

        Danke für die Kommentare. Und die Krone setzt dem ganzen die ganz selbstverständliche Bezeichnung "White Trash" für die ungebildete weiße Schicht auf (unter anderem hier auf taz.de gestern nach der Wahl). Wie bitte würden Sie sich fühlen, wenn Sie jemand als Abfall bezeichnet?? Ich finde das Ergebnis daher nicht so schockierend und unerklärlich wie viele sagen (vorgeben). Und vielleicht müssen wir unseren Kindern einfach sagen, dass sich in der liberalen, politischen Elite eine gewisse Arroganz und Abgehobenheit breitgemacht hat. Wenn das so weitergeht, werden wir das auch in Europa bald in Gestalt von Wilders, Le Pen etc. sehen dürfen. Anstatt zu jammern sollten wir wirklich überlegen, was wir besser machen können. Denn die Kreuze bei Trump sind da nicht von Blinden hingemalt worden oder vom Himmel gefallen!

      • 2G
        2730 (Profil gelöscht)
        @Henrik Bahr:

        Es geht noch weiter, ich zitiere aus dem Artikel: "...der Sieg des ungebildeten weißen Mannes".

         

        Und in diesem einfachen und dummen Satz liegt eine grundsätzliche Wahrheit bzgl. des Trump-Sieges begründet.

         

        Denn wenn man - jedenfalls nach Fr. Marinic's Ansicht - zumindest einen Hochschulabschluss braucht, um als "gebildet" qualifiziert und damit ernstgenommen zu werden, dann geht man doch lieber zu denen, die einen zumindest das Gefühl geben, ernst genommen zu werden.

        Denn das sei allen Salonlinken mal deutlich gemacht: Die Linke entsprang der Arbeiterbewegung und unter den Gründern fand sich kein karrieregeiler Uniabsolvent.

         

        Das Wahlergebnis ist die Quittung für den Missbrauch von einfachen Menschen, den Missbrauch als Stimmvieh.

        Denn weil sie sich nicht ernst genommen fühlten, wählten sie ein Trumpeltier.

        Das nimmt sie zwar auch nicht ernst, gibt diesen Menschen aber das Gefühl, einer von ihnen zu sein.

    • @BigRed:

      Ihre Hinweise werden leider nichts nützen, auch wenn sie faktisch richtig sind, was die Wähleranalysen angeht. Wir leben halt in einer postfaktischen Welt. Schöne Ausrede für alle Realitätsverweigerer.

      Nebenbei: Gestern war der 9. November. Für Deutschland ein Schicksalstag.

    • @BigRed:

      "Und wenn Krugmann Zweifel an der Demokratie in den USA hegt, ist das eben gerade kein Linker, der das ausspricht, sondern ein Liberaler"

       

      Es kommt sehr darauf an, wen man zum Vergleich heranzieht. Im Spektrum z.B. der lebenden Nobelpreis-Ökonomen ist Krugman sehr wohl "links".

  • "Hat sich nicht in den letzten Jahrzehnten die Linke bei ihren Wertediskursen auf die liberalen, vielfältigen USA berufen?" Ist das so? Die USA taugten der Linken in den letzten Jahrzehnten nicht unbedingt immer als Vorbild, vor allem wenn es um imperialistische und hegemoniale Ansprüche ging.

     

    "Die Mobilisierung der Wähler scheint eine Mobilisierung der Antidemokraten zu sein." Trump hat nicht in Aussicht gestellt, die Demokratie abzuschaffen. Es sind rückwärts gewandte Wähler, die vor vielen Sachen Angst zu haben scheinen. Müssen aber nicht zwangsläufig Antidemokraten sein. Denn sonst würden sie per se die Wahl boykottieren, was drüber immer noch viele machen.

     

    "Es ist die Zeit des lauten Widersprechens angebrochen." Gegen jemanden wie Trump? Oder Petry, LePen, Hofer? Das setzt ja voraus, dass der angehört wird, der am lautesten schreit. Das mag zutreffen, muss es nicht. Vielleicht bildet sich der Großteil der Wähler auf eine andere Art und Weise ein Bild, und vielleicht haben die Amerikaner Trump aus anderen Gründen gewählt als wegen seiner Lauthalsigkeit.

     

    Irgendwie bekomme ich das Gefühl, dass sich am Ende zwei Pole brüllend gegenüber stehen, bis keiner mehr überhaupt mehr jemanden versteht.

  • Und auch das ist dieser Tage eine typische Aussage. Man ist alarmiert, aber immer noch unwillig, einfachste Fakten zur Kenntnis zu nehmen:

    1. Nicht nur Trump ist ein notorischer Lügner. Für Clinton kann man maximal in Anspruch nehmen, daß sie weniger offensichtlich lügt, was es nicht besser macht.

    2.Nicht nur Trump ist ein Bastard mit menschlichen Defiziten. Wenn man über Clinton Bescheid wissen will, muß man nur die reine Freude auf ihrem Gesicht sehen, angesichts der Bilder der Ermordung von Ghaddafi.

    3. Entscheidend war die soziale Frage: Trump fuhr in den Rust Belt. Clinton waren diese Abgehängten nicht mal ein paar warme Worte (Lügen) wert.

    4. Trump setzte außenpolitisch, von Mexiko mal abgesehen, eher auf Entspannung. Während sich Clinton, maßgeblich beteiligt am Einrühren von drei Kriegen, sich ausschließlich mit Falken umgab.

    Das sind einfache, offensichtliche Fakten, die jedem bekannt sein können, der nur ein bißchen die Berichterstattung verfolgt hat. Offesichtlich überfordert schon das unsere Qualitätsjournalisten.

    Der aktuelle mediale Aufschrei wäre gerechtfertigt gewesen, als Sanders mit unlauteren Mitteln aus dem Rennen gedrängt wurde. Nachdem nun von zwei Schurken der dümmere (aber unterhaltsamere) übrig geblieben ist, kommt das Jammern viel zu spät.

    Über all das in dem Artikel: Kein Wort. Die Herrschaft der AfD wird immer unausweichlicher. Und die taz ist dran beteiligt. Alles, was ihr (und andere Zeitungen) zu lernen bereit wart, ist, wie man Kommentarseiten sperrt.

    • @eremit:

      Na, ob Trump außenpolititsch wirklich auf Entspannung setzt, das wollen wir doch mal sehen... da wären einmal der IS (hat er ja schon angekündigt den zu vernichten), dann der Krieg gegen die Drogen (da wird keine Mauer helfen) und als weiteres Beispiel Süd-Korea, das ja aggressiver vor dem bösen Norden geschützt werden muss. Im Zuge dessen hat er ja auch schon angekündigt den Etat für Rüstung stark anzuheben... also wenn das Entspannung heißt...