Nach der Corona-Impfung: Die Eingebildeten
Egal ob Astra, Biontech oder Moderna: Geimpfte Menschen haben plötzlich ganz viele neue Kinkerlitzchen. Oder manchmal auch Superkräfte.
Die totale Gaga-Impf-Hypochondrie gibt es in meinem Umfeld“, sagt der Freund beim Griechen und steckt sich drei Oliven in den Mund.
„Du meinst, die Leute haben Angst, davon krank und tot zu werden?“
„Nee, die Geimpften schieben jedes Kinkerlitzchen auf die Impfung!“
„Stimmt“, sagt die Freundin, „wenn mir die Nasenspitze kribbelt, denk’ ich: Ach, guck hier, Biontech, vielleicht muss ich das melden.“
„Die Post-Pandemie-Konfusion ist kein Wunder, fühlt sich ja an, als hätte man einen Katastrophenfilm überlebt!“
„Einen Hollywood-Blockbuster, wo die ganze verfeindete Welt zusammenarbeitet, um das universale Grauen zu stoppen!“
„Und am Ende jubeln alle – von der Wüste bis zum Polarkreis!“
„Wer jubelt denn?!“
„Zumindest die Impfstoffhersteller!“
„Ich hatte neulich den Eindruck, seit der Impfung hätte sich meine politische Haltung verdreht – dachte plötzlich, die FDP könnte ökonomisch eine interessante Alternative sein und ich scheiß auf meinen Humanismus. Und dann dachte ich, ach guck hier, Moderna ist bis in meinen Kopf gerobbt.“
„Corona macht ja auch Sachen im Kopf, ist ein Nervenvirus!“
„Ich hab seit meiner Impfung ständig Bock auf Dosenananas, und meine Ohren fühlen sich knorpeliger an!“
„Ich finde meine Knie und Heiko Maas seit der zweiten Impfung plötzlich sexy!“
Eine Frau vom Nebentisch sagt: „Seit Biontech wachsen an der kahlen Stelle, die ich seit 2001 habe, plötzlich Haare, und ich mag mein CK-One-Parfum wieder, vor dem ich mich Jahre geekelt habe!“
Ihre Freundin sagt: „Ich hab nach der Impfung Sartres ‚Der Existentialismus ist ein Humanismus‘ einfach so verstanden, von der ersten bis zur letzten Seite! Seit 20 Jahren versuch’ ich das!“
„Ich bin nicht mehr wütend auf meine Mutter!“
ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hôtel Jasmin“ ist 2018 im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. Im vergangenen Jahr war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
„Ich habe meine Waschmaschine selbst repariert – ohne Anleitung – und ich hatte nur Astra!“, sagt der Typ vom Service und schenkt Ouzo nach.
Ein Mann zwei Tische weiter ruft: „Ein Freund von mir spricht plötzlich Schwedisch und ich versteh’ seit Biontech, was Pansexualität und die mathematische Konstante Pi bedeuten!“
„Ich hab’ meinen Dachboden entrümpelt!“
„Mein Schweiß riecht nach Sandelholz!“
„Ich höre die Gedanken meiner Katze.“
„Hab’ von einer Frau gehört, der nach Moderna ein Gänseblümchen aus dem Ohr gewachsen ist!“
„Also das glaub’ ich nicht, das geht zu weit, das ist ja surreal!“
„Wir werden alle surreal, denken nur noch positiv und melden es nicht dem RKI, das wird ein Spaß!“
„Freut euch nicht zu früh, die Idee des positiven Denkens birgt teuflische Gefahren!“
„Die des negativen erst recht!“
„Ich hör’ seit meiner zweiten Impfung ständig ‚Der Teufel hat den Schnaps gemacht‘ von Udo Jürgens – und ich liebe es!“
„Du meinst, du spielst es ständig ab?“
„Nein, es ist in meinem Ohr, wie die Blume der Frau!“
„Welchen Schuss hast du bekommen!?“
„Erst Astra, dann Biontech!“
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