Nach der Berlin-Wahl: Berlin findet noch Briefwahlstimmen
Wegen eines Logistikfehlers wurden Hunderte Stimmen nicht gezählt. Noch-Bürgermeisterin Franziska Giffey darf sondieren.
Um wie viele Stimmen es sich genau handelt und welcher Wahlbezirk betroffen ist – oder ob es sich um mehrere Wahlbezirke handelt –, wollte Bröchler am Dienstag nicht sagen. Im Spiegel war die Rede von 450 Briefwahlstimmen für den Bezirk Lichtenberg. „Das entspricht nicht genau der Zahl, die wir haben – aber es ist ungefähr die Größenordnung“, sagte Bröchler. Es könnten „auch noch Stimmen dazukommen“. Es sei nun zunächst Sache des zuständigen Bezirkswahlamts, die Stimmen auszuzählen. Dann werde er „gewohnt transparent“ über das Ergebnis berichten.
Die nachträglich entdeckten Briefwahlstimmen sind pikant, weil der Abstand zwischen SPD und Grünen extrem knapp ausfiel. Lediglich 105 Stimmen beträgt derzeit der Vorsprung der SPD. Beide Parteien erzielten damit bis auf die Nachkommastelle das exakt gleiche Ergebnis hinter der Wahlsiegerin CDU.
Für die Noch-Regierende Franziska Giffey (SPD) hängt von dem Vorsprung ihre politische Zukunft ab: Bleibt die SPD vor den Grünen, kann sie Rot-Grün-Rot fortsetzen. Dass diese Option ihre „klare Tendenz“ wäre, hat sie bereits gesagt. Und nach den Sitzungen der Parteigremien am Montag ist auch klar, dass sie dafür vom Landesvorstand gestützt wird – trotz des historisch schlechten Wahlergebnisses.
Die Grünen wollen das Ergebnis nicht neu auszählen lassen
Wären die Grünen im Falle möglicher Stimmenverschiebungen vorn, ist die Koalitionsbildung noch ungewisser als ohnehin schon. Denn ob die SPD – dann wohl ohne Wahlverliererin Giffey – lieber Juniorpartnerin in einer Großen Koalition mit der CDU wäre oder aber in einer von den Grünen geführten Dreierkoalition mit der Linken weitermacht, ist offen.
Bisher haben die Grünen erklärt, das Wahlergebnis nicht neu auszählen lassen zu wollen. „Ich habe volles Vertrauen in den Landeswahlleiter“, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch. Die Hürden für eine Neuauszählung in einzelnen Wahlbezirken sind hoch: Laut Bröchler muss es dafür Anhaltspunkte für Zählfehler geben, die sich auf die Mandatsverteilung auswirken. Ob das bei den nachträglich entdeckten Briefwahlstimmen der Fall sein könnte, darauf mochte er sich am Dienstag noch nicht festlegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs