Nach dem Sturm auf das Kapitol: Republikaner in der Sackgasse
Der 6. Januar bedeutet einen Bruch in der Republikanischen Partei. Aber eine Abkehr von Trump würde den Weg in eine unbekannte Identität bedeuten.
Diese Angst ist nicht verschwunden – sie ist am Mittwoch allen deutlich geworden. Was Schwarze und People of Color schon seit Beginn von Trumps politischem Aufstieg täglich erfahren konnten, das spürten plötzlich auch die gewählten Abgeordneten und Senator*innen im Kapitol: Angst vor einem außer Kontrolle geratenen Mob, angestachelt direkt aus dem Weißen Haus.
Waren es am Morgen des Mittwochs noch 14 republikanische Senator*innen, die den Einsprüchen gegen die Zertifizierung der Wahlleutestimmen aus den sechs umkämpften Bundesstaaten zustimmen wollten, waren es nach den Sturm aufs Kapitol noch sechs, die Trump ihre Loyalität bewiesen.
Senatorin Kelly Loeffler, die am Vorabend ihren Senatssitz in Georgia an den demokratischen Herausforderer Raphael Warnock verloren hatte, bekundete im Senat sichtlich bewegt, dass sie unter diesen Umständen nicht mehr guten Gewissens für die Einsprüche stimmen könnte, wie sie es noch in Anwesenheit Trumps am Montagabend angekündigt hatte. Auch die Senator*innen Steve Daines aus Montana, Bill Hagerty und Marsha Blackburn aus Tennessee und James Lankford aus Oklahoma zogen ihre Einsprüche unter dem Eindruck der Ereignisse zurück.
Republikanische Senatoren nun gegen Trump
Aus Sicht Trumps wurden sie damit zu den „schwachen“ Republikaner*innen, denen seine Unterstützer*innen mit ihrem Marsch aufs Kapitol Beine machen sollten. So hatte es Trump noch bei seiner Rede auf der National Mall in Washington am Vormittag formuliert.
Der republikanische Abgeordnete aus Texas, Chip Roy, sagte nach der Abkehr von Trumps Wunsch, dass dies sein eigenes „politisches Todesurteil“ sein könne. „Dann sei es so.“ Dies ist umso bemerkenswerter, als dass Roy ein früherer Stabschef des Senators Ted Cruz war, der im Senat noch vor dem Sturm der Demonstrant*innen in einer infamen Rede den Einspruch gegen die Wahlergebnisse von Arizona eingebracht hatte.
Senator Tom Cotton aus Arkansas, einer der vehementesten Trump-Unterstützer, sagte: „Es ist überfällig, dass der Präsident die Wahlergebnisse akzeptiert, aufhört, die amerikanische Bevölkerung in die Irre zu führen, und die Gewalt des Mobs zurückweist.“ Senator Roy Blunt, Republikaner aus Missouri, sagte, er wolle nichts mehr von Trump hören. „Das war ein tragischer Tag, und er war ein Teil davon“, sagte Blunt.
Senator Pat Toomey aus Pennslyvania, auch er ein Trump-Unterstützer, schäumte: „Wir haben heute den Schaden erfahren, den es anrichten kann, wenn Männer in Machtpositionen sich weigern, die Wahrheit anzuerkennen. Wir haben Blutvergießen erlebt, weil der Demagoge sich entschieden hat, Unwahrheiten und Misstrauen unter seinen amerikanischen Mitbürgern zu verbreiten.“
Als ob das neu wäre. Trumps gesamte politische Karriere basiert genau darauf, und auch alle, die jetzt entsetzt auftreten, wissen das. Hätte Trump durch eine schnelle – wenngleich verlogene – Verurteilung der Gewalt den Beschwichtigungsversuch mit den Republikanern gewagt, hätte er damit durchaus Erfolg haben können.
Hass statt Konservatismus
Aber Trump tat nichts dergleichen. Weder in seiner Videobotschaft, während die Aufrührer*innen noch im Kongressgebäude waren, noch in seinem letzten Tweet, der ihm eine 12-stündige Twittersperrung einbrachte (beide inzwischen von Twitter gelöscht), zeigte er auch nur einen Hauch von Distanz zu denen, die gewaltsam ins Kapitol eingedrungen waren. Im Gegenteil: Er dankte diesen „besonderen“ Menschen und riet ihnen, diesen Tag nie zu vergessen.
Da waren die Bemühungen der rechten Medienhäuser wie Fox News, OANN oder Newsmax fast schon anrührend. Sie stellten die Eindringlinge als kleinen Mob dar, der mit dem Großteil der Protestierenden nichts zu tun habe und womöglich gar von Antifa-Aktivist*innen unterwandert sei. Ein letzter verzweifelter Versuch, die Fiktion zu retten, dass Trumps – und ihre eigene – andauernde Verbreitung von Lügen und Hetze keine tödlichen Konsequenzen habe, sondern Teil einer normalen politischen Debatte sei.
Genau an diesem Punkt steht die Republikanische Partei. Über viele Jahre, spätestens seit Newt Gingrichs „konservativer Revolution“ von 1994 hat eine politische Kultur der radikalen Polarisierung, der Organisation von Hass den in der Partei organisierten Konservativismus übernommen.
Schwierige Abkehr
Das machte sich zunächst bei Vorwahlen für Kongress- und Senatskandidaturen bemerkbar, wo plötzlich extreme Politiker gewählt wurden, während sich mit Hilfe des Washingtoner Parteiapparats mit George W. Bush, John McCain und Mitt Romney noch neokonservative oder leidlich moderate Kandidaten durchsetzen konnten – unter immer größeren Schwierigkeiten und ab Ende der 2000er Jahre unter massivem Druck der Tea Party und ihrer Finanziers.
Trumps Kandidatur und seine Präsidentschaft waren die logische, auf die Spitze getriebene Konsequenz dieser Entwicklung. Republikaner ohne Proud Boys, QAnon und infowars.com sind gar nicht mehr mobilisierungsfähig. Eine Abkehr der Partei vom Trumpismus bedeutet insofern viel mehr als nur die Abkehr von Trump: nämlich die Umkehr einer Partei in eine ihr selbst inzwischen unbekannte Identität.
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