Nach dem Brandanschlag in Tröglitz: „Die Rechten profitieren vom Rückzug“
NPD und subkulturelle Nazis geben sich unpolitisch und scheinbar bürgernah – mit Erfolg, sagt der Rechtsextremismus-Experte David Begrich.
taz: Herr Begrich, Sie werfen den Medien vor, nicht zu verstehen, was in der ostdeutschen Provinz geschieht. Was bewegt Sie dazu?
David Begrich: Die Medien greifen auf Narrative der neunziger Jahre zurück, weil sie sich an die noch erinnern können. Aber die Lage ist heute ein andere. Die NPD-Akteure sagen: Was wir machen, hat mit Politik nichts zu tun. Wir vertreten nur den gesunden Menschenverstand, das legitime, direkte Bürgerinteresse. Man entpolitisiert scheinbar, um dann die eigenen rassistischen Inhalte stark zu machen.
Die NPD hat also Erfolg, weil sie sich selbst verleugnet?
Nehmen Sie den Anmelder der Proteste ein Tröglitz: Ein NPD-Kader, der aber permanent betont, er habe das nur als Bürger gemacht, nicht als Kreisrat. Das nehmen die Leute ihm ab. Und deswegen hilft es auch nichts, zu sagen: Das ist ein Nazi. Das spielt dann keine Rolle mehr. Und immer dann, wenn jemand von Außen kommt und dagegenhält, heißt es: Sie vertreten hier ja nur Ihre Parteiinteressen.
Warum verfängt das?
Die Rechten profitieren von zwei Entwicklungen: Die demokratischen Parteien sind in der Fläche auf dem Rückzug. Erst dadurch werden subkulturelle Neonazis und organisierte NPD-Kader handlungsfähig: Sie besetzen den Sozialraum, den andere ihnen überlassen. Damit einher geht eine wachsende Distanz zum politischen System insgesamt in diesen Regionen – übrigens auch zu den etablierten Medien. Das hat man sehr deutlich bei Pegida gesehen.
Die sagen: Der Parteienstreit oder die Medienberichte – die interessieren uns nicht mehr. Wir sehen nur, was uns vor Augen steht, und das ist: Es kommen zu viele Ausländer und die passen nicht hierher. So kann man über eminent politisch Themen diskutieren und gleichzeitig Glaubwürdigkeit gewinnen, indem man sich über die Parteien stellt.
Dem zuständigen Landrat Götz Ulrich wurde vorgeworfen, er habe die Tröglitzer nicht ausreichend in seine Entscheidung eingebunden, dass Flüchtlinge in das Dorf verlegt werden. War das so?
42, ist Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e. V. Sachsen-Anhalt, die den Pfarrgemeinderat und den Landrat in Tröglitz berät.
Überhaupt nicht. Herr Ulrich hat von Anfang an sehr offen und klar kommuniziert, er hat aber auch klargemacht, dass die Frage der Unterbringung für ihn nicht verhandelbar ist. Und er hatte den Mut, sich dafür vergangenen Dienstag in einer Bürgerversammlung drei Stunden lang von Neonazis beschimpfen zu lassen.
Nur wenige Stunden nach dem Brand kam Sachsen-Anhalts Ministerpräsident nach Tröglitz, eine lokale Bürgerinitiative hat eine Kundgebung abgehalten, Privatleute wollen nun die Flüchtlinge aufnehmen. Was hat Ihnen gefehlt?
Es war die richtige Antwort; sie reicht aber nicht. Wie in den 1990er Jahren gibt es Leute, die ihren Rassismus in Sorgen und Ängste kleiden. Anders als damals gibt es heute aber immer auch Menschen, die lokal für eine kosmopolitische Haltung einstehen. Die werden ignoriert. Die gleiche Aufmerksamkeit, die der Ministerpräsident bekommen hat, hätte ich mir für den Pfarrer gewünscht. Leute wie er tun genau das, was die Bundespolitik immer fordert: Sie haben den Mut, lokal, unter schwierigsten Bedingung etwas gegen die Rechten zu tun. Diese Arbeit ist die wichtigste, niemand fragt aber vor Ort, wie sie unterstützt werden kann.
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