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Nach Scheitern der VerhandlungenDie GroKo blockiert Ökostrom

Union und SPD können sich nicht auf neue Regeln zum Windradbau einigen. Stillstand droht. Neben Klimaschutz geht es auch um Arbeitsplätze.

Windenergieanlagen im Morgennebel, Sieversdorf, Brandenburg Foto: Gregor Fischer/dpa

Berlin taz | Dass die Regierungsparteien erneut daran gescheitert sind, eine Einigung zum künftigen Ausbau der Windkraft an Land zu finden, hat in der Erneuerbaren-Branche und bei der Opposition für Empörung gesorgt. „Ich glaub's echt nicht. Es geht um zigtausende Arbeitsplätze, Innovation, Klimaschutz – und um Vertrauen in Politik“, erklärte Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien. „Was soll die Hinhaltetaktik bei der wichtigsten Klimaschutzbranche?“

Für den BUND erklärte der Vorsitzende Olaf Bandt: „Trotz der Dringlichkeit des Ausbaus der Erneuerbaren haben Klimaschutz und naturverträgliche Energiewende bei der Regierung offenbar einen geringen Stellenwert.“ Der Linken-Klimaexperte Lorenz Gösta Beutin sprach von einem „klimapolitischen Trauerspiel“.

Am Donnerstag sollte bei einem Bund-Länder-Gipfel im Kanzleramt eigentlich eine Lösung für den seit Monaten andauernden Streit gefunden werden, wie der zusammengebrochene Windkraft-Ausbau in Deutschland wieder beschleunigt werden kann. Doch nachdem sich die Bundestagsfraktionen von Union und SPD am Vortag nicht hatten einigen können, wurde das Thema, das eigentlich im Mittelpunkt des Treffens stehen sollte, kurzerhand komplett von der Tagesordnung gestrichen. Stattdessen soll der Streit nun in einer neuen Arbeitsgruppe von Bund und Ländern gelöst werden.

Um die deutschen Klimaziele zu erreichen, muss der Ausbau von Windrädern und Solaranlagen stark beschleunigt werden. In der Realität passiert derzeit aber das Gegenteil: Bei der Windkraft werden derzeit weitaus weniger Anlagen gebaut als vorgesehen, weil die Kommunen nicht genug Flächen ausweisen und viele Projekte durch Klagen verzögert oder sogar verhindert werden.

Die Zeit drängt

Trotdem besteht die Union darauf, einen neuen, bundesweit gültigen Mindestabstand von 1.000 Metern von Windrädern zu Wohnhäusern einzuführen – mit dem Argument, dass damit die Akzeptanz von Windparks steigen würde. Die SPD lehnt dies ab, weil Berechnungen ergeben haben, dass die zur Verfügung stehenden Flächen für Windräder bei einem solchen Mindestabstand keinesfalls ausreichen würden. Auch ein Kompromissvorschlag des Wirtschaftsministeriums, wonach die Bundesländer sich aktiv für einen solchen Mindestabstand entscheiden müssten, wenn sie ihn wünschen, stieß in der Unionsfraktion auf Ablehnung.

Neben der Windkraft bedroht die fehlende Einigung auch den weiteren Ausbau der Solarenergie. Denn nach derzeitigem Recht dürfen neue Solaranlagen nur gefördert werden, bis insgesamt 52 Gigawatt Leistung erreicht sind. Auf die Abschaffung dieses sogenannten Solardeckels hatte sich die Große Koalition im Herbst in ihrem Klimaschutzprogramm grundsätzlich geeinigt. Umsetzen will die Union diesen Beschluss aber nur zusammen mit der Neuregelung bei der Windenergie.

Dabei drängt die Zeit: Zum Ende letzten Jahres waren bereits Solaranlagen mit einer Leistung von knapp 50 Gigawatt installiert; der Deckel wird damit in wenigen Monaten erreicht. Wegen der unklaren rechtlichen Lage gibt es nach Auskunft der Branche schon jetzt Probleme bei der Finanzierung neuer Solaranlagen. „Es ist fatal, dass die Solarenergie aus rein politstrategischen Erwägungen einiger Vertreter aus dem sogenannten Wirtschaftsflügel von CDU/CSU in Geiselhaft genommen wird“, kommentiert Sebastian Sladek vom Ökostrom Anbieter Elektrizitätswerke Schönau.

Ausnahmen für Bürgerprojekte gefordert

Bei der Windkraft gilt neben den fehlenden Flächen als Problem, dass kaum noch kleinere Bürgerprojekte verwirklicht werden, weil diese das Risiko scheuen, Kosten vorzustrecken, wenn nicht klar ist, ob ihr Windpark bei den Ausschreibungen am Ende auch zum Zuge kommt.

Das könnte die Bundesregierung leicht ändern, indem sie eine von der EU vorgesehene Sonderregelung für kleinere Windparks mit bis zu sechs Windrädern nutzt, meint der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold. „Das ist eine kluge Ausnahme, die den Ausbau der Windkraft in jeweils kleinen Dimensionen voranbringen würde“, sagt Giegold. „Deutschland geht hier ohne jede Not restriktiver vor, als es das EU-Recht verlangt.“

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19 Kommentare

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  • Ein Trauerspiel mit der Union... Sorry, aber die gehören in das Altersheim, egal wie alt... Die haben den "Schuss" noch nicht gehört...

  • Wahrscheinlich hat man sich jenseits der parteitaktischen Spielchen und des Kleinkleins darauf besonnen, daß Deutschland die Klimawende ohne eine Verlängerung oder gar einen Ausbau der Kernenergie nicht hinbekommen wird oder diesen auch nicht bezahlen kann. Das wäre nicht das Schlechteste. Trotzdem wer ohne Not auf diese Menge Arbeitsplätze verzichtet und nichts dafür tut den Ausbau der Erneuerbaren zu fördern, braucht sich nicht zu wundern.

  • Akzeptanz bei der Bevölkerung ? Wie lange akzeptieren wir solche Politiker wie Altmaier (!!!!) und lassen uns von Frau Merkel einlullen ? Leider sind die etablierten 'Grünen' viel zu defensiv (Angst vor dem Wähler, um den eigenen Job ?)

  • Die zusätzliche Absurdität der gegenwärtigen Form der Windenergieförderung zeigt sich darin, dass die Bundesnetzagentur den Mechanismus der Preisbildung über Angebot und Nachfrage praktisch aufgehoben hat und stattdessen ein Quasi-Festpreis von 6,2 Cent/kWh gilt. An den Ausschreibungen muss man trotzdem teilnehmen, das bedeutet Wartezeit bis zur nächsten Ausschreibung, Bürokratie und den im Artikel beschriebenen Effekt der Verunsicherung von Bürgerwindparks. Dann kann man auch gleich einen Festpreis gesetzlich festlegen, wenn's sein muss. mengenmäßig begrenzen.

  • Gemäß Spiegel Online ( www.spiegel.de/wir...-0000-000000171661 siehe dortige Karten) existieren bei einer 1000 Meter Abstandsregelung noch massenhaf Flächen für Windräder

    • @Rudolf Fissner:

      Von den dort weiß belassenen Flächen (ein Bruchteil des Bundesgebiets) sind die meisten aus anderen Gründen nicht geeignet. Man sieht aber auch riesige, zusammenhängende Ausschlußflächen infolge des 1000 m -Kriteriums; u.a. fast alles westlich der Linie Lübeck-Dortmund.

  • Genauer : CDUCs blockiert Ökkstrom.

  • Wie sinnvoll der Ausbau von Windenergie überall ist, ist ein anderes Thema,

    Aber man sollte der Politik verbieten wenn Fachleute sagen es gibt Option A,B,C sich dann für D zu entscheiden.

    War doch bei der Düngeverordnung genau so: Man hat viel mehr Dünger pro Fläche erlaubt als die Fachleute vorgegeben haben.

    das ist kein Interessenausgleich, das ist kriminell!

    • @danny schneider:

      Man sollte ihnen vielleicht Option D nicht grundsätzlich verbieten, aber sie sollten verdammt gute Argumente dafür haben.

  • .... beim Corona Virus geht`s doch auch!

  • wenn es die SPD mit dem Thema Klimawandel ernst nimmt, sollte sie doch konsequent sein und den Weg zu Neuwahlen ebnen, sicherlich zu ihrem Nachteil, aber zum Wohle des Klimaschutzes.



    Immer öfter heißt es eben für große Dinge zurücktreten für eine bessere Zukunft unserer Kinder.

    • 7G
      78110 (Profil gelöscht)
      @Sonnenhaus:

      Ich würde gar nicht mal mit derartiger Gewissheit davon ausgehen, dass die SPD mit einem solchen (durchaus ja gut begründbaren) Schnitt besonders verlieren würde. Je nach Umfrage hätte Grün-Rot-Rot ja durchaus eine Mehrheit und rein hypothetisch von den Grünen als Juniorpartner gedemütigt zu werden, könnte womöglich weniger jämmerlich anmuten als der gegenwärtige Zirkus.

  • Wir haben keine Regierung. Traurig.

  • 7G
    78110 (Profil gelöscht)

    Bei jedem dieser Artikel muss ich an Harald Welzers Beschreibung der Parteien als solche "ohne Zukunft" denken. Eindrucksvoller kann man das eigene verbohrte Unvermögen ja kaum demonstrieren.



    Allein die argumentative Logik ist heiter: "Wir brauchen mehr Ausbau, aber nicht ohne die Akzeptanz der Bevölkerung. Die Akzeptanz kommt dann, wenn die den Zubau abbremsen, also weniger ausbauen. Wir drosseln also den Ausbau, um den Ausbau stärken zu können. Und schon haben wir die Quadratur des Kreises gelöst, ta-da!" Selbst ohne auf die Leerstelle im Verständnis um "Akzeptanz" und entsprechende Konzepte wie die im letzten Absatz des Artikels kurz angerissenen hinzuweisen, ist diese Argumentation zum Lachen, wenn es nicht zum Weinen reicht.

  • Die GroKo blockiert nicht. Die CDU blockiert! Zu Recht! Denn diese Verspargelung des Landes ist Unsinn. Diese Windparks kann man in der Nordsee oder Ostsee einrichten. Aber nicht im Inland. Die Belastung für die Bürger ist dort zu groß. Man sollte wieder über neue AKWs nachdenken.

    • @Gerdi Franke:

      Der deutche Anteil an der Nordsee ist deutlich keiner als die Landfläche in Deutschland.



      Außerdem braucht man dort andere Anlagen für Installation und Betrieb, kann also dort den Einbruch der Aufstellung an Land gar nicht so schnell ersetzen.

    • 7G
      78110 (Profil gelöscht)
      @Gerdi Franke:

      Danke für den humorigen Versuch, aber 'ne richtige Point ist das jetzt ja leider nicht.

  • Wäre mal interessant zu erfahren wer hier genau auf der Bremse steht.

    • @Opossum:

      Der Flügel der CDU.



      Und die fossilen Lobbyisten, die ihn pushen.