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Nach Putins AmtseinführungAlles bleibt beim Alten

Kommentar von Inna Hartwich

Die Umbildung des Moskauer Regierung hat nur eins zum Ziel: einen langen Abnutzungskrieg gegen die Ukraine. Und Putins Machterhalt.

Der neue russische Vertei­digungsminister Andrei Belousov bei einem Treffen mit Putin am 15.05.2024 Foto: Gavriil Grigorov/reuters

W ofür der neue russische Vertei­digungsminister sorgen soll? Präsident Wladimir Putin formuliert es so: Es solle ein Gleichgewicht zwischen Butter und Kanonen her, eine „organische Anpassung dieser Beziehung in die Entwicklung unseres Staats“. Als er das sagte, war der Neue, der Wirtschaftsmann ­Andrei Beloussow, gerade im Amt bestätigt. Er ist die herbeigeholte Superwaffe in Putins Maschinerie des Tötens.

Der Spruch von Kanonen und Butter ist Nazisprech, Reichsminister Rudolf Hess schärfte ihn 1936 den Deutschen ein, als es galt, ziviles Leben der Aufrüstung unterzuordnen, Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels wollte „zur Not auf die Butter verzichten, auf Kanonen aber niemals“. Putin, der seinen militärischen Prioritäten mittlerweile alles unterordnet, auch die Sozial- und die Bildungs­politik, will beides haben: Andrei Beloussow soll für Butter und Kanonen zugleich sorgen.

Das Volk soll von höheren Löhnen und sonstigen sozialen Annehmlichkeiten profitieren (davon ausgenommen sind die, die als „ausländische Agenten“, „Extremisten“, „Terroristen“ aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind). Es soll auch Opfer bringen für den „großen Sieg“, den ihm Putin und seine Pro­pa­gan­dis­t*in­nen jeden Tag aufs Neue verkaufen. Das Volk kauft fast schon bereitwillig das höllische Päckchen aus Größe und Einzigartigkeit, das sich aus Unsicherheit, Verbitterung und Angst speist.

Damit, dass Putin den belächelten, in der Ukraine nicht bewährten Sergei Schoigu absetzen würde, war zu rechnen. Den Zivilisten Beloussow aber, bis vor Kurzem als Vizepremier für Wirtschaftspolitik zuständig, hatte niemand im Blick. Unlogisch ist der Schritt nicht. Putin kennt den 65-jährigen Moskauer seit Jahren als Berater in Wirtschaftsfragen. Noch vor nicht allzu langer Zeit war der stets auf Staatsregulierungen ausgerichtete Ökonom mit seinen eigenwilligen Ideen nicht sonderlich gefragt. Nun aber erscheint er geradezu zeitgemäß, zumal er auch Putins Besessenheit teilt, von allerlei Feinden umzingelt zu sein.

Befehle erteilt der Kremlherrscher

Der nicht gedient habende Beloussow ist der, der das Verteidigungsministerium auf Effizienz trimmen soll, er hat dort keine eigenen Leute, die hinter ihm stehen. Damit sind auch für Putin die Risiken gering, dass sich ihm jemand in den Weg stellte. Befehle erteilt der Kremlherrscher selbst. Zusammen mit dem von seinem Posten des Industrie- und Handelsministers auf die Vizepremierstelle gewechselten Denis Manturow soll Beloussow die Kriegswirtschaft optimieren.

Putins ­Personalentscheidungen zur neuen Amtszeit sind nicht sonderlich spektakulär. Im Großen und Ganzen soll das beibehalten werden, was es gibt, es soll nur produktiver werden. Das macht die wenigen Umbauten allerdings nicht unbedeutend. Sie sind vielmehr gefährlich. In erster Linie für die Ukraine. Aber auch für den Westen, wo sich viele immer noch im Wunschdenken eingerichtet haben, man müsse nur mit Putin reden, schon komme der Frieden und es werde wieder alles, wie es einmal war.

Das wird es nicht. Das Regime in Russland richtet sich auf einen langen Abnutzungskrieg ein und tut alles dafür, als Sieger daraus hervorzugehen. Es baut das gesamte System um, formt vom Kindergarten an kleine Soldaten. Auf Moskauer Spielplätzen sinnieren bereits Sechsjährige darüber, wohin sie eine Atombombe werfen könnten.

Im Moskauer Siegespark schießen kleine Jungs mit Plastikwaffen auf zerbeulte Beutepanzer aus der Ukraine, während die Eltern ihre „kleinen Patrioten“ stolz fotografieren. Der Krieg, mag er in Russland auch nicht als solcher bezeichnet werden, ist längst in den Alltag eingebettet. Er ist zur Norm geworden und wird die Gesellschaft, selbst nach dem wie auch immer gearteten Ende der Kampfhandlungen, noch Jahre beschäftigen.

Der moderne Zar bedenkt seine Verbündeten

Der moderne Zar sichert derweil die Macht für sich und seine Umgebung, indem er die Clans, die eng mit ihm verbunden sind – manche noch aus der Osero-Datschenkooperative bei Sankt Petersburg –, mit wichtigen Posten bedenkt und so das Machtgefüge disponiert. ­Boris Kowaltschuk, Sohn seines Kumpanen Juri, ist nun Vorsitzender des Rechnungshofs, Dmitri Patruschew, der Sohn des ehemaligen Sicherheitsrat-Sekretärs Nikolai, steigt zum Präsidentenberater auf.

Die Rotenbergs, reich und einflussreich, bedenkt Putin, indem er Roman Starowoit zum Verkehrsminister gemacht hat, und den Rohstoffhändler Gennadi Timtschenko, indem er Sergei Ziwiljow zum Energieminister ernannt hat. Michail Mischustin bleibt als Ministerpräsident auch weiterhin der leise, effektive Technokrat. Sie alle sind kompetent, und sie sehen sich im Krieg gegen den Westen.

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6 Kommentare

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  • Putins Hauptkriegsziel ist die Eroberung und Kontrolle von Ukraine. Ukraine möchte nicht von Russland erobert und kontrolliert werden.



    Wie stellen Sie sich sinnvolle Diplomatie vor?

    Ukraine war vor Krimannexion neutral.



    Bereits in 2003 wollte Putin ukrainisches Territorium besetzen.

    • @h3h3y0:

      Ich glaube eher, Putins Hauptkriegsziel ist die Zerstörung von Demokratien, der Krieg gegen die Ukraine ist einer der Ansatzpunkte.



      Vielen Menschen in den Demokratien aber wird es wohl langweilig, das fördert Putins Chancen. Und langweilig wird es in erster Linie den Dummen, die anderen haben immer etwas Sinnvolles zu tun - wenn man sie lässt.

  • Wobei hier auch seltsame Zusammenhänge geschaffen werden.



    Richtig: Putin bereitet sich auf einen langen Abnutzungskrieg vor.



    Fragwürdige Folgerung: Das bedeutet, dass Diplomatie sinnlos ist. Kann man so sehen.



    Aber man kann es auch so sehen: Putin hält sich beides offen, frei nach Sun Tzu, weil er bei beiden Möglichkeiten gewinnt. Will der Westen reden- und bietet eine neutrale Ukraine an, kann er Frieden schließen. Das wäre schon in Istanbul zumindest möglich gewesen. Warum sollte er? Weil er sein Hauptkriegsziel ohne weitere Verluste erreicht. Siehe: www.welt.de/politi...enden-koennen.html.



    Will der Westen nicht reden- dann kann Putin weitermachen und wird in den nächsten 2-3 Jahren die Ukraine in einen Rumpfstaat verwandelt haben, dass es egal ist, was der Rest macht.



    Kurzum: Man sollte nichts ausschließen. Und ein Versuch schadet nichts, im Gegenteil. Wenn Putin eine neutrale Ukraine ablehnen würde, so wäre die Situation klar: Man KANN nicht mit Putin verhandeln, egal, was man anbietet. Heute wissen wir nicht, was geschehen wäre, weil wir es abgelehnt haben: de.euronews.com/my...ato-kein-vetorecht

    • @Kartöfellchen:

      "Neutral" heißt in Putins Wortschatz aber nunmal "neutralisiert", "wehrlos". Ist also nur ein Zwischenschritt zu weiteren Unterwerfungsversuchen.

    • @Kartöfellchen:

      Ich stimme Ihnen zu. Würde es eine ernsthafte westliche Initiative geben, würden Chancen bestehen. Und wenn diese nicht erfolgreich wäre, würde man vermutlich einige neutrale Länder ins westliche Lager ziehen können.



      Aber zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keine Mehrheit in der Ukraine oder im Westen für eine solche Initiative - Gesichtsverlust dürfte eine große Rolle spielen, eine andere Rolle spielt vermutlich, dass man hofft Russland noch weiter schwächen zu können vor Verhandlungen.

  • Nüchtern betrachtet bereitet Putin das Volk auf noch kommendes vor und wenn die russische Elite sich im Krieg mit dem Westen sieht bedeutet das für die Zukunft nichts gutes.

    Diese Vorgehensweise kommt mir irgendwie bekannt vor und auch damals endete es in einer Katastrophe.

    Bleibt die Hoffnung, dass der Westen die Zeichen der Zeit erkennt und endlich aufwacht, auch in Hinblick auf die "zukünftige" Hegemonialmacht China.

    Sehenden Auges ins Verderben laufen hatten wir in Europa schon.