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Nach Holocaust-RelativierungKeine Rundgänge mehr im Stasi-Knast

Siegmar Faust saß in den 70ern in Einzelhaft. Heute relativiert er den Holocaust. Die Gedenkstätte Hohenschönhausen trennt sich von ihm.

Hier darf Siegmar Faust nicht mehr seine Geschichte erzählen: Die Gedenkstätte Hohenschönhausen Foto: dpa

Berlin taz | Die Gedenkstätte Hohenschönhausen in Berlin beendet die Zusammenarbeit mit dem ehemaligen politischen Gefangenen Siegmar Faust. Das teilte der Direktor der Gedenkstätte, Hubertus Knabe, der Berliner Zeitung am Freitag mit. Faust hatte zuvor offen mit der AfD sympathisiert und den Holocaust relativiert.

In Berlin-Hohenschönhausen befand sich von 1951 bis 1989 die zentrale Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit der DDR, in der vor allem politische Gefangene einsaßen und gefoltert wurden. Heute befindet sich auf dem Gelände die Gedenkstätte Hohenschönhausen. Sie bietet neben einem Museum auch Führungen mit ehemaligen politischen Gefangenen in der DDR. Mit Zeitzeugen wie Siegmar Faust.

Faust setzte sich in den 1970er Jahren in der DDR für Meinungsfreiheit und Menschenrechte ein. 1972 kam er in Untersuchungshaft, sieben Monate später lieferte man ihn in die psychiatrische Abteilung der Justizvollzugsanstalt Waldheim ein. Nach sieben Wochen kam er in das Cottbusser Zuchthaus, wo er 400 Tage im „Tigerkäfig“ verbrachte: einer Einzelzelle, in der er keinen Kontakt zu anderen Häftlingen hatte.

Während dieser Zeit schrieb Faust die Zeitung „Armes Deutschland“, in der er sich weiter gegen die SED einsetzte – handschriftlich, zum Teil auf Toilettenpapier. Im März 1976 wurde er nach Protesten im In- und Ausland aus dem Knast entlassen. Wenige Monate später wurde er von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft. Im Westen war er anschließend als Schriftsteller tätig. Von 1996 bis 1999 war Faust zudem Stasi-Landesbeauftragter in Sachsen.

Nun sympathisiert er mit der AfD. Im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau sagte er: „Bei der AfD finde ich niemanden, den ich als Nazi bezeichnen würde.“ Auch Björn Höcke nicht, wie er auf Nachfrage bestätigt. Im Übrigen gebe es unter den ehemaligen DDR-Dissidenten nur wenige, die anders dächten als er.

Vor einigen Monaten schrieb Faust seinen Frust über die aktuelle Lage in Deutschland auf. Der Spiegel zitiert aus der 130 Seiten langen Schrift: „Ich muss mich schreibend wehren gegen den schreienden Unsinn dieser, also lasse ich meinen wütenden Gedanken freien Lauf, bevor es mit dieser Freiheit zu Ende geht oder mir eine Fatwa am Halse hängt.“

Nicht rechtsextrem, nur „normal rechts“

Siegmar Faust ist nicht der einzige ehemalige DDR-Dissident, der heute offen mit rechten Bewegungen sympathisiert. Vera Lengsfeld, ihres Zeichens Ex-SED-Mitglied, Ex-DDR-Bürgerrechtlerin, Ex-Grünen- und Ex-CDU-Politikerin, stellte im April die „Gemeinsame Erklärung 2018“ vor, die gegen „die illegale Masseneinwanderung“ wütet. Die Mitgründerin der Ost-SPD Angelika Barbe wechselte später zur CDU und unterstützt inzwischen Pegida. Der Umweltaktivist Michael Beleites fand kürzlich „erstaunlich viele Parallelen“ zwischen dem Protest der DDR-Bürger 1989 und heutigen Pegida-Aufmärschen.

Er sei nicht rechtsextrem, erklärte Siegmar Faust gegenüber der Frankfurter Rundschau, sondern „normal rechts, wie andere Leute eben normal links“ seien. Zugleich findet er „unerträglich“, was die Justiz im Fall Horst Mahler mache. Im Hinblick auf die Zahl der Holocaust-Opfer fragt er: „Ist die Zahl sechs Millionen heilig?“ Und fügt hinzu: „Ich verstehe ja, dass die Verbrechen der Nazizeit noch weiter wirken. Aber irgendwann muss das mal ein bissel aufhören. Man darf es nicht übertreiben.“

Das sei nicht die richtige Einstellung, um Rundgänge in einer Stasi-Gedenkstätte durchzuführen, ist Hubertus Knabe überzeugt – und zog daraus die Konsequenz. Auf der Webseite der Gedenkstätte ist Fausts Biografie bereits verschwunden.

Die Äußerungen Fausts entsprächen in keinster Weise der Meinung der Stiftung der Gedenkstätte, sagte Knabe der Berliner Zeitung: „Auch von der Mehrheit der ehemaligen politischen Gefangenen in der DDR werden sie nicht geteilt. Im Gegenteil: Die zitierten Äußerungen sind nach Auffassung der Stiftung geeignet, das Anliegen der Aufarbeitung der SED-Diktatur insgesamt und damit auch die Arbeit der Gedenkstätte und ihrer Mitarbeiter massiv zu beschädigen.“

„Ich betrachte mit Sorge die wachsende Nähe der Gedenkstätte Hohenschönhausen zur AfD und ihrem Rechtspopulismus“, sagte hingegen Jens Gieseke der Berliner Zeitung. Er ist Historiker am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam und selbst Mitglied des Beirates der Gedenkstätte. Gieseke empfiehlt, sich mit NS-Gedenkstätten zusammenzutun. Sonst lasse man sich von der Neuen Rechten ausspielen.

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13 Kommentare

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  • Stellt sich nur die Frage, ob die Orwellianisch anmutende Tilgung seiner Person durch die Gedenk - ähem - stätte einen adäquaten Umgang mit dem Problem darstellt. Hier ist ein traumatisiertes Opfer, dass vermutlich auch aufgrund seiner Biographie nicht in der Lage ist mit Opfern von heute zu symphatisieren, Täter zu Opfern umstilisiert - Ähnliches kennen wir doch vom Antisemitismus der RAF. Die Unfähigkeit zu trauern...Die Gedenkstätte sollte offensiv mit solchen Themen umgehen. Es ist ja nachvollziehbar ihn keine Führungen mehr machen zu lassen, aber totschweigen reproduziert doch nur die Kränkung an der er eh' schon leidet. Arg verkorkst und traurig , das ganze.

    • @hessebub:

      Ohh, da kann ich nur zustimmen!

      Welcher Ort als Hohenschönhausen sollte besser geeignet sein, zu reflektieren was da passiert. Distanzierung und Rollenzuschreibung sind für kurze Zeit bequem. Auf lange Sicht wird dadurch alles immer verhärteter, komplexer undurchdringlicher. Rechthaben mag angenehm sein.

    • @hessebub:

      oh, da kann ich nur zustimmen!! Wenn nicht einmal Hohenschönhausen Sinn für die Menschen mit diesen Biografien hat!

      Das ist tatsächlich der Ort, sich genau damit empathisch, so wie Sie es tun, auseinander zu setzen.

      Ausgrenzung erscheint im ersten Moment bequem. Und produziert eine lange komplizierte verletzte sich verselbstständigende Geschichte.

  • Und schon wieder ein Beleg, dass Antikommunismus und rechte Gesinnung bestens zusammenpassen.

    Lengsfeld, Tellkamp, Barbe, Beleites - von "Einzelfällen" kann nun niemand mehr sprechen.

  • Na, da schau her! Ist denn der Feind meines Feindes nicht immer mein Freund?

     

    Siegmar Faust setzte sich in den 1970er Jahren in der DDR für Meinungsfreiheit und Menschenrechte ein, heißt es im Text. Dass er sich auch für die Meinungsfreiheit und die Menschenrechte von Flüchtlingen eingesetzt hätte und nicht nur für die eigenen bzw. die seiner Mitstreiter, ist nicht überliefert. Das wurde lediglich unterstellt von den für seine Einstellung Zuständigen. Ist ja auch etwas schwierig so ganz ohne Gesinnungsprüfung...

     

    Es ist immer riskant, Menschen nur deswegen mit Kompetenzen auszustatten, weil jemand andere ihnen Kompetenzen streitig gemacht hat. Dass jemand schizophren ist, heißt ja noch lange nicht, dass er nicht trotzdem verfolgt wird. Wieso sollte jeder, den die Stasi in den Knast gesperrt hat, zwingend ein Heiliger sein?

     

    Es gab Nazis in der DDR, auch wenn die Staatsführung das offiziell gern dementiert hat. Einige davon saßen sogar im Knast. Das hätte wissen können, wer nicht ideologisch verbohrt war oder ist. Das Bamf hat grad einen „Skandal“ am Hals, der darin besteht, dass nicht hinreichend geprüft wurde in bester Absicht. Dieses Problem, fürchte ich, haben andere auch.

     

    Übrigens: Die Stiftung der Gedenkstätte Hohenschönhausen ist kein Erbhof. Hubertus Knabe scheint das nicht zu wissen. „Die Stiftung“ kann gar keine Meinung haben. Sie ist keine natürliche Person. Die Menschen, die für eine Stiftung arbeiten, genießen Privatautonomie. So lange sich ihre Meinung im Rahmen der Gesetze bewegt, ist sie durch Artikel 5 Absatz 1 des deutschen Grundgesetzes gedeckt. Eine Zensur findet nicht statt. Auch nicht durch Vorgesetzte. Kein Gesetz dieses Landes erspart Menschen mit Verantwortung die Pflicht zur individuellen Prüfung und zur Überzeugungsarbeit. Die Missachtung dieser Grundregeln ist nicht rechts- oder linksextrem. Es ist nur ganz normal autoritär und patriarchalisch.

  • Aber sollte es denn nicht auch nachdenklich machen, dass Menschen mit solch einer schweren Erfahrung in einer Diktatur so denken? Sie haben ja ganz besonders empfindliche Antennen. Es muss ja gründe geben. Sollte auch mal gefragt werden.

    • @Alfred Sauer:

      Honecker hat auch schwere Erfahrungen in einer Diktatur gemacht. Offensichtlich macht das nicht immun.

    • @Alfred Sauer:

      Sie meinen, es gäbe gute Gründe den Holocaust zu relativieren?

      • @LesMankov:

        Sie trollen doch oder? Sicherlich kann ich dies nicht gemeint haben. Es gab ja noch andere Punkte welche der Herr Ansprach. Konstruktiv war Ihre Anwort sicherlich nicht...

  • Klar. "Ich bin nur normal Kindermörder, so wie andere normal Eltern sind". Alles dasselbe, nur anders halt.

    • @Mustardman:

      Und wer sind jetzt die Kindermörder, wer die Eltern? Ich bitte um klare Zuordnung in Ihrem Rechts-Links-Weltbild.

      • @Chutriella:

        Afair wollten nur AfD-Politikerinnen bislang Kinder an Grenzen erschießen lassen.

      • @Chutriella:

        Leute im Mittelmeer ertrinken lassen z.B. grenzt zumindest an Tötung, Häuser in Brand stecken und das als Notwehr verkaufen...