Nach Enercon-Entlassungen: Windausbau weiterhin bedroht

Das Wirtschaftsministerium will, dass der 1.000-Meter-Abstand zu Windrädern schon für winzige Siedlungen gilt. Das hätte dramatische Folgen.

Drei Windräder hinter Wohnhäusern

Soll es künftig in der Regel nicht mehr geben: Windräder in der Nähe von Wohnhäusern Foto: dpa

Berlin taz | Während die Bundesregierung auf den geplanten Wegfall von Arbeitsplätzen in der Kohlebranche mit einer Kommission und Strukturhilfen in Milliardenhöhe reagierte, bleibt sie angesichts des angekündigten Abbaus von 3.000 Stellen beim größten deutschen Windrad-Hersteller Enercon erstaunlich gelassen. „Der Erhalt der Arbeitsplätze ist ein wichtiges Anliegen“, sagte eine Sprecherin von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Montag zwar. Doch konkrete Hilfen sind nicht geplant; stattdessen verwies das Ministerium lediglich auf den Arbeitsplan zur Stärkung der Windenergie, der bereits im September vorgelegt worden war.

Doch während mit diesem Programm der Ausbau der Windenergie an Land, der zuletzt drastisch eingebrochen war, beschleunigt werden soll, droht die Regierung an anderer Stelle, die Windkraft weiter abzuwürgen. Denn im Rahmen ihres Klimaschutzprogramms 2030 war auch beschlossen worden, dass Windräder in der Regel künftig 1.000 Meter Abstand von Ortschaften und „dörflichen Strukturen mit signifikanter Wohnbebauung“ halten sollen. Die wichtige Frage, wie diese genau definiert werden, war damals offen geblieben.

Das Wirtschaftsministerium will diese Frage nun sehr weitgehend auslegen. Der Referentenentwurf für die Änderung des Baugesetzbuchs, der der taz vorliegt, sieht vor, dass mehr als fünf zusammenhängende Wohngebäude als „dörfliche Struktur“ gelten sollen. Zudem sollen bei der Abstandsregelung nicht nur bestehende Häuser berücksichtigt werden, sondern auch künftige Bauplätze – was es Kommunen erleichtern würde, die Ausweisung von Windflächen zu verhindern. Auch für Flächen, auf denen bisher schon Windräder stehen, sind keine Ausnahmen vorgesehen, sodass alte Windräder nicht durch neue ersetzt werden können, wenn der Standort dichter als 1.000 Meter an einer Siedlung liegt.

Würden diese Pläne Realität, würde der Windkraftausbau nach Ansicht von Expert*innen stark eingeschränkt. Das Umweltbundesamt war in einer Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass ein 1.000-Meter-Abstand von Windrädern zu Wohnbereichen die verfügbaren Flächen um 20 bis 50 Prozent reduzieren würde. Wo genau in diesem Spektrum die Pläne des Wirtschaftsministeriums liegen würden, kann das Amt wegen unterschiedlicher Definitionen von Wohnbebauung nicht eindeutig sagen.

Jochen Flasbarth, Staatssekretär

„Wir werden nichts mitmachen, was die Ausbauziele gefährdet“

Auch der Bundesverband Windenergie (BWE) erklärt, der Gesetzentwurf enthalte neue Rechtsbegriffe, die erst noch juristisch interpretiert werden müssten. Bei enger Auslegung würde der 1.000-Meter-Abstand dazu führen, dass „der Ausbau der Windenergie beinahe zum Erliegen kommen wird“, warnt BWE-Präsident Hermann Albers.

Umweltministerium lehnt Pläne ab

Ein vom Ministerium selbst in Auftrag gegebenes Gutachten, über das zuerst das ZDF berichtet hatte, kommt zum Ergebnis, dass die zur Verfügung stehende Fläche um 40 Prozent sinkt, wenn der 1.000-Meter-Abstand nicht nur für Ortschaften, sondern auch für Wohngebäude außerhalb von Orten gilt.

In der Regierung, die das Gesetz eigentlich noch im November beschließen wollte, zeichnet sich darum Streit ab. Das Bundesumweltministerium betont, man befinde sich noch ganz am Anfang der Verhandlungen. Und: „Wir werden nichts mitmachen, was die Ausbauziele gefährdet“, sagte Staatssekretär Jochen Flasbarth der taz.

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