Mindestabstand für Windräder: Mehr, nicht weniger Platz
Zerschießt der geplante 1.000-Meter-Abstand die Chance, das Ökostrom-Ziel der Bundesregierung für 2030 zu erreichen? Ja, meint ein neues Gutachten.
Koeppen setzt sich für strengere Regeln ein, die den Ausbau der Windenergie in Grenzen halten sollen. In der Fraktion der Union ist er einer der stärksten Befürworter eines Mindestabstandes von 1.000 Metern zwischen Windrädern und Siedlungen. Diese Entfernung haben SPD und Union in ihrem Klimapaket vereinbart. Die Christdemokraten legen sie allerdings restriktiver aus als die Sozialdemokraten. Die geplante Entscheidung im Bundeskabinett deshalb wurde auf Anfang Dezember verschoben.
Für Koeppen sind die 1.000 Meter nur „ein erster, wichtiger Schritt“. Angesichts der immer höheren Anlagen würden „auch größere Entfernungen zu Siedlungen nötig“. Dabei sei er kein Gegner der Energiewende, betont der CDU-Politiker. „Weil die Leistung der Windräder steigt, können wir das 2030-Ziel auch mit weniger Anlagen erreichen.“ Die Bundesregierung will, dass in zehn Jahren 65 Prozent des Stroms aus regenerativer Erzeugung stammt.
Ein neues Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes widerspricht nun Koeppens Annahme, dass das auch mit der strengen Windregel funktioniert. Die zentrale Aussage lautet: „Der Ausbau der Windkraft droht durch die geplante Einführung einer Abstandsregel zum Erliegen zu kommen.“ Statt weniger müssten mehr Flächen für Windräder zur Verfügung gestellt werden. Sonst könne Deutschland sein 65-Prozent-Ziel „deutlich verfehlen“. Pauschale Mindestabstände seien das falsche Mittel, stattdessen brauche man „Einzelfallabwägung vor Ort entlang klarer Leitlinien“.
Hälfte der ausgewiesenen Fläche schon bebaut
Veröffentlicht wurde das Gutachten der Institute Fraunhofer IEE und Navigant am Mittwoch. Das von der CDU geführte Bundeswirtschaftsministerium, das die harte Windregel augenblicklich unterstützt, hat es finanziert, das Umweltbundesamt hat es in Auftrag gegeben.
Die Analyse zeigt, „dass deutschlandweit eine Fläche von rund 3.100 Quadratkilometern auf Ebene der Regional- und Bauleitplanung für die Windenergienutzung ausgewiesen ist“ – etwa 0,9 Prozent der Landesfläche. Die eine Hälfte davon sei bereits mit Windanlagen bebaut. Die andere stecke „im Entwurfsstadium“ und sei jetzt noch nicht nutzbar.
Die entscheidende Frage ist nun, wie viele Windräder auf diesem Platz hinzugebaut werden können – und ob die Leistung dann ausreicht, um das Ziel für 2030 zu erreichen. Heute stehen in Deutschland rund 30.000 Rotoren mit einer Leistung von etwa 50 Gigawatt (GW). Für 65 Prozent Ökostrom 2030 braucht man ungefähr 70 GW.
„Die rechtskräftigen Bestandsflächen verfügen aktuell über ein Zubaupotenzial von 23 GW“, heißt es nun in dem Gutachten des Umweltbundesamtes. Eigentlich müsste dieses Potenzial reichen, um in zehn Jahren ausreichend Windstrom an Land zu produzieren. Zumal die Expert*innen ein „theoretisches Leistungspotenzial der nutzbaren Flächen bis 2030 von rund 81 GW“ sehen. Trotzdem, so schränken sie ein, sei es fraglich, ob sich so das 65-Prozent-Ziel erreichen lässt.
Klagen verzögern Ausbau
Die Gründe: Nicht alles, was möglich ist, wird auch gebaut. Viele Projektpläne werden jahrelang beklagt, etwa weil schützenswerte Vögel an geplanten Standorten brüten. Dadurch reduzieren sich die grundsätzlich in Frage kommenden Flächen. Es bestünden deshalb „erhebliche Unsicherheiten, ob selbst eine Leistung von 74 GW mit der aktuellen Flächenkulisse erreicht werden kann“. Deshalb warnen die Gutachter*innen davor, den Platz durch eine harte Abstandsregel noch weiter einzuschränken.
Stattdessen befürworten sie unter anderem „akzeptanzfördernde Maßnahmen“, mit denen sich im konkreten Fall Kompromisse vor Ort erzielen ließen. Auch eine „Ausweitung der Flächenkulisse“ komme in Betracht – also die Ausweisung zusätzlicher Gebiete, die über die bisherigen Planungen hinausgehen.
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