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Nach Boris Johnsons ParlamentsrücktrittEin Spuk in London

Boris Johnson tritt aus dem Parlament zurück. Er kommt damit einer Suspendierung zuvor – und sagt der Regierung den Kampf an.

Schnell als die Suspendierung: Boris Johnson ist als Abgeordneter zurückgetreten Foto: Peter Nicholls/reuters

London taz | Drei Rücktritte aus dem Parlament und drei Nachwahlen zum Unterhaus – das ist das Resultat des neuesten Aufstandes innerhalb der regierenden britischen Konservativen gegen Premierminister Rishi Sunak. Ausgelöst hat dies, so analysieren es manche, der Geist des Ex-Premiers Boris Johnson. Auch Johnson selber trat am Freitag von seinem Parlamentsmandat zurück.

In einer 1.000-Worte-Attacke auf Sunak, seine Par­tei­ und die Labour-Opposition sprach Johnson am Freitagabend von einer undemokratischen „Hexenjagd“ gegen ihn.

Die laufende parlamentarische Untersuchung darüber, ob er über seine Brüche der Coronaregeln während seiner Zeit als Premierminister das Parlament belogen habe, solle ihn einfach aus dem Parlament entfernen, als „ersten Schritt“ dazu, den Brexit rückgängig zu machen.

Johnson reagierte damit auf den bevorstehenden Partygate-Untersuchungsbericht des „Privilege Committee“ – der Parlamentsausschuss, der Fehlverhalten von Abgeordneten untersucht und Strafmaßnahmen empfehlen kann. Bei einer im Parlament bestätigten Suspendierung eines Mandats von mehr als zehn Tagen kann per Volksbegehren eine Nachwahl erzwungen werden.

Die Party war das Ende

Eine solche Suspendierung hatte der Ausschuss nach eigenen Angaben einstimmig beschlossen – nun kam Boris Johnson den zu erwartenden Folgen mit seinem Rücktritt zuvor.

Johnson war als Premierminister im vergangenen Juli zurückgetreten, unter anderem wegen der Partygate-Vorwürfe gegen ihn. Die parlamentarische Untersuchung darüber, ob er bei seinen Reaktionen darauf im Parlament bewusst gelogen hat, lief danach weiter. Johnson hatte von Anfang an erklärt, er werde eine Verurteilung nicht akzeptieren.

Die Vorsitzende in seinem Fall ist die Labour-Abgeordnete Harriett Harman, doch im Komitee herrscht eine konservative Mehrheit. Laut Johnson sind die jedoch wohl keine richtigen Tories, sondern Teil eines Angriffs auf ihn, den bereits im Januar die hohe Beamte Sue Gray mit ihrer Partygate-Untersuchung geführt hatte. Gray trat im März zurück und wird Stabs­chefin von Labourchef Keir Starmer, was ihre Untersuchung ins Zwielicht rückt.

Neue Enthüllungen, dass Johnson und seine Frau auf dem Landsitz britischer Premierministers Chequers während eines Lockdowns womöglich unerlaubten Besuch hatten, könnten Johnsons ohnehin prekäre Stellung weiter verschlechtert haben.

Eine weitere Krise war über Johnsons Whatsapp-Nachrichten während der Pandemie entstanden. Es läuft nämlich eine öffentliche Untersuchung des staatlichen Umgangs mit der Pandemie, geleitet von der ehemaligen Richterin Baronin Heather Hallett. Als sie forderte, dass das Büro des Premierministers die Whatsapp-Nachrichten des Ex-Premiers offen und unverschlüsselt übergeben solle, stimmte Boris Johnson zu – nicht aber das Büro des Premierministers in 10 Downing Street, dem Johnson sein Diensttelefon übergeben hatte.

Das letzte Zünglein auf der Waage war die „Honours List“, ein Privileg scheidender Premierminister:innen, um neue Abgeordnete des Oberhauses „House of Lords“ zu ernennen. Auf Johnsons Liste stehen Ex-Innenministerin Priti Patel und Ex-Kulturministerin Nadine Dorries, zwei von Boris Johnsons engsten ehemaligen Weg­ge­fähr­tin­nen.

Wahlkreise angeln

Dorries wurde aber nach einer Überprüfung nicht zugelassen, und am Freitagnachmittag kündigte sie ihren Rücktritt aus dem Parlament an und brachte damit die Rücktrittslawine ins Rollen. Laut Sunday Times hatte Dorries nicht rechtzeitig die notwendige Erklärung abgegeben, dass sie als Unterhausabgeordnete binnen sechs Monaten zurücktreten werde.

Damit verschob sich ihre Nominierung, aber Premierminister Sunak, der Johnsons Liste billigen muss, soll sich geweigert haben, eine Nominierung in der Zukunft zu garantieren. Das soll Johnson verärgert haben. Also trat auch er zurück. Am Samstag folgte auch der Johnson-Alliierte Nigel Adams.

Was bedeutet das alles? Boris Johnson könnte sich, sofern das Privilege Committee und die konservative Parteiführung es zulassen, nun einen der beiden freigewordenen Wahlkreise angeln.

Der durch Johnson ebenfalls ins Oberhaus beförderte Brexiteer Jacob Rees-Mogg prophezeite einen Bürgerkrieg innerhalb der Partei, sollte Johnson eine Kandidatur verwehrt werden. Doch andere forderten die Tories zum Zusammenhalt auf: Die Welt hätte sich seit Johnson weiterbewegt und keiner hätte Lust auf ein neues Johnson-Drama.

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