Nach Anschlag in Tunesien: Moscheen werden geschlossen
Unterstützer des IS haben sich zu dem Anschlag bekannt. Unter den 39 Toten ist mindestens ein Deutscher. Die Regierung kündigt an, bis zu 80 Moscheen zu schließen.
Tunesiens Regierungschef Habib Essid hatte am frühen Samstagmorgen erklärt, dass „die Mehrheit“ der Toten aus Großbritannien komme. Nach Angaben des Sprechers eines deutschen Konsularteams vor Ort kann es noch einige Zeit dauern, bis klar ist, viele Deutsche insgesamt ums Leben kamen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier kündigte für Samstagabend eine Stellungnahme in Berlin an.
Zu dem mutmaßlich islamistisch motivierten Angriff auf ein Strandhotel am Mittelmeer bekannten sich in der Nacht zum Samstag Unterstützer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Ein „Soldat des Kalifats“ sei in das Hotel eingedrungen, hieß es in einer nicht verifizierbaren Twitter-Mitteilung. Bei den von ihm getöteten Menschen handele es sich „zum Großteil um Angehörige von Staaten, die gegen den IS kämpfen“. Die Regierung in Tunis kündigte einen entschlossenen Kampf gegen den Terrorismus an.
Der Attentäter war am Freitag in das besonders bei europäischen Touristen beliebte Hotel Riu Imperial Marhaba in Port el Kantaoui bei Sousse eingedrungen. Nach Angaben von Sicherheitsstaatssekretär Rafik Chelly handelt es sich bei dem Täter um einen nicht polizeibekannten Mann aus der Region von Kairouan. Chelly sagte im Radio, der Attentäter habe ausgesehen, als sei er unterwegs zum Baden, doch dann habe er eine Waffe aus einem Sonnenschirm gezogen. Der Mann wurde schließlich getötet.
„Barbarischer Terrorakt“
Der deutsche Reisekonzern TUI ist an dem Hotelkomplex beteiligt. Hunderte Touristen trafen in der Nacht zu Samstag am Flughafen von Enfidha ein, um das Land zu verlassen. Rund ein Dutzend Flüge war in der Nacht auf dem Flughafen zwischen Sousse und Tunis in Richtung Europa angesetzt. Zahlreiche Busse mit weiteren Touristen trafen am frühen Morgen ein. Touristen sagten, ihre Reiseanbieter hätten ihnen geraten, nach Hause zu fliegen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich „tief erschüttert“ von dem „barbarischen Terrorakt“. Bundespräsident Joachim Gauck kondolierte dem tunesischen Präsidenten Béji Caid Essebsi. Der französische Präsident François Hollande und Essebsi versicherten sich gegenseitig ihrer Solidarität im Anti-Terrorkampf. Die islamische Al-Azhar-Universität in Kairo nannte den Angriff eine „Verletzung aller religiösen und humanitären Normen“.
Essebsi sagte AFP bei einem Besuch am Tatort, Tunesien könne der Bedrohung durch die Dschihadisten nicht allein widerstehen und forderte eine gemeinsame globale Anti-Terror-Strategie. Ministerpräsident Essid ordnete an, die Präsenz der Sicherheitskräfte an „sensiblen Orten“ zu verstärken. Vom 1. Juli an würden „entlang der ganzen Küste und in Hotels“ bewaffnete Sicherheitsleute postiert, erklärte Essid.
„Gift zum Terrorismus“
Der nationale Sicherheitsrat Tunesiens beschloss bei einer nächtlichen Sitzung Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus. Unter anderem sollen innerhalb einer Woche bis zu 80 Moscheen geschlossen werden, in denen weiterhin „Gift zum Terrorismus“ verbreitet werde. Daneben sollten verdächtige Parteien oder Vereine überprüft und eventuell aufgelöst werden. „Wir mögen den einen Kampf gewinnen und den anderen Kampf verlieren, aber unser Ziel ist es, den Krieg zu gewinnen“, sagte Essid. Der Kampf gegen den Terrorismus sei nun eine nationale Aufgabe.
Neben dem Anschlag in Tunesien war es am Freitag auch in Kuwait und Frankreich zu mutmaßlich islamistischen Anschlägen mit vielen Toten gekommen. Ob die drei Anschläge in Zusammenhang stehen, war zunächst unklar. Am Montag nächster Woche jährt sich zum ersten Mal, dass die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) das Kalifat ausgerufen hat.
Der Anschlag in Sousse ist der schwerste in der jüngeren Geschichte Tunesiens. Mitte März hatten zwei Männer in Tunis das Bardo-Nationalmuseum angegriffen und 21 Touristen sowie einen Polizisten getötet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus