NSU-Prozess in München: Zeugen, die sich zieren
Ein früherer Kameradschaftsaktivist druckst rum. Ein anderer Zeuge versetzt das Gericht beim NSU-Prozess gleich ganz, mit skurriler Begründung.
MÜNCHEN taz | „Kann mich nicht erinnern.“ „Weiß ich nicht mehr.“ „Kann ich nicht sagen.“ Das war am Mittwoch der Dreiklang des Zeugen Andreas Rachhausen im NSU-Prozess. Bis zur Mittagspause des 130. Verhandlungstages vor dem Oberlandesgericht München hielt der ehemalige Aktivist des „Thüringer Heimatschutz“ (THS) dieses Aussageverhalten durch. „Unverschämt“, nannte dies Nebenklagevertreterin Gül Pinar.
Den Saal A 101 betrat der Zeuge mit seinem Anwalt Thomas Jauch, einem Szenejuristen. Schnell wurde deutlich: Von sich aus sagt dieser Zeuge nichts. „Ihr Aussageverhalten gefällt mir nicht, ich habe den Eindruck, Sie wollen mir nicht alles sagen“, sagte Richter Manfred Götzl. An keines der NSU-Mitglieder Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe wollte Rachhausen genauere Erinnerungen haben. Einzig, dass Böhnhadt bei einem Szene-Fußballturnier einen „guten Eindruck“ als Schiedsrichter gemacht habe.
Dabei war Rachhausen mit Spannung erwartet worden. Denn im Thüringischen NSU-Untersuchungsausschuss hatte der frühere Leiter des Saalfelder Staatsschutz über den Exneonazi gesagt: „Er kam meinem Verständnis nach noch vor Tino Brandt.“ Und der war THS-Chef.
1998 soll Rachhausen zudem auf Wunsch eines Gesinnungsfreunds ein Auto von Dresden nach Jena abgeschleppt haben. Das Fahrzeug soll das NSU-Trio zur Flucht genutzt haben. Vor Gericht stritt der 42-Jährige den Abschleppservice nicht ab. Genaueres wollte er aber erneut nicht mehr erinnern.
Zeuge wird zwangsweise vorgeführt
Ralf Wohlleben, der im Prozess beschuldigt wird, dem Trio eine der Mordwaffen organisiert zu haben, hörte konzentriert zu – und schien entspannt. Auch er soll an der Rückführung beteiligt gewesen sein. Ein V-Mann soll die Aktion damals dem Verfassungsschutz gemeldet haben – offenbar folgenlos.
Am Vormittag hatte das Gericht noch einen Zeugen geladen, der mit Böhnhardt Teil einer kriminellen Jugendbande war. In einer Vernehmung hatte dieser über einen bis heute ungelösten Kindermord in Jena berichtet. Am Morgen ließ er das Gericht aber wissen, auf seiner Anfahrt per Zug in Bamberg ausgestiegen zu sein. Dort sei er in ein Wirthaus gegangen, um „etwas zu trinken“. Er beginne demnächst eine Therapie und habe gemerkt, „es gehe nicht mehr“. Bundesanwalt Herbert Diemer erklärte, der Zeuge müsse zwangsweise vorgeführt werden.
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