NDR-Tochter arbeitet für Nius: Wo ist die öffentlich-rechtliche Antifa?
Die NDR-Tochter Studio Hamburg hat Set-Teile für das rechte Hetzmedium Nius gebaut. Der NDR schweigt, dabei hat er einen antifaschistischen Auftrag!
S ofas, Tische und „Dekorationselemente“ hat die Fernsehproduktionsfirma Studio Hamburg im Laufe dieses Jahres für das rechtspopulistische Hetzmedium Nius gebaut. Das Ding ist: Studio Hamburg ist eine hundertprozentige Tochterfirma des Norddeutschen Rundfunks (NDR). Der will auf taz-Nachfrage von der Zusammenarbeit nichts gewusst haben, sagt, man sei im Gespräch mit der Tochterfirma – und schweigt sich ansonsten aus.
Okay, wow. Eine öffentlich-rechtliche Firma arbeitet für ein rechtspopulistisches Hetzmedium, und dem öffentlich-rechtlichen NDR ist das nicht mal eine Erklärung wert.
Das Medienportal Nius um Ex-Bild-Chef Julian Reichelt verbreitet unter dem Vorwand des Journalismus seit 2023 rassistische Hetze und betreibt einen Kulturkampf von rechts. Es fährt dabei unter anderem massiv eine Kampagne gegen den vermeintlich zu linken öffentlich-rechtlichen Rundfunk und fordert die Abschaffung der Rundfunkgebühren.
Als öffentlich-rechtliches Unternehmen, das Studio Hamburg als hundertprozentige NDR-Tochter ist, mit solchen zusammenarbeiten – das sieht von außen sehr, sehr unglücklich aus. Gerade jetzt, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk seit Jahren im Dauerfeuer von Rechtsaußen steht, wirkt das irgendwie, na ja, dumm. So, als säge man selbst mit am Ast, auf dem man sitzt.
Die NDR-Tochter normalisiert rechte Hetze mit
Zwar wird nicht direkt aus „unseren“ Rundfunkgebühren die rechte Meinungsmache von Nius finanziert. Studio Hamburg schenkt Nius ja nichts, sondern das rechte Medium bezahlt die Sofas. Gewissermaßen profitiert also sogar die NDR-Firma von einem zahlenden Kunden. Trotzdem geht diese Zusammenarbeit gar nicht.
Denn damit, dass eine Tochter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Teile des Nius-Studios fertigt und liefert, trägt sie dazu bei, dass das rechte Medium professioneller aussieht. Es hilft Nius bei seinem selbst bei jeder Gelegenheit hinausposaunten Ziel „zu wachsen“ und dabei, sich weiter zu normalisieren. So eine richtige Fernsehcouch im neu eingerichteten Studio macht eben was her. Der Auftritt normalisiert rechte Hetze ein Stück weit mit. Genau wie das schlichte Faktum, dass eine der größten Fernsehproduktionsfirmen Deutschlands unter dem Dach des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks diesen Auftritt für Nius mitgebaut hat.
Die Normalisierung von Nius hat Studio Hamburg nicht allein auf dem Kerbholz. Nius ist längst kein Nischenmedium mehr. Dazu tragen unter anderem alle möglichen Politiker*innen von FDP, CDU oder CSU bei, zuletzt die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), die Nius mit der taz gleichgesetzt hat.
Seit September 2024 hat Nius zudem eine TV- und Radio-Lizenz der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg. Es ist die offizielle Erlaubnis, lineares Programm zu verbreiten. Auf diese Zulassung zu verweisen, wie Studio Hamburg es tut, um die Zusammenarbeit zu legitimieren, reicht aber nicht. Nius ist eben nicht irgendein Spartensender, sondern das wohl wichtigste mediale Werkzeug des Rechtspopulismus in Deutschland. Es hilft bei dessen Versuch, die nicht rechte Zivilgesellschaft zu zerschlagen, wie Kira Ayyadi es auf Belltower News formulierte.
Der NDR hat eine Verantwortung dafür, von wem seine Tochterfirmen Aufträge annehmen und von wem nicht. Es darf nicht sein, dass er, wie in der Antwort auf die taz-Anfrage vorgebracht, nicht von der Zusammenarbeit mit Nius gewusst hat.
Vor allem aber kann es nicht sein, dass das Statement des NDR nicht über ein „von nix gewusst“ hinausgeht. So bleibt nicht nur die Frage offen, wie es zu der Kollaboration gekommen ist, sondern auch, ob der NDR daraus Konsequenzen ziehen wird und wenn ja welche.
Das mag naiv klingen und irgendwie pathetisch, gerade jetzt, da der Öffentlich-Rechtliche selbst immer rechteres Programm macht. Aber dafür, einem Julian Reichelt ’ne Couch zu bauen, wurde er doch wirklich nicht gegründet. Was ist mit dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nach dem Sieg über den Nazifaschismus 1945 zum Aufbau einer demokratischen Öffentlichkeit beizutragen?
Die können doch nicht Tochterfirmen Hetzmedien Sets bauen lassen, ohne sich zu schämen, Öffentlich-Rechtliche müssen antifaschistisch sein! Der NDR muss sich entschuldigen und Studio Hamburg anweisen, dass sie keine Aufträge von Nius und anderen rassistischen Dreckschleudern mehr anzunehmen haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert