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NDR-Tochter arbeitet für NiusWo ist die öffentlich-rechtliche Antifa?

Kommentar von

Amira Klute

Die NDR-Tochter Studio Hamburg hat Set-Teile für das rechte Hetzmedium Nius gebaut. Der NDR schweigt, dabei hat er einen antifaschistischen Auftrag!

Als jegliches Fernsehen noch der Demokratie verpflichtet war: NWDR-Studio in Hamburg 1952 Foto: dpa

S ofas, Tische und „Dekorationselemente“ hat die Fernsehproduktionsfirma Studio Hamburg im Laufe dieses Jahres für das rechtspopulistische Hetzmedium Nius gebaut. Das Ding ist: Studio Hamburg ist eine hundertprozentige Tochterfirma des Norddeutschen Rundfunks (NDR). Der will auf taz-Nachfrage von der Zusammenarbeit nichts gewusst haben, sagt, man sei im Gespräch mit der Tochterfirma – und schweigt sich ansonsten aus.

Okay, wow. Eine öffentlich-rechtliche Firma arbeitet für ein rechtspopulistisches Hetzmedium, und dem öffentlich-rechtlichen NDR ist das nicht mal eine Erklärung wert.

Das Medienportal Nius um Ex-Bild-Chef Julian Reichelt verbreitet unter dem Vorwand des Journalismus seit 2023 rassistische Hetze und betreibt einen Kulturkampf von rechts. Es fährt dabei unter anderem massiv eine Kampagne gegen den vermeintlich zu linken öffentlich-rechtlichen Rundfunk und fordert die Abschaffung der Rundfunkgebühren.

Als öffentlich-rechtliches Unternehmen, das Studio Hamburg als hundertprozentige NDR-Tochter ist, mit solchen zusammenarbeiten – das sieht von außen sehr, sehr unglücklich aus. Gerade jetzt, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk seit Jahren im Dauerfeuer von Rechtsaußen steht, wirkt das irgendwie, na ja, dumm. So, als säge man selbst mit am Ast, auf dem man sitzt.

Die NDR-Tochter normalisiert rechte Hetze mit

Zwar wird nicht direkt aus „unseren“ Rundfunkgebühren die rechte Meinungsmache von Nius finanziert. Studio Hamburg schenkt Nius ja nichts, sondern das rechte Medium bezahlt die Sofas. Gewissermaßen profitiert also sogar die NDR-Firma von einem zahlenden Kunden. Trotzdem geht diese Zusammenarbeit gar nicht.

Denn damit, dass eine Tochter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Teile des Nius-Studios fertigt und liefert, trägt sie dazu bei, dass das rechte Medium professioneller aussieht. Es hilft Nius bei seinem selbst bei jeder Gelegenheit hinausposaunten Ziel „zu wachsen“ und dabei, sich weiter zu normalisieren. So eine richtige Fernsehcouch im neu eingerichteten Studio macht eben was her. Der Auftritt normalisiert rechte Hetze ein Stück weit mit. Genau wie das schlichte Faktum, dass eine der größten Fernsehproduktionsfirmen Deutschlands unter dem Dach des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks diesen Auftritt für Nius mitgebaut hat.

Die Normalisierung von Nius hat Studio Hamburg nicht allein auf dem Kerbholz. Nius ist längst kein Nischenmedium mehr. Dazu tragen unter anderem alle möglichen Po­li­ti­ke­r*in­nen von FDP, CDU oder CSU bei, zuletzt die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), die Nius mit der taz gleichgesetzt hat.

Das mag naiv klingen, aber dafür, einem Julian Reichelt ’ne Couch zu bauen, wurde der öffentlich-rechtliche Rundfunk doch wirklich nicht gegründet.

Seit September 2024 hat Nius zudem eine TV- und Radio-Lizenz der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg. Es ist die offizielle Erlaubnis, lineares Programm zu verbreiten. Auf diese Zulassung zu verweisen, wie Studio Hamburg es tut, um die Zusammenarbeit zu legitimieren, reicht aber nicht. Nius ist eben nicht irgendein Spartensender, sondern das wohl wichtigste mediale Werkzeug des Rechtspopulismus in Deutschland. Es hilft bei dessen Versuch, die nicht rechte Zivilgesellschaft zu zerschlagen, wie Kira Ayyadi es auf Belltower News formulierte.

Der NDR hat eine Verantwortung dafür, von wem seine Tochterfirmen Aufträge annehmen und von wem nicht. Es darf nicht sein, dass er, wie in der Antwort auf die taz-Anfrage vorgebracht, nicht von der Zusammenarbeit mit Nius gewusst hat.

Vor allem aber kann es nicht sein, dass das Statement des NDR nicht über ein „von nix gewusst“ hinausgeht. So bleibt nicht nur die Frage offen, wie es zu der Kollaboration gekommen ist, sondern auch, ob der NDR daraus Konsequenzen ziehen wird und wenn ja welche.

Das mag naiv klingen und irgendwie pathetisch, gerade jetzt, da der Öffentlich-Rechtliche selbst immer rechteres Programm macht. Aber dafür, einem Julian Reichelt ’ne Couch zu bauen, wurde er doch wirklich nicht gegründet. Was ist mit dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nach dem Sieg über den Nazifaschismus 1945 zum Aufbau einer demokratischen Öffentlichkeit beizutragen?

Die können doch nicht Tochterfirmen Hetzmedien Sets bauen lassen, ohne sich zu schämen, Öffentlich-Rechtliche müssen antifaschistisch sein! Der NDR muss sich entschuldigen und Studio Hamburg anweisen, dass sie keine Aufträge von Nius und anderen rassistischen Dreckschleudern mehr anzunehmen haben.

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Jahrgang 1997, hat Soziologie und Anthropologie in Halle (Saale) studiert, kommt vom Freien Radio. Seit November 2024 Volontärin der taz nord in Hamburg.
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7 Kommentare

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  • Aram Ockert , Autor*in ,

    Amira Klute, wie wäre es, wenn Sie sich stärker auf den Inhalt antifaschistischer Positionen konzentrieren würden – statt auf Etiketten, Feindmarkierungen und moralische Slogans?

    Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nicht dazu da, politisch unliebsame Stimmen zu bekämpfen. Er ist demokratischen Prinzipien und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet. Das bedeutet:



    Es ist richtig, dass der NDR schweigt, wenn die Studio Hamburg GmbH Geschäftsbeziehungen mit NIUS eingeht.



    Denn das hat den NDR – juristisch wie demokratisch – schlicht nichts anzugehen.

    Der NDR ist nicht Gesellschafter der Studio Hamburg GmbH.



    Er ist allein Gesellschafter der NDR Media GmbH, und diese wiederum ist Gesellschafterin der Studio Hamburg GmbH. Es gibt also eine strikte, gewollte Corporate-Governance-Trennung, gerade um politische Einflussnahme zu verhindern.

    Und da kommen wir zum Kern:



    Sollte der NDR versuchen, Einfluss auf Studio Hamburg zu nehmen, weil diese für NIUS arbeitet, wäre das ein Skandal. Die Demokratie lebt davon, dass Medien – auch solche, die den Rundfunkbeitrag ablehnen – frei agieren können.

  • Auf dem Sofa wird jetzt gegen die "Zwangsgebühren" der "Staatsmedien" gehetzt. Ganz ehrlich, so langsam hab ich auch kein Mitleid mehr mit dem ÖRR.

  • Die Argumentation das Töchter des ÖRR nicht für nius arbeiten sollten, weil nius die Abschaffung des ÖRR forciert kann ich nachvollziehen. Den Antifaschismus-Ansatz der Argumentation kann ich nicht nachvollziehen, nius ist ein rechtes Medium aber nicht alle rechten sind Faschisten und die Truppe um Herrn Reichelt würde niemand, der den Faschismus-Begriff ernst nimmt, als solche bezeichnen.

  • Danke für diese neue Einzahlung auf mein Depressionskonto.

  • Na ich weiß nicht. Ein Aufruf zum Schämen und zur sozialen Ächtung ist hier denke ich nicht Zielführend. Das sieht mir eher nach einem moralischen Eigentor aus.

    Man muss die Inhalte von Nius nicht teilen, das tue ich auch nicht, aber das kann eine Demokratie durchaus aushalten.

    Und wer Sehnsucht nach dem ÖRR von früher hat, kann ja mal hier reinschauen:

    www.ardmediathek.d...S9hZXgvbzE0NzE5ODY

  • Der ÖR bedient 24/7 den liberalen Sozialdarwinismus und braucht sich darum um allzu große Nähe zu den Rechten keine Sorgen zu machen. Bei dem ganzen Gerangel darum, wie rechts man öffentlich sein darf oder soll, geht es doch nicht wirklich um die Inhalte und Botschaften, die sich in der scheinbaren Medien- und Themenvielfalt in ihrem Kern immer mehr angleichen. Es geht um den privilegierten Platz an den Töpfen von Macht und Geld und so geht es immer auch darum, die sozialdarwinistische Grundordnung von Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Medien aufrecht zu erhalten. Es gilt, die hierarchische Ordnung der sozialen Welt als Abbild einer natürliche Ordnung, dem Kampf ums Überleben, zu verteidigen und so immer eine Rechtfertigung für eigene, selbst kleine, Privilegien zu haben. Der Wettbewerb um die Privilegien eines erfolgreichen Marktauftritts hat System.

    Der ÖR wurde nach dem Vorbild der BBC gegründet, als es keine Alternative zum Einheitsfunk gab. Heute braucht es mehr als einen allgemeinen Programmauftrag, um die Finanzierung durch einen allgemeinen Beitrag zu rechtfertigen.

  • Wenn Realsatire nicht immer so bitter wäre, käme man dieser Tage gar nicht mehr raus aus dem Lachen. Und nun auch noch der NDR.

    Das Flaggschiff des ÖRR und zusammen mit dem WDR quasi der inoffizielle Lordsiegelbewahrer der Demokratie im Westen Deutschlands, gegründet als NWDR noch von den Alliierten, in die Lehre gegangen bei der altehrwürdigen BBC, welche mittlerweile auch nicht mehr so ein gutes Bild abgibt.

    Leute, ihr seid unter anderem deshalb gegründet worden, damit so etwas wie die Nazis nicht wiederkommt und die Bevölkerung eben nicht wieder von einem Hugenberg verwirrt und verführt werden kann. Und dann helft Ihr ausgerechnet dem Hugenberg unserer Zeit dabei, professioneller und besser zu wirken, indem Ihr seinen Leuten das Studio einrichtet?



    Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen?



    Aber der Hammer ist doch Eure Reaktion auf diesen Skandal. Ausgerechnet Ihr Medienprofis entblödet Euch nicht, mit der deutschesten Ausrede aller Zeiten - haben wir nix von gewusst - um die Kurve zu kommen?



    Merkt Ihr die Einschläge nicht mehr? Wer tritt denn nun wohl zurück?!