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NASA sagt Außeneinsatz abNichts zum Anziehen

Lin Hierse
Kommentar von Lin Hierse

Zum ersten Mal sollten ausschließlich Frauen einen Spacewalk an der Internationalen Raumstation bestreiten. Doch es scheitert an der Kleidung.

Frauen nehmen längst an Außeneinsätzen im All teil – brauchen dafür aber die passende Kleidung Foto: nasa/Unsplash

W as Frauen anziehen, interessiert alle ständig brennend. Man(n) kann jegliche Kleiderwahl der Damen sehr gut kommentieren. Ist der Bikini zu knapp, ist die Frau zu billig, trägt sie Hidschab, wird sie bestimmt unterdrückt und wenn ihr egal ist, was sie anzieht, dann ist vermutlich sowieso alles verloren.

Zum Glück gibt es einen Bereich, wo diese Überlegungen keine Rolle spielen: Berufskleidung. In Berufskleidung sind wir alle gleich – oder zumindest gleich angezogen. Vom minzgrünen OP-Zweiteiler bis zur leuchtenden Warnlatzhose wird die Diskussion über das „richtige“ Outfit hinfällig. Und das gilt auch für Raumanzüge – eigentlich.

Da gibt es aber leider ein Problem. Am 29. März sollte der erste ausschließlich von Astronautinnen bestrittene Außeneinsatz an der Internationalen Raumstation (ISS) stattfinden.

Dieser historisch große Schritt für die Menschheit musste nun aber verschoben werden, denn: Es gibt nicht genug passende Raumanzüge. So teilte die US-Raumfahrtbehörde NASA am Dienstag mit, dass die Astronautinnen Anne McClain und Christina Koch für einen sicheren Einsatz beide ein Oberteil der Größe M benötigten. ­McClain habe erst bei einem Einsatz vergangene Woche festgestellt, dass ihr diese Größe am besten passe. Leider kann laut NASA bis zum kommenden Freitag aber nur ein Anzug in dieser Größe bereitgestellt werden. In der Konsequenz wird Koch nun gemeinsam mit einem männlichen Kollegen den Spacewalk antreten.

Eine feministisch durchaus bedeutende Mission im Weltall wird also abgesagt, weil die Frauen, tja, nichts passendes zum Anziehen haben – beziehungsweise nicht genug davon. Und das liegt nicht an irgendwelchen sogenannten Befindlichkeiten, es ist kein lapidarer „Outfit of the day“-Fail, der sich darauf gründet, dass wir uns nicht sicher sind, ob wir uns heute eher nach Kapuzen- oder Rollkragenpullover fühlen.

Berufskleidung muss zuallererst verfügbar sein und funktionieren. Das gilt ganz besonders auf der ISS. Ist sie das nicht, dann gibt es offenbar ein Planungsproblem. Und genau dieser Fakt macht die Sache so absurd – auch wenn der erste nur von Frauen durchgeführte Außeneinsatz im All bald nachgeholt werden wird.

Wir denken dauernd darüber nach, was Frauen wann und wie anziehen. Leider nicht dieses eine Mal, wenn es wirklich darauf angekommen wäre.

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Lin Hierse
taz-Redakteurin
Lin Hierse ist Redakteurin der wochentaz und Schriftstellerin. Nach ihrem Debüt "Wovon wir träumen" (2022) erschien im August ihr zweiter Roman "Das Verschwinden der Welt" im Piper Verlag. Foto: Amelie Kahn-Ackermann
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8 Kommentare

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  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Ich glaube das ist in den Medien ein größeres Drama als für die beteiligten.

  • Tsss! Immer diese Weiber! Eine halbe Stunde bevor sie ausgehen wollen gucken sie in ihren Kleiderschrank und zetern: „Ich hab‘ ja gar nichts anzuziehen!“ Sogar im Weltraum noch!

    Und nun mal Scherz beiseite. Hätten sich die Organisatoren dieses Ausflugs wirklich dafür interessiert, was Frauen anziehen, wenn sie (allein) ausgehen, hätten sie die Körpergröße vielleicht zum Kriterium ihrer Auswahl gemacht. Bewerberinnen dürfte es genug gegeben haben. Die Entscheider hätten also – natürlich bei gleicher Eignung – eine große und eine kleine Frau zur ISS schicken können, wenn sie schon aus Platzgründen nur je eine Konfektionsgröße von allem vorhalten wollen, was Menschen tragen können im Weltraum. Haben sie aber nicht. Offenbar hatten sie die Outfit-Frage gar nicht auf dem Schirm. Von wegen also: „Was Frauen anziehen, interessiert alle ständig brennend.“ Für Berufsbekleidung scheint das jedenfalls nicht zu gelten. Wenn sie erst mal in einer Berufsbekleidung steckt, ist wohl die Frau an sich nicht Eigentum der Öffentlichkeit, sondern Eigentum ihres Arbeitgebers. Und mit dem legt man sich besser nicht an, wenn man die Frau nachher nicht selbst am Hals haben will – Berufsbekleidung inklusive.

    Immerhin: Eine „feministisch durchaus bedeutende Mission“ wird nun zu einem Meilenstein der Gleichberechtigung. Eine Frau und ein Mann gleichzeitig im All – wenn das funktioniert, ist ja vielleicht endgültig widerlegt, dass der Mann unbedingt führen muss, wo es gefährlich werden kann. Zumindest dann nicht, wenn Befindlichkeiten keine entscheidende Rolle spielen.

    • @mowgli:

      Es wurde nicht aus Platzgründen nur je eine Konfektionsgröße vorgehalten. McClain hatte vorher auf der Erde gemeint, L würde passen, dann aber im Rahmen ihres ersten Weltraumspaziergangs festgestellt, dass es doch eher M sei.

      Es gibt auch noch einen weiteren Anzug der Größe M, aber der ist nicht einsatzbereit und den kriegt man auch nicht rechtzeitig für diesen Einsatz fertig.

  • Was haben Sie denn für einen Frauenbild?



    Da stellt Frau Mc Clain­ im letzten Moment fest, daß ihr der Raumanzug nicht passt, schuld daran sind aber die Männer im Hintergrund. Können denn Frauen Ihrer Meinung nach keine Verantwortung für sich selber übernehmen so das die Männer im Hintergrund das für sie organisieren müssen? Oder müssten die Männer vorher die Frau vermessen um zu entscheiden welche Größe die richtige ist?



    Eine ganze Kollektion von Raumanzügen vorzuhalten kann ja auch nicht die Lösung sein, schließlich bekommt man die nicht für wenig Geld beim Kleidungsdiscounter.

  • Also mal ehrlich, McClain fällt oben im Weltraum auf, dass ihr M doch besser passt als L, eine Größe, die Koch auch braucht, von der aber nun nur ein Anzug einsatzbereit ist. Da ist nun wohl kaum die NASA oder sonst irgendjemand anders schuld.

    Solche Anzüge hängen ja nicht in allen Konfektionsgrößen im Spind, so dass man nurnoch reinschlüpfen muss und einen Spaziergang machen kann. Da braucht es nunmal eine Vorlaufzeit und die hatte es angesichts der jetzt erst getroffenen Feststellung McClains, dass M doch besser ist, nicht gegeben.

    McClain kann man auch wenig Vorwürfe machen. Einen Anzug auf der Erde auszuprobieren kann da eben nochmal etwas anderes sein, als ihn dann unter Einsatzbedingungen zu tragen. Und ihr erster Einsatz war nunmal der am 22.03. gewesen.

    "Astronautin hat nichts passendes anzuziehen" mag als reißerisches Thema passen und man kann da bestimmt schön rumätzen. Aber wenn man keine Ahnung von der Thematik, sollte man sich vielleicht doch eher zurückhalten.

  • Das ist wahrscheinlich kein Planungsproblem, sondern ein Managementproblem. Ich vermute mal, dass irgendein Manager auf die Idee kam, aus Publicity-Gründen die Planungen über den Haufen zu schmeißen und kurzfristig einen Weltraumspaziergang von zwei Frauen anzusetzen, ohne die Fachleute zu fragen, ob das überhaupt machbar ist. Aber schuld ist er dann natürlich nicht an der Situation. Passiert hier unten auf der Erde ständig, warum sollte das im All anders sein?

  • Ein zwei Jahre alter Artikel von Heise.de erklärt ein paar Hintergründe:



    www.heise.de/amp/m...endet-3698477.html

    Raumfahrt ist eben immer noch eine technologische Nische, die einerseits Milliarden an Geld verschlingt und dafür verhältnismäßig wenig kapitalisierbare Endprodukte liefert. Deswegen werden die staatlich zu Verfügung gestellten Mittel dafür auch seit Jahrzehnten gekürzt.

    Jetzt darüber zu schwadronieren, daß eine “feministisch bedeutende Mission im Weltall” wegen unpassender Anzüge verschoben werden musste halte ich für überzogenen Bullshit.



    Sollen sich die Feminist*Innen erstmal auf dieser Erde um die Kleider-Ordnung kümmern.



    Bei Raumfahrtmissionen geht es um Sicherheit - und wenn die nicht gewährleistet ist, möchte ich auch nicht aus “feministischen Gründen” als Frau in einem unpassenden Raumanzug die ISS verlassen.

    BTW: Was sagen denn eigentlich die momentan betroffenen Frauen auf der ISS dazu?

  • Planungsproblem?



    Nur weil eine Frau erst kurz vorher feststellt, welche Größe am besten passt?



    Fehlt eigentlich nur noch der Hinweis das awm für die Planung zuständig waren.

    Die Situation ist einfach witzig, wie auf Erden so im Himmel.