Mordender Pfleger aus Niedersachsen: Weitere 84 Menschen getötet
Jahrelang konnte Krankenpfleger Niels H. nahezu ungestört mindestens 90 Menschen töten. Kollegen und Vorgesetzte haben weggeschaut.
Der Krankenpfleger hatte zwischen den Jahren 2000 und 2005 Patienten zunächst in einer Oldenburger, dann in einer Delmenhorster Klinik Medikamente gespritzt, die ein Herzversagen oder einen Kreislaufkollaps auslösten. Anschließend reanimierte er seine Opfer, um als Held zu erscheinen. Schmidt zufolge hat es in beiden Kliniken frühzeitig zahlreiche Hinweise gegeben, die eine polizeiliche Ermittlung gerechtfertigt hätten.
Allein aufgrund der Aktenlage wäre ein schwerer Verdacht auf Niels H. gefallen, der ihn vermutlich auch überführt hätte. Gegen sechs verantwortliche Mitarbeitende im damals städtischen Krankenhaus Delmenhorst sei darum Anklage erhoben worden, von denen sich drei demnächst vor Gericht verantworten müssen. Noch nicht abgeschlossen seien die Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Klinikums Oldenburg. Jedoch kooperiere die heutige Klinikleitung eng mit den Behörden zusammen und habe bereits Beweise geliefert.
Die Sonderkommission beendete ihre Arbeit, laut Schmidt wird aber weiter im Alltagsbetrieb der Polizei ermittelt. Auch nach dem Ende der Soko „Kardio“ arbeiten einige Ermittler der Soko weiter an dem Fall. In 41 Fällen stehe das toxikologische Ergebnis noch aus. Schmidt zufolge ist nur „die Spitze des Eisberges“ bekannt. So könnten etwa mehr als 130 Verdachtsfälle nicht weiter verfolgt werden, weil die mutmaßlichen Opfer mit einer Feuerbestattung beigesetzt wurden. Ob und wie viele weitere Opfer von Niels H. getötet wurden, bleibe ungewiss.
134 Leichen exhumiert
Der Oldenburger Polizeipräsident Johann Kühme dankte seinen Kollegen, aber auch den Pastoren für die schwere Begleitung der Angehörigen und Friedhofsmitarbeiter. Auf 67 Friedhöfen seien 134 Leichen exhumiert worden, um Beweise zu sichern: „Die Ermittlungen sprengen jede Vorstellungskraft und haben mich entsetzt.“ Kühme schloss sich der Kritik an die damaligen Klinikleitungen an und unterstrich, „viele Todesfälle hätten verhindert werden können“.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, warf sowohl den Kollegen von Niels H. als auch der Polizei, den Arbeitgebern und der Justiz Versagen in der wohl größten Mordserie in Nachkriegsdeutschland vor. Sie alle hätten zu lange weggeschaut. Bis heute fehlten in vielen der bundesweit 2.000 Krankenhäuser verschärfte Kontrollmechanismen, wie etwa ein anonymes Meldesystem.
Brysch forderte ein umfassendes Alarmsystem, das Auffälligkeiten sofort melde und unverzügliches Einschreiten ermögliche. „Hierzu müssen amtsärztliche Leichenschauen, eine umfassende Sterbestatistik und eine exakte Kontrolle der Medikamentenausgabe in allen Krankenhäusern und Pflegeheimen Pflicht werden.“
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