Mo­de­ra­to­r:in­nen über Reddit-Streik: „Man kann konstruktiv diskutieren“

Reddit will an die Börse – gegen den Willen der Nutzer:innen. Zwei Content-Mo­de­ra­to­r:in­nen sprechen über Mods, Subs und digitalen Streik.

Reddit Logo. Der Kopf eines süßen Roboters auf orangem Hintergrund.

Die Reddit App – soll sie an die Börse oder nicht? Foto: Matt Slocum/ap

taz: Hallo Schredder, hallo Maria, ihr habt im Juni einen Streik gegen Reddit mitinitiert. Was macht Reddit für euch besonders?

Schredder: Das Forum Reddit kann man sich vorstellen wie einen riesigen Raum voller öffentlicher Pinnwände. Jede Person kann eine neue Pinnwand dazustellen, Karten und Stifte bereitlegen und andere dazu einladen, mitzugestalten, Kärtchen hinzuzufügen oder zu kommentieren. Ehrenamtliche Moderator:innen, genannt Mods, verwalten die Pinnwände. Diese Unterforen, genannt Subs, verwalten sich selbst. So entstehen einzigartige Communitys mit eigenen sozialen Strukturen.

Ihr seid Mods von linken Subs. Wieso ist Reddit wichtig für Linke?

Maria: Die einzelnen Subs ermöglichen es, Orte zu schaffen, die für Themen stehen. Es gibt spezialisierte Subs, etwa über Polizeigewalt, und in anderen gibt es einen linken Grundkonsens und wir reden über Verschiedenes. Die Mods als Teil der Communitys können Profile, die Lügen oder Hass verbreiten, konsequenter fernhalten. So können wir uns mit Inhalten und Fakten beschäftigen, ohne dass etwa irgendwer behauptet, es gebe keine Polizeigewalt.

Mitte Juni habt ihr euren Sub für die Öffentlichkeit geschlossen, also gestreikt. Wogegen habt ihr protestiert?

Maria: Reddit hat jahrelang externen An­bie­te­r:in­nen erlaubt, Dienste auf Reddit anzubieten. Zum Beispiel gibt es Software, die es Blinden ermöglicht, Reddit zu nutzen oder das Moderieren erleichtert. Jetzt will Reddit aber Geld dafür verlangen, weil sie an die Börse streben und sich profitabler zeigen wollen. Dagegen richtete sich der Streik.

Schredder: Wir haben unseren Sub ein paar Tage für die Öffentlichkeit geschlossen, dann wieder geöffnet, ihn aber als nicht jugendfrei eingestellt. So konnte Reddit keine Werbung schalten. Auch wenn sie teils noch vorher eingelenkt haben und die elementarsten Programme weiterhin kostenlos zulassen werden: Es findet ein Kampf statt, ob wir Mods noch den Freiraum nutzen können, den es bei Reddit mal gab.

Was wolltet ihr bewirken?

Maria: Reddit sollte nur von bestimmten Diensten Geld verlangen. Reddit gibt vor, die Dienste zu beschränken, damit KI-Konzerne dafür bezahlen, wenn sie Reddit-Dienste zum Training ihrer KI nutzen. Wir denken, das ist vorgeschoben. Sonst könnte Reddit gezielt Anbieter von KI-Modellen zahlen lassen.

Schredder: Es geht auch um Machtgehabe gegenüber den Mods. Wir sorgen seit Jahren ehrenamtlich dafür, dass Reddit funktioniert. Wir löschen Unangemessenes, sperren Fake-Profile und solche, die Hass verbreiten. Weil es engagierte Mods gibt, ist Reddit einer der letzten Orte im Internet, an dem man noch konstruktiv diskutieren kann. Mit dem aktuellen Verhalten aber riskiert Reddit, uns zu verlieren.

Welches Verhalten meint ihr konkret?

Maria: Drei Tage vor Streikbeginn hat Reddit CEO Steve Huffman sich den Fragen der Community gestellt, sich aber wie der letzte Unsympath verhalten. Er wollte keine Kritik hören – Augen zu und durch. Für mich war Reddit eine Plattform, die sich mit der Community gemeinsam gestaltet. Jetzt werden die Stimmen der Use­r:in­nen ignoriert. Das hat viele zusätzlich motiviert zu streiken. Während des Streiks drohte Reddit zudem persönlich, uns rauszuwerfen.

Könnten nicht einfach neue Mods übernehmen?

Maria: Wir sind in unseren Subs immer offen für neue Mods. In politischen Subs wie unserem besteht aber die Sorge, dass Leute mit anderen Zielen übernehmen. Rechte könnten den Sub kapern und ihn zerstören, missbrauchen oder aus internen Chats der Mods private Daten ergattern.

Ihr macht also weiter?

Maria: Ich will nicht aufgeben, überlege aber, Reddit zu verlassen. Ich arbeite doch nicht gratis für einen börsennotierten Konzern. Wir Mods beleben die Plattform mit Millionen von Arbeitsstunden. Wir moderieren eine bis eineinhalb Stunden täglich, auch mal vier. Aber so wie die Konzernführung mit uns umgeht, mache ich nicht weiter.

Schredder: Aber wir wissen auch nicht, was dann aus unseren Communitys wird, ob Rechte sie übernehmen oder sie verfallen. Wir könnten sie löschen, aber dann wäre aller Freiraum, den es vielleicht noch gibt, verloren.

*Namen von der Redaktion geändert

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