Mobilitätsforscherin über Parkplätze: „Parken ist kein Grundrecht“
Autos rauben zuviel Platz, sagt Anne Klein-Hitpaß vom Thinktank Agora-Verkehrswende. Daher müssten wir den öffentlichen Verkehr mit neuen Angeboten ergänzen.
taz: Frau Klein-Hitpaß, der Autokonzern Fiat-Chrysler will lieber Strafen für überhöhte CO2-Werte seiner Fahrzeuge zahlen, als teure Elektroautos zu entwickeln. Das ließ die Chefetage auf dem Genfer Autosalon verlauten. Ist das für Autokonzerne eine realistische Alternative – zahlen und weitermachen?
Anne Klein-Hitpaß: Strafe zahlen ist doch gar nicht billiger. Die großen Märkte in China oder Kalifornien setzen auf Elektromobilität, und ein Großteil der in Deutschland produzierten Autos werden im Ausland verkauft. Außerdem haben Städte wie beispielsweise Paris und London angekündigt, in Zukunft Autos mit Verbrennungsmotoren nicht mehr in ihre Innenstädte zu lassen. Langfristig ist die Strategie von Fiat-Chrysler riskant.
Sind E-Autos die Lösung ?
Teilweise. Sie sorgen für bessere Luft in den Städten und tragen zur Dekarbonisierung des Verkehrs bei. Das größte Problem in den Städten allerdings lösen E-Autos nicht: das Platzproblem. Wir müssen den städtischen Verkehr rationaler und effizienter organisieren. Dafür sind private Autos nicht geeignet. Ein Parkplatz zum Beispiel misst im Schnitt 12,5 Quadratmeter – das ist so groß wie ein Kinderzimmer. Autos brauchen wahnsinnig viel Platz. Auf dem stehen sie dann durchschnittlich 23 Stunden täglich herum. Sie rauben Platz, der für Lieferzonen gebraucht würde, für Rad- und Fußwege, für Spielplätze und so weiter.
Am 8. März veröffentlichen wir auf taz.de nur Beiträge von Frauen* und nicht-binären Menschen, und auch nur diese kommen darin vor: als Expert*innen, als Protagonist*innen, auf den Fotos. Trotzdem beschäftigen wir uns nicht primär mit dem, was im allgemeinen Sprachgebrauch gern als „Frauenthemen“ bezeichnet wird – sondern mit dem Tagesgeschehen.
Wenn Städte Parkplätze teurer machen, kritisieren das als erstes die Händlerinnen…
Viele Einzelhändler unterliegen dem Irrglauben, dass sie Kunden mit Kofferraum brauchen. Bei Umfragen unter Kundinnen nennen diese als wichtige Punkte aber die Gestaltung der Innenstädte und die Vielfalt der Geschäfte, um gerne einzukaufen. Parkmöglichkeiten rangieren viel weiter unten. Darum fordern ja auch viele Händlerinnen in Innenstädten Fußgängerzonen, in denen die Kundschaft gerne bummelt.
Wie kommen die Pendlerinnen in die Stadt?
Um das private Auto abzulösen, brauchen wir einen starken Öffentlichen Nahverkehr, der die zunehmenden Pendlerströme bewältigt. Dabei ist es wichtig, bestehende Angebote auszubauen und diese sinnvoll zu ergänzen. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, das Personenbeförderungsgesetz zu überarbeiten. Das ist gut! Dieses Gesetz kommt aus einer Zeit, als es Mobilitätsdienstleistungen wie Carsharing oder Ridepooling noch nicht gab.
verantwortet bei Agora Verkehrswende das Netzwerk Urbane Verkehrswende und Themen der städtischen Mobilität. Aktuelle Arbeitsschwerpunkte der Diplom-Geographin bilden die Themen Öffentlicher Raum, Parkraummanagement sowie der notwendige Rechtsrahmen für eine Verkehrswende.
Car-Sharing wird ÖPNV?
Sharing-Angebote ergänzen ihn. Pendlerinnen fahren mit Bussen und Bahnen und sie teilen sich Autos und Fahrräder, je nachdem, was gerade am besten passt. Das Ziel der Verkehrsplanerinnen in den Städten sollte immer sein, dass Bewohner und Besucherinnen ohne eigenes Auto auskommen können. Heute ist ein Auto ja eine Mobilitätsgarantie, das steht so lange rum, bis ich es mal brauche. Wenn ich meine Mobilität auch verlässlich anders bewältigen kann, zum Beispiel durch ein geteiltes Auto, benötige ich kein eigenes mehr.
Wie wichtig ist für solche Szenarien ein leistungsfähiges digitales Netz – Stichwort 5G?
Das ist eine zentrale Voraussetzung, denn neue Mobilitätsdienste funktionieren über Smartphones. Darum ist ein leistungsfähiges Netz eine Voraussetzung für die Verkehrswende – in der Stadt und auf dem Land. Allerdings nützt das beste Netz nichts, wenn die Planung nicht stimmt. „Himmel oder Hölle“ – beides ist möglich. Vielleicht wird im Zeitalter autonomen Fahrens das Auto ja so bequem, dass viele Menschen vom Bus ins Auto umsteigen. Dann haben wir am Ende mehr Verkehr.
Und wie verhindern wir das?
Wie gesagt, das ist eine Frage der städtischen Planung. Die Städte müssen festlegen, welchen und wieviel Verkehr sie haben möchten. Der Spruch „Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten“, der gilt ja auch für Fahrräder. Sichere Radwege zum Beispiel führen zu mehr Fahrradverkehr. Busspuren machen den öffentlichen Verkehr attraktiver.
Haben die Städte für solche Planungen die notwendigen Kompetenzen?
Teils, teils. Zum Beispiel können Kommunen schon heute Straßen nur für Fahrräder zulassen oder zumindest fahrradgerecht gestalten. Bei anderen Herausforderungen fehlen ihnen hingegen die Steuerungsmöglichkeiten. Zum Beispiel dürfen Autos nach Rechtslage des Bundes überall dort parken, wo es nicht verboten ist. Es ist für Kommunen sehr aufwändig, Parken einzuschränken.
Frauen, die bewegen
Der Bund könnte es ihnen erleichtern und festlegen, dass Parken überall dort verboten ist, wo es nicht erlaubt ist. Es gilt, das Grundrecht des Parkens im öffentlichen Raum zu beenden. Viele Parkhäuser sind nicht ausgelastet, es gibt also Platz im privaten Raum, da müssen Autos nicht öffentliche Flächen okkupieren. In Stockholm zum Beispiel kostet ein Anwohnerparkausweis 800 Euro im Jahr …
… das gäbe hier einen Volksaufstand!
Ja klar, darum wird das Thema in vielen Städten auch nicht angefasst, aus Angst vor Konflikten. Man muss also beides machen, bessere Mobilitätsangebote schaffen, aber auch schlechte Entwicklungen zurückdrängen. Push und Pull, das muss Hand in Hand gehen.
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